Ich stellte schnell einen Teller mit verschiedenen Früchten, sowie etwas Brot mit Butter und eine Tasse Wasser zusammen, auch wenn die Bediensteten mich die ganze Zeit fragten, ob sie mir irgendwie helfen könnten. "Danke, aber das schaffe ich auch alleine", sagte ich immer wieder.
Nachdem ich fertig war, machte ich mich wieder auf den Weg zu Arielles Zimmer. Als ich die Tür öffnete, flog eine Möwe panisch aus dem Zimmer, die vorher auf dem Tisch gesessen hatte, und irgendwas Rotes krabbelte vom Fensterrahmen aus meinem Sichtfeld. Erst dann bemerkte ich Arielle, der gegen den Fensterrahmen gelehnt zu schlafen schien. Doch als ich die Tür hinter mir ins Schloss drückte, öffnete er die Augen. Als ich ihn fragte, ob er geschlafen hatte, schüttelte er nur mit dem Kopf.
Ich ging vorsichtig, damit ich nichts vom Tablett fallen ließ, zur Fensterbank und stellte das Tablett vor Arielle ab, bevor ich mich ihm gegenüber setzte. Er lächelte dankend, bevor er die Gabel nahm, die ich neben die Obstschüssel gelegt hatte, und sich damit die Haare eindrehte.
Schnell legte ich meine Hand auf seine und drückte sie sanft herunter, sodass er die Gabel aus seinen Haaren nahm. "Das ist eine Gabel. Damit essen wir unser Essen."
Ich nahm ihm die Gabel vorsichtig aus der Hand, wobei meine Finger wieder kribbelten, als wir uns berührten, und pikste ein Stück Mango auf, bevor ich es ihm hinhielt. Er beugte sich vor, bevor er das Stück in den Mund nahm und von der Gabel zog. Mir wurde schon wieder so warm, als seine Augen aufleuchteten, während er kaute. Erst als er hinter gekaut hatte, lächelte er mich an und nahm mir die Gabel aus der Hand, um weiter zu essen.
Während er genüsslich seine Früchte aß, lehnte ich mich zurück und sah aus dem Fenster aufs Meer. Eigentlich wollte ich heute tauchen gehen in der Hoffnung, Arielle wiederzusehen, aber dass er jetzt mit Beinen vor mir sitzt, hätte ich mir nicht mal im Traum ausmalen können. Allerdings vermisste ich seine Stimme jetzt schon.
Ein Tippen auf meinem Bein brachte mich aus meinen Gedanken. Als ich zu Arielle aufsah, versuchte er angestrengt mit einer Hand die Tasse am Henkel zu halten, wobei die Tasse aber leicht zitterte. Sein Blick fragte, ob das so richtig war.
Ich nahm sanft seine Hand, die gerade nur nichts tuend in der Luft hing, und legte sie an die andere Seite der Tasse, sodass er sie mit beiden Händen hielt. "Du kannst auch so trinken. Das ist einfacher." Nach einem Nicken setzte er die Tasse an seine Lippen und trank. Er hatte sämtliche Früchte schon aufgegessen. Wahrscheinlich hatte er ziemlich Hunger gehabt oder es hatte einfach nur geschmeckt. Früchte gehen immer.
Nachdem er ausgetrunken hatte, zeigte ich ihm noch, dass er das Brot diesmal nicht mit der Gabel essen musste, sondern es einfach in die Hand nehmen konnte, bevor er auch das schnell aß.
Als er dann fertig war, nahm ich das Tablett und stellte es auf den kleinen Tisch, auf dem vorher die Möwe stand. Ob das vielleicht Scuttle war, die nachgesehen hat, wie es Arielle ging? Gedanklich zuckte ich mit den Schultern und setzte mich wieder zu Arielle.
"Also, was wollen wir machen? Willst du irgendwo bestimmtes hingehen oder irgendwas sehen?" Er blickte mich eine kleine Weile nur an und lächelte, bevor er mit dem Kopf schüttelte. Während ich überlegte, was ich ihm zeigen könnte, spürte ich seinen Blick auf mir ruhen. Als ich zu ihm aufsah, wurde er leicht rot.
"Wir können morgen auf den Markt gehen. Da gibt es so viel zu sehen, das wird dich umhauen. Aber was machen wir heute? Hm ..." Während ich weiter überlegte, sah ich ihn gähnen, was mich lächeln ließ. "Vielleicht schläfst du erstmal. Du hast bestimmt eine ganze Weile nicht geschlafen, stimmst?" Er nickte nur und gähnte nochmal. „Dann leg dich ins Bett. Falls irgendwas sein sollte, mein Zimmer ist die Treppe herunter und dann links. Gleich neben einem riesigen Bücherregal."
Während ich aufstand und zur Tür ging, nickte er und begann seine Schuhe auszuziehen. "Schlaf schön." Lächelnd nickte er noch einmal, bevor ich die Tür schloss.
Auf dem Weg zu meinem Zimmer lief ich an dem Sammlerzimmer meines Bruders vorbei. Darin hatte er alle Dinge gelagert, die er auf seinen Reisen gefunden hatte. Ein wenig wie Arielles Höhle voller Menschensachen. Er saß gerade am Schreibtisch, über eine Karte gebeugt. Darauf waren verschiedenste Routen und Punkte eingezeichnet, die wahrscheinlich die Suchrouten und -punkte für die morgigen Fahrten darstellten. Was total bescheuert ist, wenn die gesuchte Person im Schloss ist.
"Eric", rief ich, damit er realisierte, dass ich da war. "Ah, Emily. Komm rein. Was gibts?" Er hatte den Blick immer noch nicht von der Karte abgewandt. "Arielle hat dich gerettet. Du kannst aufhören, so besessen nach dem Jungen zu suchen." Erst jetzt blickte er zu mir auf. "Arielle?" "Der Junge, der oben im Gästezimmer gerade schläft. Den, den er Fischer heute gefunden hat."
Seine Augen blitzen auf. "Er hat dir seinen Namen gesagt?" Seufzend lehnte ich mich an den Tisch in der Mitte. "Nein, Eric. Er kann immer noch nicht sprechen. Aber ich weiß jetzt, wie er heißt und er hat mir ebenfalls deutlich gemacht, dass er dein Retter war." So oder so ähnlich.
"Er hat gesungen. Arielle kann nicht reden. Das ist unmöglich." Wieder sah er runter auf seine Karten.
Gesungen? Hat Arielle seinen Sirenengesang eingesetzt? Ist Eric deshalb so besessen davon, ihn zu finden? 'Wenn man einmal den Sirenengesang gehört hat, will man ihn immer wieder hören', hatte ich mal in einem Buch gelesen. Das muss ich unbedingt morgen Arielle fragen.
Aber ich kann Eric jetzt gerade wohl kaum erzählen, dass ich Arielle schon vorher kannte. Dann müsste ich mir eine große Lüge zusammen spinnen und ich bin nicht die beste Lügnerin.
"Glaub mir, er ist es und die Suche wird zwecklos sein. Du nimmst alle Kutschen des Landes, um jemanden zu suchen, der sich im Schloss aufhält. Du kannst ihm deinen Dank aussprechen und dann kann dein Leben normal weitergehen. Ich glaube kaum, dass Arielle auf das Geld aus ist." Ich bezweifle, dass er überhaupt verstanden hat, wie das ganze 'Kaufen und Verkaufen'-Prinzip funktioniert. Er wirkte damals zumindest ziemlich verwirrt, als ich es ihm versucht habe zu erklären, nachdem er mir eine seiner Münzen gezeigt hatte.
"Ich habe mir das nicht eingebildet", meinte Eric und ließ die Faust auf den Tisch fallen. "Der Junge, der mich gerettet hat, hat gesungen. Solange Arielle nicht komischerweise nur singen und nicht reden kann, ist er es nicht."
Ich seufzte wieder und ließ meinen Blick durch den Raum schweifen, bevor er an einem Steinklumpen hängen blieb, der oft unter Wasser anzutreffen war. Von Außen sah es aus, wie ein Stein, aber wenn man es aufknackte ... "Dir ist bewusst, dass da ein Edelstein drin ist, oder?"
Er summte fragend und folgte meinem Blick. "Was meinst du damit?" Ich nahm den Stein vorsichtig in die Hand, bevor ich ihn mit Wucht auf den Boden haute. Eric stand vor Schreck auf, während ich den Edelstein herausholte und ihm entgegenhielt. "Das meine ich."
Perplex starrte er mich an, bevor er mir den Stein aus der Hand nahm. "Das wusste ich nicht." "Hab ich gesehen, Bruderherz. Man lernt auch ein bisschen was unter Wasser." Von bestimmten Meermännern, ergänzte ich in Gedanken.
"Na ja, ich lasse dich dann mal wieder alleine. Viel Glück bei deiner Suche", rief ich noch über die Schulter, bevor ich nun endgültig an dem großen Bücherregal vorbei in mein Zimmer ging.
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Abgetaucht (m. Arielle - Arielle, die Meerjungfrau)
FanfictionMan hätte ahnen können, dass die beiden sich früher oder später treffen mussten. Eine Prinzessin, die lieber taucht, als sich im Schloss aufzuhalten, musste irgendwann auf die Meeresbewohner treffen, die sie vorher nur für einen Mythos gehalten hatt...