X. Hier bei dir

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Nach einem Nicken von Arielle sprangen wir herunter ins Meer. Ein riesiger Tentakel krachte zwischen uns aufs Wasser und wir wurden auseinandergetrieben.

Die tiefe Stimme des Oktopus hallte durch die Luft, während er den Dreizack über das Wasser zog. "Jetzt herrsche ich über die Ozeane und alle werden sich hilflos meiner Macht beugen!"

Eine Welle ergriff mich und ich hörte noch Arielle nach mir rufen, bevor ich unter Wasser ging. Als ich dann wieder an die Oberfläche schwamm, wurde ich gleich von einer starken Strömung erfasst, die mich mitten in einen riesigen Wassertornado zog. Einige der gesunkenen Schiffe wurden von dem Sog wieder an die Oberfläche getrieben und glitten gefährlich auf dem Wasser.

Als ich an einem Felsen vorbeikam, der aus dem Wasser ragte, hielt ich mich schnell daran fest, um Luft zu holen. Allerdings hatte unser Oktopus das auch gesehen. Er hielt den enormen Dreizack auf mich und feuerte. "Adios, kleine Herzensbrecherin." Gerade im letzten Moment konnte ich mich noch von dem Felsen wegstoßen, sodass mich der Strahl knapp verfehlte. Allerdings verhedderte ich mich stattdessen in Seilen, die an der Unterseite des Felsens hingen.

Wieder wurde der Dreizack auf mich gerichtet, nur konnte ich mich diesmal nicht befreien. Ich sah meinem Tod also direkt ins Auge.

Doch plötzlich ließ der Oktopus den Degen sinken und hatte wenig später den vorderen spitzen Teil eines Schiffes im Baum. Ich sah Arielle, wie er im letzten Moment von Bord sprang, bevor das Schiff samt dem Oktopus unterging.

Wir hatten es geschafft.

Das Wasser beruhigte sich wieder und ich konnte mich nun in Ruhe von den Seilen befreien, bevor ich mich auf den Felsen hievte. Als ich mich umsah, konnte ich Arielle nirgends erkennen, doch ich machte mir keine Sorgen. Er war von dem Schiff heruntergesprungen, das heißt, dass er lebte und einfach irgendwo unter Wasser war. Vielleicht sieht er nach, ob der Krake tot ist oder so etwas in der Art.

Ich wartete noch eine ganze Weile, bis ich dann den Weg zum Ufer antrat. Arielle war nicht nochmal aufgetaucht, aber ich versuchte mir keine Gedanken darüber zu machen. Ihm ging es gut. Das zählte.

An Land erwartete mich Mutter, Eric, Grimsby, zwei Wachleute, sowie Lashana und ein anderes Dienstmädchen.

Mutter war die Erste, die zu mir kam. "Zum Glück geht es dir gut." Ich atmete immer noch schwer, doch kam langsam wieder zu Kräften. "Ohne ihn wäre ich tot", murmelte ich und sah aufs Meer.

Ich hörte sie seufzen, doch sah weiter aufs Wasser. Die Sonne war inzwischen wieder aufgegangen. Wir hatten die ganze Nacht gekämpft. "Du warst nicht überrascht, als er sich in einen Meermann verwandelt hatte", stellte sie fest, woraufhin ich nur zustimmend summte. "Du kanntest ihn." "Ja, Mutter. Ich kenne Arielle schon eine ganze Weile." "Deine Gefühle für ihn sind klar, allerdings sind unsere Welten nicht füreinander geschaffen. Du kannst so viel tauchen gehen, wie du willst, aber du wirst keine Kiemen bekommen. Wir leben in zwei verschiedenen Welten."

Mein Gehirn versuchte sich tausende Gegenargumente auszudenken, allerdings wusste ich, dass ich nicht mit ihr diskutieren brauchte. Sie hatte ja recht, auch wenn die Wahrheit wehtat.

Zusammen gingen wir alle wieder zurück zum Schloss. Ich zog mir trockne Kleidung an, bevor mich meine Beine zum Strand trugen. In der Hoffnung, dass Arielle vielleicht kam.

Gedankenverloren schmiss ich Steine ins Wasser und achtete gar nicht auf meine Umgebung, bis sich hinter mir jemand räusperte.

Als ich mich umdrehte, konnte ich meinen Augen nicht trauen. Arielle stand vor mir. Wieder mit Beinen. Sofort stand ich auf und rannte zu ihm. Er lachte nur, als er mich auffing.

Wie ich sein Lachen vermisst hatte. "Bin ich froh, wieder hier zu sein", meinte er, während er mir tief in die Augen sah. "Hier bei dir." Meine Haut kribbelte, als er mich anlächelte. "Und ich bin froh, dass du wieder da bist", murmelte ich nur noch, als wir uns immer näher kamen.

Diesmal ohne irgendwelche Unterbrechungen küssten wir uns. Seine Hände fanden meine Wangen und strichen leicht mit dem Daumen darüber, während er mich näher zu sich zog. Ein glücklicher Seufzer entfuhr ihm, während ich mit meinen Händen über seinen Rücken strich. Das Geräusch ließ jeden letzten Gedanken verschwinden, der noch durch meinen Kopf schwirrte.

Als wir uns dann trennten, atmeten wir beide schwer. Sanft legte Arielle seine Stirn auf meine und grinste. "Ich kann mit dir an Land bleiben." Ich glaube, mein Tag könnte nicht mehr besser werden. "Wirklich?" "Wirklich", meinte er grinsend, bevor er meine Taille nahm, mich hochhob und uns im Kreis drehte. Wir lachten zusammen, auch noch als Arielle das Gleichgewicht verlor und wir beide im Sand landeten.

Hätte mir irgendwann mal jemand erzählt, dass ich meine Ewigkeit mit einem waschechten Meermann verbringen würde, hätte ich wahrscheinlich ziemlich skeptisch geguckt. Aber ich hätte es mir nicht besser vorstellen können.


Abgetaucht (m. Arielle - Arielle, die Meerjungfrau)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt