Kapitel 11 - Lilith

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Ich weiß nicht, wie lange ich zuhause gelesen habe, aber es ist schon spät, als ich mein Buch in der Schublade meines Nachttischs verstaue und das Licht ausknipse.

Ich strecke mich auf meiner Matratze aus und mummele mich in die Decke ein. Eine Weile starre ich einfach nur in die Dunkelheit. Wie sie still daliegt und versucht, mich sanft in den Schlaf zu wiegen. Was ihr allerdings nur semi-gut gelingt.

Es dauert keine drei Minuten, bis ich mich wieder aufsetze und die Nachttischlampe zum wiederholten Mal anknipse. Meine Möbel erleuchten wieder in ihrem hellen Holz-Ton. Ich atme tief ein, dann wieder aus und greife nach meinem Handy, was am Kabel angeschlossen auf meinem Nachttisch liegt. 

Ich entferne es vom Ladekabel und drücke auf dem Home-Button. Ein heller Bildschirm erstrahlt vor mir, sodass ich die Augen zusammenkneifen muss, und erst wenige Sekunden später wieder halb öffne. Ich drücke den Finger auf den Bildschirm und entsperre mein Handy somit. Ich gehe auf den Chat von Carlos und mir. Ich habe das dringende Bedürfnis, ihm zu schreiben. Also tippe ich mit dem Finger auf das Feld, wo gerade noch fröhlich das Wort Nachricht aufploppt, und beginne zu tippen.

Hey Carlos! Ich weiß, dass du noch unterwegs bist (fährst ja 18 Stunden oder so), aber ich wollte dir kurz schreiben, auch wenn es schon so spät ist. Ich vermisse dich schon jetzt. Wie soll ich es so lange ohne dich aushalten? Habe den Nachmittag in der Bibliothek verbracht, bis ich von einem nervigen Typen vertrieben wurde (frag einfach nicht, ich hab keine Ahnung, was da mit mir los war). Wie ist die Fahrt so? Schreib mir, wenn du in Spanien angekommen bist!

Ich klicke entschlossen auf den Sende-Button und stelle Carlos somit die Nachricht zu. Zu meiner Überraschung dauert es keine fünf Minuten, bis ich eine Antwort erhalte. Carlos scheint also auch noch nicht schlafen zu können.

Hi! Ich schaffe es auch nicht, zu schlafen. Ich kann einfach nicht im Auto schlafen... Ich vermisse dich auch total! Lass uns morgen telefonieren! Aber besser nachmittags, ich hab keine Ahnung, wann ich einschlafe. Wahrscheinlich schlafe ich morgen Vormittag noch. Legen gleich eine Pause ein und schlafen. Was war das denn für ein Typ aus der Bücherei? Kanntest du den? Ich wusste, dass du es sofort schaffst, Kontakt mit anderen aufzubauen :) hab ich doch gleich gesagt! Vielleicht werdet ihr ja Freunde?

Ich schnaufe. Wir sollen Freunde werden? Aber nur, wenn er mich nicht permanent beim Lesen stört. Ich bin in der Bücherei, um zu lesen, nicht um mich von irgendwelchen Typen über meine Einsamkeit ausfragen zu lassen.

Ich klicke wieder ins Nachrichtenfeld und schreibe eine Antwort an meinen Kumpel.

Oh... Ich hoffe, du schläfst bald ein :) Okay, rufe dich morgen so um 3 an. Passt das? Ja, der Typ war der, den ich im Schwimmbad gesehen habe. Er hat ein Mädchen aus dem Wasser gerettet. Aber nein, wir werden kein Kontakt aufbauen. Ich meine, ich kenne diesen Jungen nicht, aber das was ich von ihm kenne, macht mich jetzt nicht wirklich an. Echt, da gibt es bessere Typen.

War das nicht der, den du so bewundert hast XD, kommt es direkt wieder von Carlos.

Ich habe nicht ihn bewundert, verteidige ich mich schnell. Ich habe seine Tat bewundert. Und seinen Mut.

Also hast du doch ihn bewundert ;)

Nein!

Ach komm, gib ihm doch einfach eine Chance! Einen Menschen macht nicht der erste Eindruck aus! Geh einfach morgen wieder in die Bücherei und lass dich auf sein Gespräch ein. Es kommt nicht gut bei Jungs an, wenn sie total abweisend ist ;)

Wer sagt denn auch, dass ich was von ihm will?! Du musst immer direkt alles SO sehen!

Wie sehe ich es denn? Ich möchte nur, dass du auch ohne mich glücklich sein kannst.

Ich kann auch ohne Freunde in meiner Umgebung glücklich sein!

Ist das so?

Natürlich! Aber okay, wenn du unbedingt willst... Dann gehe ich morgen wieder in die Bücherei und „lasse mich auf ein Gespräch ein". Zufrieden?

Ja :) Gute Nacht

Gute Nacht!

Ich lächele kurz, einfach weil es wieder so ist, als sei Carlos neben mir, dann schließe ich mein Handy wieder ans Kabel an und kuschele mich glücklich in die Decke ein. Das einzige, was mir jetzt noch Unbehagen versetzt, ist mein bevorstehendes Gespräch mit Rocco... 

Körper - das komische Ding, in dem meine Seele gefangen istWo Geschichten leben. Entdecke jetzt