Kapitel 18: Der Junge, der niemals aufhörte zu strahlen

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Um uns herum war alles still, nur unser leiser Atem war zu hören. Es war das einzige Zeichen, dass wir lebten und unseren Platz im Universum unter dem funkelnden Sternenzelt einnahmen.

In diesem Moment fühlte ich mich seltsam geerdet. Mein Geist kam zur Ruhe, als ich in den schönsten Sternenhimmel schaute, den ich jemals zu Gesicht bekommen hatte. Es war fast so, als gehörte ich hier hin. Also hätte eine höhere Macht gewollt, dass ich in diesem Augenblick hier saß und mir wieder einmal vor Augen führte, was für ein unverschämtes Glück ich doch hatte.

Doch nicht immer konnte man dieses Glück annehmen. Manchmal verschloss etwas in einem selbst den Weg, um diese wundersamen Momente wertschätzen und spüren zu können. Aber dieses Mal ließ ich es nicht zu, dass meine fiesen Gedanken mich verschluckten und mir den Weg versperrten.

Ich ließ die Dunkelheit hinter mich und öffnete zum ersten Mal seit Jahren die Augen und erlaubte mir, den Hauch des Lebens einzuatmen. Denn schließlich bestand es aus einer Aneinanderreihung von unzähligen Momenten, denen wir unterschiedlichen Wert beimaßen. Und in diesem Moment war da nur ich und der Sternenhimmel, mit dem ich nun um die Wette funkelte, weil ich zum ersten Mal seit einer langen Zeit wieder das Gefühl hatte, mein Leben hätte einen Sinn.

»Vielleicht sollten wir diese einmalige Gelegenheit nutzen, um uns besser kennenzulernen«, unterbrach Jesse die Stille. Fast gleichzeitig wandten Hudson und ich unseren Kopf in seine Richtung. Jesse hatte die Augen geschlossen. Sein Gesicht war gen Himmel gerichtet und seine langen, gelockten Haare, die bei den schwachen Lichtverhältnissen schwarz wie Ebenholz wirkten, verteilten sich locker um seine Schultern. Er wirkte entspannt wie eh und je, fast so, als könnte ihn nichts aus der Fassung bringen. Das bewunderte ich an ihm.

»Was haltet ihr davon, wenn jeder von uns etwas von sich offenbart, was keiner außer wir selbst wissen?«

»Du meinst ein lang behütetes Geheimnis?«, fragte Hudson mit neutraler Stimme, während ich aus dem Augenwinkel mitbekam, wie er sich wieder entspannt auf seinem Stuhl zurücklehnte und ebenfalls die Augen schloss.

Jesse nickte und ein Lächeln breitete sich auf seinen vollen Lippen aus.

Sofort wurde mir flau im Magen. Nervös fuhr ich mit dem Zeigefinger über das Pflaster an meinem Daumen.

»Genau. Nicht immer können wir über das reden, was uns tief im Inneren beschäftigt oder was uns auf der Seele liegt. Das Leben schafft leider nicht oft solche Möglichkeiten. Um es für uns alle leichter zu machen, werden wir es nicht kommentieren, sondern uns einfach gegenseitig zuhören. Es wird nichts zwischen uns verändern und morgen, wenn wir aufstehen, keine Bedeutung haben. Nur heute Abend, für diesen einen Augenblick.«

Mein Körper spannte sich an. Sofort fiel mein Blick auf das gelb-schwarze Sonnenblumenpflaster. Der Drang, den Fingernagel erneut in die offene Wunde zu drücken, war allgegenwertig.

Ohne dass ich es bemerkt hatte, wandte sich mein Kopf automatisch hilfesuchend zu Hudson. Unsere Blicke begegneten sich. Seine Augen spiegelte die Ruhe selbst wider, während in meinen ein Sturm aus Angst tobte.

Hatte er keine Angst?

»Vielleicht sollten wir das machen«, sagte er, ohne den Blick von mir zu nehmen.

Ich schluckte schwer und spürte, wie die Übelkeit von mir Besitz ernahm. Meine Gedanken begannen zu rasen. Wie könnte ich ihnen erzählen, was in meinem Kopf vor sich ging?

Doch schon im nächsten Moment spürte, wie Hudsons warmen Finger sich um meine schweißnasse Hand schlossen, so dass Jesse es nicht mitbekam. Ganz sanft übte er Druck auf meine Haut aus, um mich zu ermutigen.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Nov 08, 2023 ⏰

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