PART 04, das dunkle paradies

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Seltsame Erinnerungen jagten sie, Tag wie Nacht, verfolgten sie bis in die Traumwelt hinein

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Seltsame Erinnerungen jagten sie, Tag wie Nacht, verfolgten sie bis in die Traumwelt hinein.

Wenn sie schlief, war ihre Welt eine andere. Eine längst vergessene Welt existierte in der Dunkelheit der Nacht. Schatten der Vergangenheit lebten in diesem finsteren Paradies.

Regungslos lag sie da, dunkelblaue Laken umschlangen ihren Körper und versuchten sie vor der Kälte zu schützen, die unter jede Schicht Stoff kroch. Die langen braunen Haare umschmeichelten ihr blasses Gesicht auf dem nachtblauen Kissenbezug. Im ersten Morgenlicht, das durch das kleine Fenster schien, wirkte sie fast wie ein Porträt, welches in einem schönen goldenen Rahmen an der Wand eines Kunstmuseums hängen könnte.

Sie rieb sich die dunklen Ringe unter den Augen, bevor sie die schwere Decke aufschlug und sich auf die harte Bettkante setzte. Barfuß schlich sie lautlos über den kühlen Boden zum Fenster hin, um es zu öffnen. Das Fenster ließ es jedoch nur teilweise zu, es wollte sich gerade weniger als eine Handbreit nach oben schieben lassen. Sie warf einen Blick nach draußen durch das beschlagene Glas. Die Wolkendecke war dicht und ließ nur hin und wieder einige goldene Sonnenstrahlen hindurch.

Die Welt um sie herum war in ein glänzendes Weiß gehüllt. Frost glitzerte an den langen kahlen Ästen der Bäume und das Wasser des steinernen Brunnens inmitten des Gartens war vereist. Es zog sie nach draußen, in diesem stickigen Raum fühlte sie sich eingeengt und gefangen.

In der Nacht hatte es viel geschneit, der Schnee schien hoch zu liegen. Ein junger Mann, dick eingepackt in einen wollenen schwarzen Mantel und einer warmen Mütze, hatte sichtlich Schwierigkeiten mit den Schneemassen fertigzuwerden. Mit einer Schneeschaufel bewaffnet versuchte er die Wege wieder begehbar zu machen, endete jedoch damit, gegen seinen eigenen Schal zu kämpfen, der sich um dem Griff der Schaufel geschlungen hatte.

Nadija spürte das leichte Zucken ihrer Mundwinkel und gab sich darauf einem breiten Lächeln hin. Sowas tat sie außerordentlich selten, es fühlte sich seltsam an.

Sie hatte längst vergessen wie lang sie schon dort am Fenster gestanden hatte. Sie merkte auch nicht, wie ihre Füße und Fingerspitzen kalt wurden. Sie konnte nur die Schmerzen fühlen, jeder Muskel schmerzte und war doch taub. Alles fühlte sich taub an, ob von der Kälte oder den Träumen und wirren Gedanken, das wusste sie nicht.

Ein Geräusch zerriss die Stille und Nadija wandte ihren Kopf ruckartig aufgeschreckt zur Tür. Ein junger Mann schob sich mit einem Tablett auf dem Arm durch die halbgeöffnete Tür in das kleine Zimmer. Das Klopfen zuvor hatte sie nicht gehört. Er stellte das Frühstückstablett auf den kleinen Tisch neben dem Fenster. Ihre grünen Augen verfolgten jede Bewegung. Es war der Mann aus dem Garten, den sie zuvor gesehen hatte. Auf dem kleinen Schild auf seiner Brusttasche stand: Andrej.

Lange hatte sie am Fenster gestanden, doch hatte sie gar nicht gemerkt, wie er alle Wege von Schnee befreit und sich dann wieder in die schützende Wärme des Gebäudes begeben hatte. Jetzt stand er jedoch vor ihr und sah sie mit einem nicht deutbaren Blick an.

„Guten Morgen, Nadija", sagte er und warf einen Blick auf das Fenster. Dann streckte er die Hand aus und schloss es mit einem leichten Ruck. Mit einem sanftes Lächeln auf den Lippen, wandte er sich wieder der jungen Frau neben ihm zu.

Nadija, hatte er gesagt. Daran konnte sie nicht mehr aufhören zu denken. So hatte sie auch der Mann von gestern genannt, er war ihr fremd aber doch so vertraut gewesen.

„Ein bisschen kalt um das Fenster zu öffnen, nicht?", fragte er sie.

„Warum kann man es nicht ganz öffnen?", entgegnete sie monoton zu seiner Frage. Das Lächeln verlor an Wärme und Ehrlichkeit.

„Ich denke, es würde einigen nicht guttun, Nadija." Er drehte sich zu dem Tablett das er mitgebracht hatte, griff nach einem leeren Becher, in dem eine Zahnbürste wie auch ein kleiner Kamm standen und reichte ihn ihr.

„Du findest neue Kleidung im Schrank", meinte er und deutete auf die kleine Kommode nahe der Tür. Nadija sah kurz an sich herunter, sie trug nur ein weißes Nachthemd. Währenddessen führte Andrej unbeirrt seine Einweisung fort. Dabei deutete er manchmal auf verschiedene Dinge und erklärte eine Menge, doch waren viele der Einzelheiten die er erzählte gar nicht groß von Bedeutung. Andrej redete einfach gerne, viel und ausführlich.

„Wann kann ich nach draußen?", unterbrach sie seine Rede mit einer Frage.

Perplex hielt er kurz inne um zu überlegen, dann räusperte er sich bevor er antwortete: „Gar nicht, erstmal. Dazu müsstest du jemanden finden, der dich begleitet, aber wer will schon freiwillig in diese Kälte?" Er lachte und schüttelte den braunen Lockenkopf. Seine Haare erinnerten sie an die Farbe von Zimt.

Sie nickt verstehend. Darauf nickte Andrej ebenfalls kurz. „Wenn du noch etwas brauchst, du findest mich unten im Gemeinschaftsraum." Dann wandte er sich von ihr ab und verließ mit zügigen Schritten das Zimmer. Die Tür schloss sich mit einem leisen klicken und Nadija stand wieder allein vor dem Fenster.

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Als sie später den Flur betrat war es bereits Vormittag. Ihr langes welliges Haar war jetzt weniger wirr und gekämmt worden. Sie trug einen violetten Pullover und dazu eine beige Hose. Ihre Füße steckten jetzt in grauen Wollsocken und einem paar dunkler Hausschuhe. Mit einer Hand das Treppengeländer entlangfahrend stieg sie die Treppe zum Gemeinschaftsraum hinunter. Es war still als sie den Raum betrat.

Die meisten Anwesenden waren mehr oder weniger mit sich selbst beschäftigt. Manche aßen bereits zu Mittag, obwohl es noch recht früh war, andere saßen nur da, redeten miteinander oder sahen aus dem Fenster.

Ihr Blick suchte den ganzen Raum ab, doch fündig wurde sie nicht.

Er war nicht da. Der Fremde mit den sanften blauen Augen, die sie so verwirrt angesehen hatten. Sie erinnerte sich gut an diese, denn für einen Augenblick hatte sie gemeint, diese Augen schon oft zuvor gesehen zu haben.

 Sie erinnerte sich gut an diese, denn für einen Augenblick hatte sie gemeint, diese Augen schon oft zuvor gesehen zu haben

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STRANGE MEMORIES¹, pietro maximoffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt