Kapitel 5: Alkohol macht gesprächig

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Pov. Kate: Keine Ahnung, was mich geritten hat, ihn zu fragen, ob er noch mit rüber kommen will, aber irgendwie hatte ich das Gefühl ihn jetzt nicht allein zurück lassen zu wollen. Vielleicht war es diese traurige und bedrückte Art auf dem Elternabend oder der Fakt, dass er mich extra nach Hause fuhr, obwohl er den ganzen Abend dort noch hätte verbringen können. Vielleicht fühlte ich eine gewisse Schuld, die ich nun begleichen möchte. Egal was es war, mein Plan einfach bedeckt und fernab jeglicher privater Sozialisation zu bleiben ging nicht wirklich auf, erst recht nicht, wenn einer meiner Schüler mein Nachbar ist und dessen Vater wohl wert darauf legt dessen Lehrkraft zu kennen. Inwieweit dieses Kennen geht, kann ich noch nicht identifizieren, aber Andy war nicht einfach gestrickt, das merkte ich sofort. Vieles schien ihn zu belasten und auch den letzten Nerv zu rauben. Wieso machte gerade das an ihn so interessant? Habe ich ein Fabel Männer dieser Art näher kennen lernen zu wollen. Habe ich aus der Vergangenheit nicht gelernt? Bei James war es exakt das Selbe. Liebevoll und mysteriös, nur um sich am Ende als ein gewalttätiger Alkoholiker herauszustellen. Was ist wenn Andys versteckte Seite ebenso die Selbe oder eine Ähnliche ist.
Nichtsdestotrotz darf ich nicht Zuviel hineininterpretieren und ihn erst recht nicht so weit in mein Leben kommen lassen. Gracy ist mein Leben und alles was im Moment zählt.
Schnell schüttelte ich also diese Gedanken ab, da ich sowieso mich gleich meinem kleinen Mädchen widmen werde. Immer noch wartete ich jedoch auch seine Antwort auf meine Einladung ab.
Noch schaute er mich stumm und perplex auf meine Frage hin an, war es unverständlich? Oder wusste er nicht, wie er reagieren sollte? Insgeheim hoffte ich darauf, dass er sich entschuldigen würde und einfach nach Hause geht, aber dann war dieses versteckte Interesse wieder in mir, genau seinetwegen. Deswegen fragte ich erneut die selbe Frage, um jetzt möglicherweise eine Antwort zu erhalten. Wie gehe ich jedoch mit einer Ablehnung um? Und erst recht mit einer Zusage?
„Ohja.. ehm..", sein Blick richtete sich zu seinem Haus, als würde er tatsächlich überlegen nach Hause zu gehen, doch dann schnallte er sich in Eile ab und stieg aus: „Klar, warum nicht.", er schloss sein Auto ab und sah mich an. Ich war einwenig überfordert und nickte bloß, bevor ich in zügigen Schritten zu meiner Haustür ging und er mir natürlich folgte nach meiner Einladung.
Hinter mir trat er ein und zog direkt neben mir seinen Mantel und Schuhe an der Garderobe aus. Erneut musterte ich sein schlichtes ruhiges Auftreten. Als wäre er gar nicht der eigentlich seriöse Anwalt, der er ja war.
Als wäre er gar nicht Vater, geschweige denn verheiratet. War er das überhaupt? Doch Jacob erzählte von seiner Mutter... doch ein Blick auf seine Finger zeigten keinen einzigen Ring.
„Alles in Ordnung?", hakte er ruhig nach, als er meinen Blick auf seinen Händen bemerkte.
Kurz räusperte ich mich, um mir eine Erklärung einfallen zu lassen: „Oh.. ja.. es ist nur, wir eh.. haben die Regel im Haus, nach dem hereinkommen, die Hände zu waschen.", log ich und stellte mich wohl als Hygienefreak hin.
„Kein Problem, mach ich sofort.. wo war nochmal das Badezimmer?"
„Dort hinten die letzte rechte Tür.", mit einem verständnisvollen lächeln Schritt er voran.
„Ich gehe oben ins Badezimmer.. und sehe direkt noch nach meiner Kleinen.. mach es dir doch solange schon im Wohnzimmer bequem, bis ich komme.", schlug ich vor und er nickte direkt, dann betrat er das Badezimmer.
Die Situation war ein wenig unangenehm, aber letzten Endes hatte ich nun etwas zu tun, bevor ich überhaupt daran denken konnte zu Andy erneut hinunter zu gehen.
Natürlich wusch ich mir nicht die Hände, sondern ging direkt zu meiner, mich brauchenden, Tochter. Die Babysitterin saß neben ihren Bett und las wohl immer noch Gute Nacht Geschichten vor, die den wachen Augen meiner Tochter zumute, vermutlich nichts bringen.
„Es tut mir wirklich leid, Miss Pierce. Ich habe alles versucht.", Jolene war noch recht jung, aber die Einzige, die mir bei den kurzfristigen Bewerbungen gefiel und vor allem auch Gracy, das war das Wichtigste. Umso erstaunter war ich jedoch, dass Gracy nicht schlafen wollte.
„Schon in Ordnung, Jolene. Mach dir jetzt einen schönen Feierabend, ich bin ja nun da.", lächelte ich ihr aufmunternd zu.
Sie lächelte automatisch mit und schien sich für mein frühes Auftauchen nicht mehr die Schuld zu geben. Dann verschwand sie mit einer kleinen Verabschiedung zu Gracy.
Ich setzte mich zu ihr an die Bettkante und strich ihr über das Haar: „Hat es einen Grund warum du bei deiner Lieblings-Gute-Nacht-Geschichte nicht einschlafen kannst?"
„Jolene ist wirklich nett.. aber sie ist nicht du.", und zügig gab Gracy mir das Buch in die Hand.
Automatisch lächelte ich auf. Wie hätte ich es mir je anders vorstellen können? Nicht einmal bei James oder ihren Großeltern ist sie je eingeschlafen, nur wenn ich da bin und ihre Geschichte vorlese: „Also gut.. dann wollen wir mal..", ich schlug das Buch auf und begann zu lesen. Im Augenwinkel sah ich wie sich auch endlich ihre Augenlider langsam schlossen.
Als ihr Atem ruhiger wurde und die Augen über weitere Seiten hinweg geschlossen waren, war mir klar, dass sie endlich tief und fest schlief.
Ritual ähnlich richtete ich erst ihre Decke und dann ihren Kuschelelefanten neben ihr, gab ihr einen Kuss auf dem Haaransatz und schaltete endlich das Licht aus auf ihrem Nachttisch.
Mit einen letzten Blick, bevor ich die Tür zu ihrem Zimmer anlehnte, vergewisserte ich mich erneut, dass sie schlief und ging erst dann hinunter. Ich schnappte in der Küche eine Flasche Wein und zwei Weingläser und ging dann ins Wohnzimmer, um Andy aufzusuchen.
Andy saß nicht auf der Couch, sondern sah sich erneut die Bilder von mir und Gracy an.
„Möchtest du etwas Trinken?", fragte ich ihn und er löste seine Blicke sofort von den Fotos, um mich anzusehen.
„Du meinst, nach dem ich schon nichts auf dem Elternabend getrunken habe?", erwiderte mit einem leichten Grinsen.  Oh.. trinkt er etwa gar nicht?
„Tut mir leid, ich wusste nicht, dass du nicht trinkst.. ehm.. möchtest du Saft? Ich habe Saft da.", versuchte ich schnell die Situation zu retten. Ich bin Mutter, mehr wie Saft und Wasser habe ich nicht im Haus durch ein kleines Kind.
„Ich trinke nur nicht mehr soviel, wie vor einiger Zeit. Wein geht schon klar, mach dir da keine extra Umstände für mich.",  er kam auf mich zu und stand direkt vor mir, als er mir die Weingläser abnahm und sich unsere Finger leicht berührten. Irgendwas an diesen Mann gab mir einen Schauer, aber einen angenehmen und das jedesmal, wenn er mich berührte oder direkt ansah. Irgendwas in seinem
Blick sagte mir, dass er wohl das Selbe Gefühl haben könnte.
Schnell räusperte ich mich und wendete mich ab, um mich auf die Couch zu setzen. Er setzte sich zwar zu mir, aber mit einem Gewissen Sicherheitsabstand zu mir. Wir waren wohl auch beide nicht der Meinung dieses Gefühl auszutesten.
Vor lauter Nervosität, allein durch seine Anwesenheit, kriegte ich nicht einmal die Weinflasche auf.
„Soll ich?", fragte er nach und bot direkt seine Hilfe an. Stumm übergab ich ihm die Flasche und fühlte mich wie die größte Idiotin im Raum. Wieso bin ich überhaupt so nervös? Er ist der Vater einer meiner Schüler: Absolutes No-Go... hingegen ist er auch ein wirklich attraktiver Mann, der etwas Geheimnisvolles an sich hat, dass ich herausfinden will und mein Nachbar.. Absolutes Go? Das ich mir die Frage überhaupt im Kopf stelle, natürlich trotzdem ein No-Go.
Nach den ersten Glas Wein wurde ich etwas lockerer und ließ meine Anspannung fallen: „Du trägst ja gar keinen Ehering.", stellte ich laut fest, nachdem ich es schon leise in Gedanken bemerkt habe.
Er schaute selbst hinab zu seinen Händen, als hätte er es selbst tatsächlich nicht bemerkt: „Tatsächlich.. ich schätze, ich habe ihn wohl vergessen nach dem fertigmachen wieder anzuziehen.."
Vergessen also? Sprich es war ihm wichtig oder nicht? Wieso zur Hölle ist er dann hier und nicht bei seiner Frau?
„Ist Zuhause alles in Ordnung?", hakte ich etwas zu neugierig vermutlich nach. Wein war eine Option, um mich etwas gesprächiger zu machen und das merkte ich nun. Aber.. so abwegig ist die Frage ja nicht, schließlich ist Jacob einer meiner Schüler und ich Sorge mich um das Wohlbefinden meiner Schüler.
„Es ist.. kompliziert.. jetzt fragst du mich ja aus, statt ich dich. Sicher, dass du nicht die Anwältin eher bist?", scherzte er leicht neckend.
Ich lachte zaghaft auf und nahm einen weiteren großen Schluck, auch er schenkte sich ein weiteres Glas ein.
Nach der ersten Flasche Wein, folgte sogar eine Zweite und das Kaminfeuer wurde zum aufwärmen in der regnerischen Nacht draußen entzündet.
„So ein Kamin ist gar nicht mal so schlecht.", kam er zurück auf die Couch, nach dem das Feuer leuchtend loderte. Doch dieses Mal setzte er sich etwas näher zu mir.
„Sorgt auf jeden Fall für Wärme und eine schöne Atmosphäre.", erwiderte ich und lehnte mich mit meinem Weinglas in der Hand gegen die Couchlehne, ihn dabei ansehend.
„Es ist schön, ehrlich gesagt.", fragend sah ich ihn an, was er damit wohl genau meinte. „Einfach mal wieder entspannt da zu sitzen und sich keine Sorgen machen zu müssen, was andere über einen denken.", ergänzte er dann und schaute zum Kaminfeuer hin. Er schien es tatsächlich zu genießen. Die Zeit hier, die Zeit... mit mir? „Tut mit leid, der Wein und das Feuer macht mich wohl etwas gesprächig und sentimental.", lachte er leicht auf, als würde er sich selbst gerade nicht ernst nehmen. Jedoch tat ich es. Ich nahm ihn und das was er sagte sehr ernst, ihm schien es überhaupt nicht gut zu gehen in seiner Situation, ihm ergeht es wohl nicht besonders anders als mir. Jeder trägt wohl sein Päckchen Ballast mit sich herum.
„Wer sagt denn, dass ich gerade das über dich denke?", neckte ich ihn und nahm erneut einen Schluck vom Wein.
Sein Blick wendete sich mir zu, doch er lächelte leicht, als würde er meine Stichelei tatsächlich genießen. „Ach ist das so?", nahm er meine Aussage auf und fuhr diese fort: „Und an was denkst du?"
Der Wein machte mich ehrlich: „Du wirkst sehr einsam und hilflos.", ausgesprochen klang das Ganze härter als es sich in meinem Kopf anhörte. Und das merkte ich auch sofort an seiner Mimik, denn sein leichtes Lächeln verschwand. „Jetzt muss ich mich wohl entschuldigen, so mies sollte es sich gar nicht anhören."
„Nein.. schon okay. Ich schätze diese Aussage kann man auch gar nichts aussprechen, dass es sich halbwegs nett anhört..", ich schien ihn wohl wirklich getroffen zu haben. Erneut füllte ich mein Glas auf und nahm schnelle Schlücke um das Unangenehme Gefühl in mir nun zu ersticken. Er bemerkte meine Handlung und zog mir das Glas sachte weg, stellte unseren beiden Gläser auf den Couchtisch ab. „Deswegen brauchst du es jetzt nicht zu ertränken. Du hast ja recht mit deiner Aussage. Ich fühle mich einsam und hilflos. Ich weiß oftmals nicht, wie es weitergehen soll und akzeptiere einfach jeden Handlungsstrang der vom Schicksal für mich wohl vorbestimmt ist."
Verwundert schaute ich ihn an und schüttelte den Kopf, woraufhin auch er mich fragend ansah.
„Das Schicksal gibt es nicht. Die Einzigen, die das Leben bestimmen, sind wir selbst, Andy. Selbstbestimmung hält uns am Leben. Selbstbestimmung hat mir und meine Tochter das Leben gerettet.", das waren zu viele Informationen über mich. Am liebsten würde ich wieder etwas trinken, aber gerade dieser Teufel war schuld daran, dass ich das nun sagte.
„Was ist passiert?", wollte er dann natürlich wissen, typisch Anwalt würde ich sagen. Man bekommt etwas mit, etwas Schockierendes und will dann die ganzen Details.
„Wir haben wohl etwas zu viel Wein getrunken..", versuchte ich meine Aussage zu revidieren, doch er schüttelte den Kopf und kam mir näher. Irgendwie fühlte sich seine Nähe, wie ein Schutz für mich an. Doch genau das wollte ich nicht, ich will niemanden, der meint mich schützen zu müssen. Ich muss mich selbst schützen können und solange Gracy es noch nicht kann, sie mit mir beschützen.
„Egal, was es ist, du kannst es mir sagen, vielleicht kann ich dir helfen.", er machte es mir wirklich nicht leicht, ihn wegzustoßen.
„Andy.. ich kann mich nicht auf andere verlassen. Ich habe in meiner Vergangenheit gelernt, dass es nie gut endet, wenn ich andere mehr Zugriff auf mein Leben geben, als mir selbst."
Er nahm tatsächlich meine Hand und ich spürte sofort das Kribbeln auf der Haut. Der Wein ist schuld. Eindeutig. „Ich will ja auch kein Zugriff auf dein Leben. Ich will dir zuhören und hören, was dich belastet, so wie du mir zugehört hast. Also.. was ist es, was dich bedrückt.. ich will auch keine Details wissen. Ehrlich nicht.. ich bin hier als.. ein Freund?", diese Worte weckten in mir Vertrauen, doch ich wollte es nicht sofort zulassen, jemanden zu vertrauen.
„Ein Freund, huh? Geht ja ziemlich schnell mit Freundschaft bei dir.", scherzte ich um die Situation und mich aufzulockern, die jetzt doch ziemlich ernst wurde.
„Naja.. bei dir ist gerade der einzige Ort, wo ich mich wirklich frei fühle.. schätze also.. dass das ein Zeichen ist, dass wir uns gut miteinander verstehen..?"
Ich nickte ihm als Zustimmung zu, obwohl ich es mir immer noch nicht eingestehen wollte.
„Andy, ich...", doch dann klingelte sein Handy auf.
Seufzend schaute er auf das Display: „Es ist meine.. Frau.."
„Du solltest nach Hause.", beendete ich sofort alles und strickt. Die Realität holte uns zurück und es war eindeutig, dass diese Realität, dass hier nicht gut heißen würde.
„Ja, sollte ich...", auch wenn ich ein Sträuben in seiner Stimme bemerkte, ging er.

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Video-Edit zum Kapitel:

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Loyalty (Andy Barber FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt