Punk

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Natürlich war sie nicht um sechs da. Verspätete sich um eine halbe Stunde. Schien ihr aber kein bisschen bewusst zu sein, als sie da vor meiner Tür stand und mich angrinste wie ein frischlackiertes Schaukelpferd, in beiden Ohren sündteure Ear-Pods. Ich zog ihr einen der Stöpsel raus, Girlie-Punk sprang mich an, gar kein schlechter noch dazu. Ich sah ihr ernst ins Gesicht.

„Echt jetzt, Liz? Du kommst zu mir und hast dir die Ohren zugestopft? Interessiert es dich nicht, was ich zu sagen habe? Warum bist du dann gekommen? Musikhören kannst du auch alleine."

Bamm, die saß. Sie sah mich erstaunt an. War noch niemand auf die Idee gekommen, ihr etwas Benehmen beizubringen?

„Wie spät ist es?", fragte ich

„Weiß ich nicht", kam die patzige Antwort.

„Halb sieben. Angesagt war sechs. Kommst du nochmal zu einem ein Date mit mir zu spät, war es das letzte. Klar?" Sie nickte stumm.

„Du hast ein Handy, auf dem ist eine Uhr", erinnerte ich sie, und ließ sie endlich in die Wohnung, „Und man kann damit telefonieren, wenn man sich verspätet."

„Entschuldigung", grummelte sie, legte ihren pinken Rucksack ab und schlüpfte aus der Jacke. Jetzt erst fiel mir auf, was sie anhatte: Kurzes Röckchen, zerrissene Netzstrumpfhose, Doc Martens und ein knallgelbes T-Shirt mit Anarcho-Stern und A.C.A.B.-Akronym.

„Und zieh dir das nächste Mal was anderes an, wenn du zu mir gehst. Du siehst aus, als kommst du von der Altkleidersammlung!"

Ihr Blick war trotzig, die Augen schmal, Zornfalten auf der Stirn, die Nasenflügel blähten sich. Hab ich dich, Mäuschen, dachte ich. Und freute mich, dass sie da war.

Ich ging ins Schlafzimmer und holte das kleinste T-Shirt, das ich fand. „Zieh das an!"

Sie schlüpfte aus ihrem und gab es mir. Ich warf es sofort in den Mülleimer. „Mein kleiner Bruder ist ein Cop", erklärte ich, „aber Bastard ist er keiner!"

Sie schluckte kurz, sah ihr Shirt im Müll, wagte es aber nicht, es wieder rauszunehmen. Hätte ich ihr auch nicht geraten. Dann öffnete sie ihren Rucksack und holte Salat und Tomaten raus. Auch den Wein. Es war ein Sauvignon Blanc.

„Ich sagte Pinot Blanc, nicht Sauvignon Blanc!" Erstaunt blickte sie auf das Etikett und murmelte wieder eine Entschuldigung.

„Gib die Flasche in das Eisfach", sagte ich und deutete auf den Kühlschrank, „dann ist er vielleicht trinkbar, wenn wir essen."

Sie öffnete die Kühlschranktür, kniete sich nieder und zog alle drei Tiefkühlladen auf. „Ist kein Platz", bemerkte sie. Die Tür blieb offen, die Laden rausgezogen, sie kniete auf dem Küchenboden wie ein Hündchen, das auf eine Wurst wartete.

„Ja, dann schaff welchen!", sagte ich, „schieb die Boxen mit dem Eis etwas zusammen, dann hat die Flasche auch Platz."

„Das ist kalt", jammerte sie

„Willst du vielleicht Handschuhe dazu anziehen?"

Hübsch anzusehen war sie, wie sie da in ihrem Röckchen auf dem Boden vor mir hockte und zu mir aufsah.

„Und mach schneller, sonst geht der Kühlschrank kaputt!"

Schließlich schaffte sie es doch noch. Als sie aufstand, guckte sie erstmal in den Topf, in dem ich gerade Zwiebel glasierte.

„Was kochst du?"

Ich sah mit möglichst auffälligen Blick auf ihre Füße. Sie auch. Merkte aber nicht, was ich von ihr wollte. Also sagte ich es ihr: „Zieh deine Schuhe aus. Und dann wäscht du dir die Hände."

„Ich bin aber nicht schmutzig!"

„Bist du mit der U-Bahn hergekommen?", fragte ich zurück, „Warst du grad im Supermarkt? Hast du dort einen Einkaufswagen vor dir hergeschoben?"

Sie ging sich die Hände waschen. Kam wieder und setzte sich auf die Arbeitsfläche neben dem Herd. Schuhe noch immer an. Ich deutete wortlos mit dem Messer auf die Docs. Sie ging ins Vorzimmer. Bumm. Bumm. Die Schuhe waren von den Füssen. Lagen irgendwo. Willkommen zuhause, Schatz, dachte ich und musste schmunzeln.

Als sie wiederkam hielt ich ihr die Wange hin, sie hauchte mir einen Kuss drauf. Ich gab ich ihr Schneidebrett und Messer und sagte: „Schneid die Tomaten und bereite den Salat zu, das Risotto ist gleich fertig. Mit Pilzen, extra für die Fleischverweigerin."

Sie stand da mit dem Messer und starrte es an, dann mich, dann wieder das Messer und sagte: „Wenn dir nicht gefällt, was ich trage, warum schneidest du es mir dann nicht einfach vom Leib? Oder du versohlst mir mit dem Brettchen hier den Hintern?"

Ich sagte erstmal nichts, gab den Arborio zu den Zwiebeln und hoffte, sie würde das Verlangen in meinem Blick nicht bemerken. Es war nicht zu übersehen, was ich mir da mit ihr eingefangen hatte.

„Mach jetzt den Salat fertig", befahl ich ihr, „aber mit Himbeer-Aceto. Das Olivenöl steht ganz oben am Regal." 

Sie seufzte und tat es. 

Jana und Liz - Teil 2: Die RückkehrWo Geschichten leben. Entdecke jetzt