Espresso

193 10 0
                                    

Also gingen wir in die Küche und ich nahm diese kleine stylishe Espressomaschine in Betrieb, die mir Ivo aus Italien mitgebracht hatte, ein affengeiles Ding aus blankpoliertem Stahl.

„Man muss erst das Wasser heiß werden lassen und auf den Druck achten. Der darf nicht über diese rote Linie hinaus", erklärte ich ihr und zeigte auf die Armaturen, die ich selbst nicht ganz verstand. Sie achtete auf jedes Wort.

„Dann spannt man den Kolben unter die Mühle und drückt auf das Knöpfchen hier. Press den Kaffee so fest es geht zusammen, häng den Kolben unter die Wasserzufuhr und dreh ihn ganz nach rechts." Ich machte es vor und schon gurgelte die ersten Tasse runter.

„Und wenn du Milch aufschäumen willst, für einen Cappuccino, dann machst du das mit dem Ventil hier. Aber du musst den Zufluss umschalten und nachher immer gut abwischen, sonst verklebt das." Verdammt, was tat ich da eigentlich? Warum erklärte ich ihr das alles?

Ich gab ihr den Espresso, Zucker lehnte sie ab, ich auch. Ich bin eine miserable Domme, dachte ich. Zu weich, nicht konsequent, bis obenhin voll mit Skrupel, Versagensängsten und Schuldgefühlen. Das einzig taffe an mir war die Fassade.

Vor drei Jahren hatte mich meine Partnerin verlassen. Wegen eines Mannes! Über fünf Jahre waren wir zusammen und jetzt war sie die Hausklavin eines Gebrauchtwagenhändlers. Drei Monate später starb meine Mutter an Covid. Am selben Tag war mein Corona-Test positiv. Wahrscheinlich hatte ich mich im Krankenhaus angesteckt und ihr den Virus nachhause mitgebracht. Ich kam sofort in Quarantäne. Gerade, dass ich auf das Begräbnis mitdurfte.

„Ich bin auch ein motherless child.", erzählte ich, „aber ich habe ein Zuhause. Sogar mit italienischer Espressomaschine."

„Das ist schön", meinte sie und lächelte.

„Ich trinke immer einen doppelten Espresso am Morgen. Davor kann man kein vernünftiges Wort mit mir reden. Und danach laufe ich eine halbe Stunde durch die Kleingärten."

Sie lächelte weiter.

„Wenn ich zur Arbeit muss, stehe ich schon um fünf auf. Und wenn ich von der Arbeit nachhause komme, dann bin ich für überhaupt nichts mehr aufnahmefähig. Ich denke, das solltest du wissen."

Sie nickte, ernster diesmal, hatte ihren Espresso ausgetrunken, aber machte keine Anstalten zu gehen. Ich nahm das Schneidebrett, auf dem sie ihren Salat und die Tomaten geschnitten hatte und wischte mit dem Küchentuch darüber. Es lag gut in der Hand.

„Du kennst die Ampelregel?", wandte ich mich an sie.

Wieder ein Nicken, noch immer ernst.

„Gut. Dann geh ins Schlafzimmer. Knie dich aufs Bett. Und zieh endlich dieses dämliche Höschen aus!"

Jana und Liz - Teil 2: Die RückkehrWo Geschichten leben. Entdecke jetzt