„Ich fass es nicht", der Weihnachtswichtel zog so rasch an seiner Pfeife, dass die Elfin, die ihn mit nach draußen begleitet hatte, kurzzeitig im Rauch verschwand. Hustend wedelte sie mit ihrer Hand. „Tjorvik!"
„Entschuldige." Er hielt die Pfeife ein Stück weg von ihr und versuchte sich die zu Berge stehenden Haare zu glätten. „Verdammter Kerzenwachs!", fluchte er und betrachtete voller Entsetzen die blonden Haare in seinen Händen, die er sich ausgerissen hatte.
„Ein bisschen weniger davon würde deiner Frisur auch nicht schaden", murmelte seine Gegenüber, die sich wieder aus dem Rauch befreit hatte.
„Ist das dein Ernst, Anushka? – Ich könnte gerade emotionale Unterstützung gebrauchen!"
„Aber deshalb muss ich nicht lügen." Wie zur Bekräftigung ihrer eigenen Worte schüttelte Anushka den Kopf. „Ich kann ja verstehen, dass du sauer bist, nur..."
„Was?", unterbrach er sie. Außer sich warf er die Hände in die Luft und dabei fast sein teuerstes Stück – die Pfeife – fort. „Was willst du damit sagen? – Dass du damit einverstanden bist, dass mir Santa eben ohne Weiteres die Kündigung vor die Nase geknallt hat? Es wurde noch nie jemand gekündigt, der nicht mindestens die Kündigung mit Geschenkband überreicht bekommen hat. Und bei mir? Nichts davon!"
„Über die Art lässt sich streiten, aber..."
Tjorvik lief puterrot an und Anushka zog eine Grimasse: „Du musst schon zugeben, dass du deine Aufgabe nicht wirklich ernst genommen hast. Du hast so oft gestreikt oder mit Santa diskutiert, dass wir alle deine Arbeit miterledigen mussten." „Und warum habe ich gestreikt und diskutiert? – Weil ich es nicht einsehe, weshalb wir uns Jahr für Jahr diesen Stress machen, wenn wir doch ohnehin überflüssig werden! Wir sind nun mal nicht mehr hip. Unsere ollen Geschenke kommen nicht gegen die Konsumprodukte an. PS5 da, Gucci-Tasche hier – das haben wir nicht im Angebot, steht aber überall auf der Wunschliste! Mal ganz zu schweigen davon, dass keine Rentiere der Welt sich so hetzen lassen wie die Amazon Prime-Postboten."
Tjorvik hatte sich in Rage geredet und musste Luft holen, sodass die Weihnachtselfin wieder zu Wort kam. „Santa sagt doch immer, die Menschen schreiben unsere Geschenke häufig nicht auf die Liste – weil sie für sie selbstverständlich sind. Wir sorgen dafür, dass sie nicht einmal daran denken müssen."
„Was ist das denn für ein Geschäftsmodell?", schnaubte Tjorvik. „Und das ist doch nicht Sinn und Zweck der Sache! Zeit schenken, wenn die Leute sich gar keine Zeit nehmen wollen? Zeit schenken, wenn sie nicht ankommt und sie andere dringender bräuchten? Schöne Begegnungen anbandeln, obwohl die gar nicht mehr wertgeschätzt werden?"
„Fest steht, dass du dich der Arbeit verweigert hast, Tjorvik. Und dass du mit all deinen Fragen und deiner Meckerei den Betrieb aufhältst. Santa feuert dich sicherlich nicht leichtfertig, aber es ist das Beste für alle, wenn du dir eine Arbeit suchst, bei der du nicht an einen strikten Zeitplan gebunden bist."
Er starrte die Weihnachtselfin an. „Ich soll also wieder gewöhnlicher Wichtel werden, ja?" Um sich noch einigermaßen im Zaum zu halten, nahm Tjorvik nahm einen kräftigen Pfeifenzug,– Schluck, hätte man sagen können –, sodass seine runden Augen kurz auf ihre doppelte Größe anwuchsen. „Das lasse ich mir nicht bieten! Ich besorge mir einen Anwalt."
Anushka zuckte mit den Schultern: „Tu, was du nicht lassen kannst."
Plötzlich brach unter seiner Hysterie die Verzweiflung hervor, als sich seine Arbeitskollegin abwenden wollte. „Aber, Anushka! Was wäre das für ein Abstieg?! Erinnerst du dich nicht mehr, wie viele Bewerbungsverfahren wir durchlaufen mussten?"
„Doch", meinte sie. „Das ist bei mir noch nicht so lange her wie bei dir. – Und ich habe keine Mutter, die mit Santa per Du war und im Weihnachtskomitee gesessen hat", fügte sie etwas säuerlich hinzu. „Geh nach Hause, Tjorvik. Du wirst ohne Probleme eine andere Stelle finden. Und Santa stellt dir bestimmt trotzdem ein gutes Zeugnis aus."
„Trotzdem?", wiederholte er. „Trotzdem?! – Anushka, ich dachte, wir wären Freunde!"
„Freundschaften pflegt man. Man nimmt sich nicht immer nur von ihnen, wenn man etwas braucht, Tjorvik. – Weißt du, eigentlich wollte ich es dir nicht sagen, aber vielleicht hast du dich mit deinen Streitereien auch deshalb vor dem Job gedrückt, weil du eigentlich überhaupt nichts von den Dingen verstehst, die wir verschenken." Sie machte auf dem Absatz kehrt und ließ Tjorvik auf dem Innenhof der Weihnachtswerkstatt zurück.
In seinem Missmut wollte fest auf den Boden stampfen – aber wie üblich ließ ihn die Wolkendecke weich einsinken. Wütend stieß er einen Schrei aus, schlug auf seine Tasche, in der die Kündigung steckte und biss so fest auf seine Pfeife, dass sich die Abdrücke seiner Zähne ins Holz des Mundstücks bohrten und er Kieferschmerzen bekam.
Dabei bemerkte er zufällig, wie sich in der Chefetage der Werkstatt etwas hinter dem Eisblumen besetzten Fenster regte. Der Weihnachtswichtel sprang mehrmals in die Luft, sodass sich jedes Mal sein maßgeschneiderter Anzug über seinem Wohlstandsbäuchlein spannte und schüttelte dabei seinem Boss die Faust wild entgegen. „Verflucht seist du, Santa! – Dir zeig ich's!"
Als Tjorvik nach Hause stapfte, sprang seine Zipfelmütze in seinem Rücken trotzig auf und ab. Zusammen mit dem Tabak in seiner anhaltend brennenden Pfeife verdampfte auch ein Bruchteil seiner Wut.
Das war schlecht, denn er hatte niemanden, den er anbrüllen konnte, um sich selbst wieder anzustacheln – und das bedeutete, das sich ein kleiner, aber schneidender Faden Traurigkeit um seine Gedanken legte. Hätten sie passendes Geschenkpapier gebraucht, wäre es nicht länger mit aufgeplusterten Angrybirds, sondern mit kahlen Weidenbäumen bedruckt gewesen.
Tjorvik ließ die Schultern hängen – sie sanken immer tiefer. Seine Augen begannen zu brennen, aber er redete sich ein, dass es vom Pfeifenrauch kam. Ihn beherrschte nur eins: Ich will meinen Job zurück.
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Advent, Advent - Die Feder brennt! Vol. I: Fluch und Segen.
Short StoryEs weihnachtet sehr! Aber wo, wann und wie? Communitytime auf Instagram und Facebook - Eure Kommentare bestimmen den Verlauf der Geschichte und worum es geht - fortlaufend wird alles eingebunden! - Wird's wild oder schnuckelig? Lassen wir uns überra...