Kapitel 3

102 5 6
                                    

Nova

Der fünfte Tag auf Turos bricht an, und von Miles fehlt weiterhin jede Spur.

Leise und unbemerkt betrete ich die Trainingshalle, wo Louis die Jungs unterrichtet. Mein Blick fällt auf Ethan, Miles' Bruder. Die Frage, ob ihre Beziehung noch immer ein Geheimnis ist, beschäftigt mich. Bei Miles ist es schwierig abzuschätzen, wer darüber Bescheid weiß. Meiner Einschätzung nach hat er es bisher niemandem erzählt und wird es auch in naher Zukunft mit Sicherheit für sich behalten. Es fühlt sich an wie ein kleines Geheimnis zwischen ihm und mir, so wie die Liebe, die er sich nicht eingestehen will, die still zwischen uns existiert.

Beim Anblick von Louis wird mir bewusst, dass die Leute behaupten, er sei gefährlich – einer der mächtigsten Mafia-Bosse der Stadt, vielleicht sogar des ganzen Landes. Doch trotz dieses Rufs kann ich die wahrgenommene Gefahr in seinen Augen nicht erkennen.

Die liebevolle Art, wie er sich um die Kinder kümmert, als wären sie seine eigenen, lässt unbemerkt ein Lächeln auf meinen Lippen aufblühen. In diesem Moment spüre ich, dass hinter seiner raubtierhaften Fassade ein Mann steckt, der eine tiefgründige Liebe und Fürsorge für diejenigen hegt, die ihm wichtig sind.

Plötzlich erkennt mich einer der Jungs und brüllt: „Nova!" Die Gruppe stürmt auf mich zu, und meine Anwesenheit wird enthüllt. Ein Grinsen huscht über Louis' Gesicht, während die Jungs sich um mich versammeln.

„Wie sieht es mit dem Training aus?" frage ich gespannt und lausche aufmerksam ihren Geschichten, während sie mir die Techniken schildern, die sie mittlerweile gelernt haben.

Louis kommt auf mich zu und stellt sich zwischen die Jungs, seine Hände auf den Hüften gestemmt. Mein Blick gleitet über seine ausgeprägten, leicht verschwitzten Muskeln. Die locker sitzende schwarze Hose gewährt mir einen flüchtigen Blick auf sein Tattoo an der Hüfte. Ich kann nicht genau erkennen, welches Tattoo es ist, aber sein Anblick erweicht mich ungewollt – ein verdammt schlechtes Zeichen.

Ich wage kaum, meinen Blick länger auf Louis zu richten, bevor ich mich verrate.

„Vielleicht könnt ihr mir zeigen, was euch mein Dad und Louis so beigebracht haben", schlage ich neugierig vor und beobachte, wie die Jungs zur Matte laufen. Louis positioniert sich locker neben mich, und während unsere Blicke zu den Jungs wandern, spüre ich, wie eine angenehme Spannung die Luft erfüllt.

„Bist du gestern gut nach Hause gekommen?" flüstert er mit seiner rauchigen Stimme, die tief in mein Inneres dringt und mir Gänsehaut bereitet. Ich schaue ihn nun direkt an, während er weiterhin zu den Jungs blickt. Unwiderstehlich zieht es meinen Blick immer wieder zu ihm, als würden plötzlich unsichtbare Fäden eine Verbindung zwischen uns weben.

„Ja", flüstere ich, ziehe den Schlüssel aus meiner Hosentasche und halte ihn diesen entgegen. „Notfall gelöst?" frage ich nach. Sein intensiver Blick trifft meinen, als er seinen Autoschlüssel entgegennimmt.

„Nein, aber wir sind dran", sagt er rau. Ich wende meinen Blick zu den Jungs, um meine aufkeimenden Gefühle zu unterdrücken. Plötzlich pocht mein Herz schneller, und ich frage mich, wieso er diese unerwarteten Emotionen in mir weckt. Ich bin nicht zurückgekommen, um mit Louis zu flirten. Es wäre schade, meinen einzigen guten Freund hier zu verlieren, nur weil ich mich nicht beherrschen kann.

„Du kannst gut mit ihnen umgehen", flüstere ich ihm zu.

„Sie lieben mich", sagt er grinsend. Ein Lächeln umspielt meine Lippen. Vielleicht ist es genau seine Art, wie er sich um diese Kinder kümmert, die mich so beeindruckt und mir einen Schwindel in seiner Nähe bereitet.

Ich verfolge das Training weiter von der Bank aus, doch meine Gedanken schweifen auf eine ganz andere Ebene ab.

Mit dem Ende des Trainings verlassen die Jungs die Halle, und Louis und ich bleiben allein zurück. Ich lasse meine Tasche auf der Bank liegen und nähere mich ihm.

„Wie wäre es mit einer Runde kämpfen?", frage ich grinsend und binde mir dabei einen entschlossenen Zopf.

„So wie du dir den Zopf bindest, hast du dir die Frage schon selbst beantwortet", lacht er amüsiert. Mit einem geschickten Schwung ziehe ich mir mein Shirt über den Kopf, enthülle dabei den Sport-BH, und werfe es ihm zu. Dann drehe ich mich bestimmt um und laufe zur Matte.

„Ich bin schon total aus der Übung, also sei nett zu mir", warne ich, als ich auf die Matte steige. Ich drehe mich um und beobachte, wie er auf mich zukommt und schließlich ebenfalls auf der Matte steht.

„Du bist der einzige Mensch, zu dem ich nett sein möchte", raunt er, während er zu mir herunterschaut. Mit großen Augen blicke ich zu ihm auf und muss kurz schlucken. Es ist, als würde er spüren, wie nervös er mich in diesem Moment macht. Deshalb trete ich einen Schritt von ihm zurück und nehme meine Position ein, bevor unser Kampf beginnt. Ein ständiges Hin und Her, bis ich schließlich auf dem Rücken liege und verloren habe.

Dann noch einmal,

und noch einmal.

„Weißt du was?", frage ich, mein Blick verweilt in seinen Augen, während ich auf der Matte liege. Ein Grinsen umspielt seine Lippen, als er sich erhebt und mir seine Hand reicht, um mich auf die Beine zu ziehen.

„Wie wäre es, wenn wir etwas anderes machen?", schlage ich vor. Sein Lächeln vertieft sich, während er zu seiner Tasche geht, einen Schluck aus seiner Flasche nimmt und mich dabei intensiv anschaut.

„Wie wäre es, wenn wir uns heute Abend in meiner Bar treffen?", schlägt er vor. Mein Herz klopft schneller bei dieser leidenschaftlichen Idee, und ich spüre, wie die Atmosphäre zwischen uns vibriert.

„Klingt verlockend", sage ich, während ich mein Shirt anziehe. „Bis später", rufe ich, als er beginnt, sein Shirt auszuziehen. Von einem plötzlichen Kribbeln erfasst, ergreife ich sofort die Flucht und verlasse die Halle.

Genau in dem Moment, als ich im Zimmer ankomme, vibriert mein Handy, und ich kann die aufgewühlten Emotionen des Moments noch spüren.

Elena: Es sind schon fünf Tage vergangen, hast du keine Neuigkeiten? Die Zeit wird knapp.

Ich: Gib mir noch etwas Zeit, ich bin ihm bisher nicht begegnet. Ich kriege das hin.

Elena: Ich vertraue dir. Wann kommst du vorbei? Ich habe echt Langeweile.

Ich: Haha, ich schaue am Samstag mal vorbei.

Während ich meine Nachricht tippe, schlendere ich ins Badezimmer und beginne mich langsam auszuziehen. Das Wasser lasse ich vorsorglich laufen, damit es wärmer wird; es dauert immer eine Weile, bis es die richtige Temperatur erreicht. In diesem Moment vibriert mein Handy, und mein erster Gedanke ist, dass die Nachricht von Elena kommt. Doch zu meiner Überraschung stammt sie von einer unbekannten Nummer.

Unbekannt: Willkommen zurück, Süße. Ich habe dich vermisst.

Ein heftiges Klopfen setzt in meinem Herzen ein. Das Thema mit dem Stalker, das ich eigentlich verdrängt hatte, taucht plötzlich wieder auf, und ein Schauer läuft mir über den Rücken.

__________

Wen vermutet ihr, wer Unbekannt ist? Einer von denen die man kennt oder jemand, den wir bisher nicht kennengelernt haben? 🐒♥️

Turos 2 - Zwischen Liebe und VergebungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt