5.

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»Waaaaaas?« Die Erschütterung von Jean, Eren, Connie, Mikasa, Armin, Sasha und Hanji war groß, als sie erfuhren, mit welcher Bravur Y/N die Sache mit Levi gemeistert hatte. Diese ließ sich gar nicht anmerken, wie nervös sie eigentlich gewesen war.
»Hat er dir keine reingehauen?« So Connie.
»Nein«, sagte Y/N. »Ich fand ihn eigentlich ganz nett.«
»Ganz NETT?«, kam es wieder von allen.
»Reden wir hier von derselben Person? Von UNSEREM Levi?«, fragte auch Jean.
»Ihr könnt euch ja mal direkt bei Y/N für euren Blödsinn entschuldigen! Stellt euch mal vor, Levi hätte ihr wirklich eine reingehauen!«, tadelte Hanji die beiden, die sofort eine Unschuldsmine aufsetzten.
»Eigentlich kann man gut mit ihm reden«, führte Y/N dann fort. Hanji musterte sie sanften Blickes. Sie wusste genau, was Y/N meinte, denn sie kannte Levi von allen am besten. Sie wusste, dass er eine andere Seite hatte, dass man diese nur rauskitzeln musste.
Verwirrt schaute sich die Bande an. Sie verstanden nicht, wie man den Hauptgefreiten auch nur ansatzweise nett finden konnte. Doch Y/N blieb bei ihrer Meinung.

So geschah es dann, dass Y/N es sich zur Aufgabe machte, Levi jeden Tag eine Freude zu bereiten. Bereits war es der dritte Tag in Folge, wo sie ihm morgens, mittags und abends einen Tee brachte. Und Levi ließ es geschehen. Und es machte etwas mit ihm. Er wirkte zwar immer noch emotionslos und schroff, aber tief in seinem Herzen wurde es warm. Und immer immer wärmer, desto öfter er auf Y/N traf, was er zunächst unheimlich und seltsam fand. Ein Gefühl von Geborgenheit trat auf, was er aber zunächst nicht zuordnen konnte. Doch es war da.
Am vierten Tag in Folge brachte Y/N nun Levi seinen Tee. Morgen war bereits Weihnachten und Y/N hatte das Gefühl, dass Levi schon ein klein wenig aufgetaut war.
Sie klopfte am Morgen und Levi bat sie herein.
»Guten Morgen, Levi«, sagte sie. Mittlerweile duzte sie ihn sogar schon. Das war etwas, was Levi nur selten jemanden anbot. »Lust auf Tee?« Sie stellte das Tablett, wie die letzten Tage auch, auf seinen Tisch ab.
»Ich will auch gar nicht weiter stören. Ich-«
»Warum machst du das?!«, fragte Levi und unterbrach sie direkt. Kurz zögerte Y/N. Wusste nicht genau, was sie darauf sagen sollte.
»Was genau?«, fragte sie. Levi hatte seinen Arme ineinander verschränkt. »Und jetzt sag bitte nicht sowas wie: Mir jeden Tag auf den Sack zu gehen.« 
Levi schmunzelte leicht. So leicht, aber es fiel auf. Mittlerweile wusste Y/N, wie Levi tickte. In den letzten Tagen hatte sie immer mehr von seiner Art kennengelernt. Er war lustig, wie sie fand. Er lachte oder grinste nie, auch schmunzelte er nicht. Aber wenn er seine Kameraden herumkommandierte und ihnen Sprüche drückte, konnte Y/N gar nicht anders, als insgeheim darüber zu lachen. Wenn jemand nicht gehorchte, wurde es oft echt übel und böse. Aber wenn sie alle taten, was er verlangte und gute Arbeit leistete, so behandelte er sie mit mehr Respekt. Er hatte ein gutes Herz, was viele nicht sahen. Aber es war da.
Y/N mochte ihn.
»Das hier«, sagte Levi dann nur. »Du bist mir völlig fremd. Aber du bringst mir jeden Tag, drei mal täglich einen Tee vorbei. Warum?!« Das Misstrauen war kaum zu überhören, aber es brachte Y/N zum Schmunzeln. Und zum Kichern.
»Was ist daran so komisch?!«
»Weil die Skepsis kaum zu überhören ist«, antwortete Y/N. 
»Zurecht.«
»Du scheinst Nettigkeiten wohl nicht zu kennen, was? Gab es nie Menschen in deinem Leben, die dir Gutes wollten?«
Y/N beobachtete, wie sich Levis Blick veränderte. Er wirkte plötzlich härter und in sich gekehrter. Sein Blick schweifte hinab zu seinem Tisch und schienen seinen Gedanken Vorrang zu gewähren.
»Doch«, sagte er dann und es klang fast ein wenig traurig. »Die gab es.« Mehr kam nicht. Y/N überlegte, ob sie noch weiter bohren sollte. Eigentlich aber wollte sie, dass Levi von alleine erzählte. Letztendlich würde er es aber wohl doch nicht sagen. Und deswegen hakte sie vorsichtig nach.
»Aber die...gibt es nicht mehr?«
»...nein.« Es kam mit noch mehr Traurigkeit. Seine Stimme wurde rauer. »Sie leben nur noch in meinen Gedanken und in meinem Herzen weiter.«
Mitfühlend seufzte Y/N und ließ ihren Blick sanft werden. Sie nahm die Tasse Tee, stellte sie vor Levis Nase und setzte sich ihm gegenüber seines Schreibtischs.
»Das tut mir leid. Sie haben dir viel bedeutet, oder?«
»...ziemlich«, kam nur von Levi, dann griff er nach seinem Tee. »Aber das ist jetzt auch egal. Sie sind nicht mehr hier. Es macht keinen Sinn, sich darüber den Kopf zu zerbrechen.«
»Es ist okay«, sagte Y/N dann. Levi schaute zu ihr. »Sie waren dir wichtig und nun sind sie nicht mehr da. Aber das heißt ja nicht, nur weil sie weg sind, dass deine Gefühle ebenfalls weg sein müssen.«
»...was meinst du?!«, hakte Levi vorsichtig nach. Und Y/N begann zu erzählen.
»Deine Freude und vielleicht auch ein kleiner Sinn des Lebens sind in dir verschwunden, aber nicht vollständig ausgelöscht. Dir mag alles nervig, stressig und sinnlos vorkommen, aber das ist nicht so. Du hast hier ganz tolle Freunde, die dich wirklich mögen und zu schätzen wissen. Deine Kameraden sehen zu dir auf. Manche von ihnen bringen vielleicht deine Nerven zum Platzen, aber sie erheitern dich auch irgendwo. Denn wenn sie nicht wären, würdest du gar nicht merken, dass du noch existierst, verstehst du? Wenn all das hier nicht wäre. Und Hanji, sie mag dich wirklich und will nur das Beste für dich.«
»Tch«, machte Levi und es klang schon fast wie ein herablassendes Lachen. Doch er lachte nicht. Sein Blick verfinsterte sich wieder. »Hat Hanji dir was dafür gegeben, dass du mich um den Verstand laberst?!« Er führte seine Tasse zum Mund, trank einen Schluck und stellte sie wieder ab.
»Quatsch, nein«, sagte Y/N. »Das sind alles meine eigenen Worte.«
»Wunderbar«, sagte Levi schroff. »Talent, um mir auf die Nerven zu gehen, hast du jedenfalls.«
»Ich finde es schade, dass es nervig für dich ist.« Y/N stand nun auf. Ein wenig gekränkt über Levis Art, erhob sie sich und wandte sich zum Gehen. »Das war nicht meine Absicht. Ich wollte dir eine Freude bereiten und dir zeigen, dass nicht alles im Leben blöd und nervig ist.« Sie ging zur Tür und kurz bevor sie den Raum verließ, sagte sie: »Vielleicht denkst du mal darüber nach, hm? Nachdenken liegt dir nämlich sehr gut.«

Eine schroffe WeihnachtsgeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt