8.

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Irgendwann wurde es Y/N dann aber zu kalt. Sie begann schnell an zu frösteln, was Levi bemerkte, und vorschlug, wieder nach unten zu gehen. Eigentlich wollte er seinen kompletten Geburtstag hier oben verbringen. Bloß weg von all den nervigen Menschen, die ihm Glückwünsche schenken wollten. Die ihm die Aufmerksamkeit geben würden, die er nicht wollte, weil es ein verfluchter, gottverdammter Tag wie jeder andere war. Nichts besonderes. Zumindest seiner Meinung nach. Doch das sahen seine Freunde anders.
»Halt dich gut fest«, sagte Levi gerade, als Y/N auf seinen Rücken gehopst war. Innerlich wurde sie nervös. Ohne irgendeine Sicherheit würden sie jetzt den Weg von der Mauer zum Boden beschreiten. Die einzige Sicherheit die sie hatte, war Levi. Sie musste ihm vertrauen. Und sie tat es.
»Auf drei geht es los, okay?«, fragte Levi nach.
»Kann losgehen!«, sagte Y/N. Selbstbewusster als sie in dem Moment eigentlich war, denn leichte Panik überkam sie. Mehr und mehr und immer mehr. Ihr Griff ihrer Arme, die sie um Levi geschlungen hatte wurde immer fester. Ihre Beine, die seine Hüfte umschlungen, ebenfalls. Und dann ging es los. Mit einem großen Schwung sprangen die beiden von der Mauer. Ein aufgeregtes Fiepen drang aus Y/N's Mund. Ihre Organe kribbelten und bebten. Ein Gefühl von Tausend Schmetterlinge, die durch ihre Venen schossen, durchfuhr sie und sie wünschte sich, dass dieser Moment niemals enden würde. Doch leider kamen sie schneller auf dem Boden wieder an, als gedacht.
»Alles gut?«, hakte Levi nach. Und es lag ein wenig Fürsorge in seinen Worten.
»Das ist der Wahnsinn!«, staunte Y/N und sie konnte das Lächeln auf ihren Lippen nicht verbergen. »Ihr könnt fliegen, wie Vögel! Das ist so toll! Ihr seid einfach so frei und...und so...mir...mir fehlen die Worte!«
Levis Blick war monoton, doch umso länger er die erfreute Y/N sah, desto mehr zogen sich seine Mundwinkel in die Höhe, bis er dann leicht grinste.
»LEEEVIIIIII!« Und zack! Da gingen die Mundwinkel auch schon wieder runter. »Hier steckt du also! Meine Güte! Kannst du mal aufhören dich jedes Jahr aufs Neue zu verstecken wie ein kleines Kind?«
»Kannst du nicht aufhören mir auf den Sack zu gehen, wie ein kleines Kind?!«, konterte er Hanji, die darüber nur lachte.
»Hahaha, der gute, alte Levi. Glaub ich ja kaum. Aber huch? Warum ist denn Y/N bei dir? Wo hast du ihn gefunden? Also offensichtlich hier, aber-«
»Auf der Mauer«, sagte Y/N. 
»Auf der Mauer?«, fragte Hanji verdutzt nach. »Wie kamst du denn da hoch?«
»Durch Erwin«, antwortete Y/N. »Er war so nett und hat mich hochgebracht.«
Hanji war glücklich. Denn sie spürte eine wunderbare Energie, die sich hier hindurch schlich.
»Okay, das ist toll. Aber ich wollte noch etwas gaaaanz Bestimmtes sagen. Nämlich-«
»Spar dir das«, unterbrach Levi direkt und ging einfach. »Ich will deine scheiß Glückwünsche nicht hören.«

Nachdem der Abend eingetroffen war, sich alle wieder im Saal zum Essen und Feiern eingefunden hatten, war Levi wieder verschwunden. Dabei hatte Y/N doch noch ein Geschenk für ihn. Und sie würde alles tun, um es Levi zu geben.
»Ich mache mich mal auf die Suche«, sagte sie und nahm ihr schön verpacktes Geschenk in die Hand.
»Zieh dich warm an«, sagte Armin gerade. Ein blonder Junge, der ziemlich nett zu sein schien.
»Draußen ist es sicherlich bitter kalt.«
Y/N hörte auf den Engel, zog sich Handschuhe und Schal über ihre Jacke und verließ dann das Hauptquartier. Sie wusste nicht genau wo sie nach Levi suchen sollte. Aber ihre Intuition brachte sie nach draußen, auf dem riesigen Hof des Hauptquartiers. Dort stand ein großer Weihnachtsbaum, geschmückt mit Kerzen und vielen bunten Kugeln. Er leuchtete so wunderbar, dass man meinen könnte, er würde in Flammen aufgehen. Und genau davor stand eine Person. Eine ziemlich kleine Person. Deswegen wusste Y/N auch sofort, wer dort vor diesem Baum stand, den Kopf in den Nacken gelegt, und sich das Meisterwerk ansah. Stampfend stieg sie durch den Schnee in Richtung Baum.
»Der ist wirklich schön«, sagte Y/N, als sie dann letztendlich neben Levi zum Stehen kam. Dieser schaute zu Y/N und irgendwelche Gedanken kreisten in seinem Kopf. Was er sich wohl genau dachte?
»Ja. Das ist er«, sagte Levi nur und richtete seinen Blick wieder zum Baum, nachdem er Y/N noch einen kurzen Moment angestarrt hatte.
»Oh, ähm...«, fing Y/N dann an und wieder schaute Levi zu ihr. »Ich habe da noch etwas für dich.« Sie hielt ihm das Geschenk hin. »Frohe Weihnachten und...na ja...auch wenn du es nicht gerne hörst: Alles Liebe zum Geburtstag.«
Levi schaute auf das Geschenk, dass mit einer durchsichtigen Folie eingepackt war und sofort offenbarte, was sich auf dem kleinen Teller befand. Und als hätte es ihm die Sprache verschlagen, starrte er einfach nur drauf. Nicht grimmig, nicht genervt. Er schaute überrascht.
»Du musst mir keine Ge-«
»Habe ich aber«, unterbrach nun Y/N Levi, der nicht wusste, ob er sauer darüber sein sollte, Widerworte bekommen zu haben, oder es einfach hinnehmen sollte. »Ich möchte dir nichts aufzwängen«, sagte Y/N. Dabei war es ja schon ein wenig so. »Ich wollte dir einfach eine Freude bereiten und es wäre schön, wenn du es annehmen würdest.«
Levi streckte langsam seine Hände nach dem Geschenk aus und berührte dabei Y/N's. Als er es dann selber in den Händen trug, wusste er immer noch nichts zu sagen. Er betrachtete die wunderschöne Tasse. Die Teesorten. Und vor allem die Blätter.
»Woher...wusstest du davon?!«, fragte er dann. Y/N wusste genau, was er meinte.
»Hanji«, grinste sie. »Ich meine, dir etwas zu schenken, was du magst, scheint wohl nicht ganz so einfach. Aber zur Not hätte ich dir auch irgendwas anderes geschenkt, weil ich dir eine-«
Wusch.
Okay, WUSCH könnte man jetzt falsch interpretieren. Ein ZACK, träfe es wohl besser, denn mit einem Mal spürte Y/N Wärme. Körperliche Wärme, die von Levi ausging, denn er umarmte sie.
Bitte was? Er umarmte sie? Was war denn da los?
Auch Y/N schien ein wenig verwundert, denn sie hatte wohl eher damit gerechnet eine Standpauke zu bekommen. Oder ein genervtes, abwertendes Geräusch. Irgendeine Art von Ablehnung. Kam aber nicht. Stattdessen standen sie im Schnee, umarmten sich, und weil Y/N mit dieser Reaktion nicht gerechnet hatte und sie ins Wanken kam, fielen die beiden auch noch rückwärts in den Schnee, der so hoch war, dass sie sogar ein wenig einsanken. Y/N lachte und Levi stützte sich links und rechts von ihr ab.
»Ich weiß nicht warum«, sagte er leise. Seine raue, dunkle Stimme ließ eine Gänsehaut über Y/N's Körper fahren. »Aber...« Er zögerte, hob langsam seine rechte Hand und legte sie an Y/N's Wange. Sachte strich er mit seinem Daumen über ihre zarte Haut. In Y/N stieg ein wohliges Kribbeln auf. Ihr Herz fing wild an zu klopfen. »...du machst etwas mit mir«, sagte Levi dann, beugte sich runter und legte seine Lippen auf Y/N's.
Es fühlte sich toll an. So sanft. So voll. So warm. Und als sich die Lippen der beiden dann gegeneinander bewegten, so leidenschaftlich, so perfekt, spürte Levi etwas, was er schon lange verloren hatte. Ein Gefühl, was er seit Jahren von sich geschoben hatte. Das Gefühl von Geborgenheit, Liebe und Glück.

Eine schroffe WeihnachtsgeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt