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Der heilige Abend war nun da. Draußen lag der Schnee wie ein dicker Teppich auf dem Boden, auf den Dächern der Häuser und auf der meterhohen Mauer, die die Bevölkerung vor den Titanen bewahrte. Y/N verbrachte den heiligen Abend mit ihrer Familie und würde wohl am 25.12, also den ersten Weihnachtstag, zu Hanji und den anderen gehen, um dort ein wenig mit ihnen zu feiern. Laut Hanji gab es nämlich drei Tage lang Besinnlichkeit bis zum Umfallen. Essen. Und vor allem: Essen. Das gab es viel. 
Am heiligen Abend genoss Y/N die Zeit mit ihrer Familie. Doch ihre Gedanken hingen stets an Levi. Dem kleinen, schroffen Mann, den alle blöd fanden, weil er nun mal eben ein Griesgram war. Doch Y/N verstand, warum er so war. Vielleicht kannte sie nicht seine ganze Geschichte, aber sie kannte einen Teil davon, der sicherlich einer der Hauptgründe war, warum er Weihnachten so verabscheute. Sie hoffte, ihn dieses Jahr davon überzeugen zu können, dass nicht alles schlecht auf dieser Welt war. Und einen Tag später, also am 25.12, machte sich Y/N auf den Weg zum Hauptquartier.
Es dauerte nicht lange, bis sie den Saal betrat und schon einige Leute dabei waren, die leckeren Speisen, von denen sich Y/N fragte, wie immer noch etwas da sein konnte, zu verputzen.
»Heeeeey«, hört sie dann eine Stimme hinter sich und traf dann genau auf die Person, die sie eigentlich gesucht hatte. »Du bist gekommen!«
»Hallo, Hanji. Und frohe Weihnachten«, wünschte Y/N. Hanji nahm sie in die Arme und drückte sie fest.
»Das wünsche ich dir auch, meine Liebe! Ich bin ja so froh, dass du dich dazu entschlossen hast, den Tag heute mit uns zu verbringen. Denn er ist ein besonderer Tag.«
»Das ist er wirklich«, sagte sie und Hanji machte große Augen.
»Woah! Woher weißt du davon?«
Y/N schaute sie nun etwas fraglich an. »Na, weil...Weihnachten immer etwas Besonderes ist.«
»Neeeeein, also, jaaaa, schon. Aber das meine ich ja gar nicht.«
»Sondern?«
»Heute hat der alte Knattersack Geburtstag!« Y/N brauchte einen Moment, bis sie begriff, wen Hanji mit alter Knattersack gemeint hatte.
»Levi hat heute Geburtstag?«
»Ganz recht!«
Oh, das hatte sie nicht gewusst. Aber es freute sie insgeheim.
»Also feiert ihr heute eine Riesenparty?«
»Nein.« Hanji zog einen gewaltigen Flunsch. »Levi hasst Weihnachten, aber er hasst vor allem seinen Geburtstag. Er verzieht sich immer irgendwohin, wo ihn keiner findet, damit man ihn damit in Ruhe lässt.«
»Oh«, machte Y/N betroffen. »Aber dabei ist das doch überhaupt nichts Schlimmes.«
»Hm«, machte Hanji und zuckte mit den Schultern. »Ich denke, er ist einfach nicht der Typ dafür. Aber immerhin saß er gestern mit uns am Tisch und hat sogar was gegessen!«
»Wirklich?« Y/N freute das.
»Ja ja ja«, nickte Hanji hastig und wurde ganz aufgeregt. »Das macht er sonst nie! Er wirkte auch entspannter als sonst. Ich habe keine Ahnung, was passiert ist, aber es war schön! HUCH! Moment mal!« Sie bekam einen Geistesblitz. »Bist DU vielleicht dafür verantwortlich?«
»Ich habe ihm nur einen Denkanstoß gegeben. Aber es wirkte nicht so, als würde er ihn befürworten wollen.« Hanji verengte die Augen und dachte nach. Sie war sich ziemlich sicher, dass Y/N damit etwas zu tun hatte, denn auch sie hatte es bei Levi schon auf die verschiedensten Weisen versucht, aber nie wirklich Erfolg gehabt.
»Ich möchte ihm etwas schenken, Hanji«, sagte Y/N dann und wurde ein wenig verlegen.
»Etwas schenken?«
»Er bekommt doch sicher jedes Jahr etwas, oder?«
»...äääääääh....also, um ehrlich zu sein, nein...«, stammelte Hanji, denn es war ihr ein wenig unangenehm. Wie konnte sie Levi zu seinem Geburtstag nichts schenken? Oh, sie wusste es.
»Nein?«
»Um ehrlich zu sein...will man das auch gar nicht. Also...ihm etwas schenken. Entweder ist er nicht da, oder wenn er da ist und man nur ansatzweise versucht ihm was zu schenken...« Hanjis Blick folgte ihren Erinnerungen. »Das erste Mal hab ich die Tasse, die ich ihm geschenkt habe, gegen den Kopf gedonnert bekommen. Beim zweiten Mal hat er mich so sehr am Kragen gezogen und mich angeknurrt, dass ich Angst vor ihm bekam und beim dritten Mal...da hat er meinen Kopf ins Klo getunkt.« Hanji schüttelte sich.
»Deinen Kopf ins Klo?«, fragte Y/N angewidert.
»Ja. Ich habe ihn mit einem Stück Kuchen überrascht.«
»...auf...der Toilette?!«
»...auf der Toilette.«
Stille herrschte zwischen den beiden und Hanji setzte ein unschuldiges Grinsen auf.
 »Hab gedacht, wäre mal eine etwas andere Art von Überraschung.«
»...also da kann ich verstehen, dass er sauer war. Aber bei den anderen Malen? Was ist denn bloß los mit ihm?« Y/N hinterfragte Levis Aktionen. Sie kannte ihn noch nicht so gut. Aber sie konnte ihn schon besser einschätzen, als beim ersten Treffen. Und sie gab die Hoffnung nicht auf.
»Das fragen wir uns auch jedes Mal«, seufzte Hanji. »Ich verstehe das gar nicht. Nicht mal Sonny und Beam konnten ihn aufmuntern. Dabei habe ich ihnen beigebracht zu tanzen. Nun gut...vielleicht ist Sonny immer umgefallen und er hat die Aufführung nicht ganz so toll perfektioniert, aber immerhin hat er es versucht.«
»Wer sind denn jetzt Sonny und Beam?«
»Meine Titanen!«
»Deine...Titanen?!« Aus Y/N entwich alles. Schockiert stand sie vor Hanji und musterte die gut gelaunte Titanenforscherin.
»Japp. Die halte ich mir, zwecks Forschungszwecken. Aber sie sind total süß!«
»Du hältst dir Titanen im Hauptquartier? Bist du verrückt?« Nein, sie konnte es definitiv nicht fassen.
»Kein Grund zur Panik. Ist alles mit Erwin abgesprochen. Und bis jetzt ist auch nichts passiert. Die kriegen regelmäßig Happa Happa, damit sie sich nicht an Menschen vergreifen. Auch wenn ich verstehen kann, dass ich durchaus zum Anbeißen aussehe, hähä.«
Y/N schüttelte nur nichtgläubig den Kopf.
»Aber das ist jetzt egal. Viel wichtiger ist doch, was du Levi schenken willst, oder?«
»Ja«, sagte Y/N und ein Lächeln stahl sich in ihr Gesicht. Der Gedanke an Levi machte sie froh.
»Gibt es noch etwas, außer Tee, was er gerne mag?«
»Hmmmmmmm«, grummelte Hanji und versank erneut in ihren Gedanken. »Er mag Tee. Vor allem Tee. Und Teeblätter. Er sammelt Teeblätter.«
»Teeblätter?« Erneut war Y/N irritiert. Das war ein äußerst seltsames Hobby.
»Ja. Ansonsten zieht er sich schön an, aber ich würde ihm wohl eher weniger etwas zum Anziehen besorgen. Der ist da nämlich sehr eigen.«
Alles klar. Y/N hatte eine Idee. Sie stolzierte in die Stadt, nachdem sie dankend Hanji zum Abschied in die Arme nahm.

Eine schroffe WeihnachtsgeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt