25. Damals im Supermarkt II

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„Hallo Lisa." Hätte er so eine Floskel hinzugefügt wie schön, dich zu sehen, es wäre eine Lüge gewesen. Oder zumindest fast. Er war erstaunt, diese Frau aus seinem alten Leben hier zu treffen und schön anzusehen war sie auch, zweifelsohne, doch er hatte ihre gemeinsame Vergangenheit nicht vergessen. Wie hätte er das auch können?

„Verzeih mir die Frage, aber: Was machst du hier?" Er stellte die Frage vorsichtig, denn er wusste zu gut, dass es gefährliches Terrain war, auf das er sich begab.

Aber sie schien sich zu entspannen, als sie fortfuhr: „Ich gehe einkaufen. Was macht man wohl sonst in einem ... Supermarkt?" Das letzte Wort spuckte sie aus und sagte es gleichzeitig so vorsichtig, als müsse sie erst testen, wie es sich anfühlte, das Wort auszusprechen.

„Warum?" Vielleicht war er zu forsch, doch er wollte, er musste es riskieren.

Als Antwort hielt sie ihre Hand hoch. Das letzte Mal, vor gut zwölf Jahren, als er Lisa gesehen hatte, trug sie einen Verlobungsring. „Ich habe mich scheiden lassen. Und ich dachte, als Begrüßung meines neuen Lebensabschnittes gehe ich einmal selbst einkaufen." Sie hielt kurz inne und lief weiter. Eine unterdrückte Traurigkeit schwang in ihrer Stimme mit. Marko erkannte es, immerhin hatten sie beide sich einmal nahegestanden. Doch das war lange her. In der Zeit war viel passiert. Sehr viel.

In unbekümmertem Tonfall sagte sie: „So, jetzt zeig mir Mal, wo ich das Fleisch finde!"

Gemeinsam liefen sie weiter und erledigten die Einkäufe. Die Anspannung in ihm nahm mit jedem Schritt zu. Die Frage, wann sie die Frage stellen würde, echote so in seinem Kopf herum, dass es beinahe wehtat. Denn dass sie sie stellen würde, war eine Tatsache. Er selbst würde es an ihrer Stelle genauso machen, vermutlich.

Doch es passierte nichts in diese Richtung. Nicht einmal die kleinste Andeutung huschte über ihre Lippen, kein seltsamer Blick traf ihn. Fast entspannte er sich, als sie auf den Parkplatz traten und er ihr folgte. Sie hielten an einem weißen Porsche.

„Und wie war dein erster Einkauf?" Er stellte die Frage mit einem neckenden Unterton.

„Ich muss mich da erstmal dran gewöhnen. Ich kann mir nicht vorstellen, wie man das hier jede Woche machen kann."

„Weißt du, manch einer macht das hier", er grinste, „sogar öfter als einmal in der Woche. Man sieht sich!" Er wollte sich umdrehen und zu seinem eigenen Auto gehen. Doch ihre Stimme ließ ihn innehalten.

„Warte!" Jetzt schwang etwas ernstes in der Stimme mit, das dort vorher nicht gewesen war. „Vielleicht willst du mitkommen? Und ich habe dich gar nicht gefragt, wie es dir geht. Du siehst ... gut aus." Den letzten Satz schob Lisa leise hinterher. Er verstand zu gut warum.

„Und dann was? Wollen wir die gute alte Zeit wieder aufleben lassen?" Auf einmal war seine Stimmung im Keller. Denn auch sie hatte nichts getan. Aber immerhin hatte sie es als einzige versucht. Daran erinnerte er sich. Vielleicht war es das, was dazu führte, dass er sich beruhigte. „Wir wissen beide, dass das nicht stimmt. Ich sehe nicht gut aus."

„Ich, das ..." Lisa druckste herum und suchte offensichtlich nach Worten. Ließ ihren Blick konzentriert auf den Boden sinken, als würde sich dort eine Antwort verbergen. „Es tut mir leid. Aber..."

„Das ist lange her. Wir beide wissen, dass du immerhin versucht hast mir zu helfen. Ich habe es aber nicht zugelassen. Also. Vergessen wir das nun?" Eine Schärfe begleitete seine Worte, denn er wollte nicht daran erinnert werden. Er hörte den Ruf noch immer. Meistens besonders deutlich wenn er allein war, doch manchmal drängte er sich sogar in Gesellschaft in den Vordergrund. Er wollte diesen Erinnerungen keine zusätzliche Bühne geben.

„In Ordnung. Wollen wir auf die guten alten Zeiten anstoßen?" Sie sah ihn an und musste deinen zweifelnden Blick gesehen haben, denn sie setzte ein „Auf die wirklich guten" hinterher.

Marko stand einfach da und war sich nicht sicher, was er tun sollte. Auf der einen Seite wäre es schön, einmal wieder zu einer Freundin von früher engeren Kontakt zu haben, auf der anderen Seite bot genau diese Zusammenkunft eine ernste Gefahr. Denn wenn er diese Erinnerung weckte, würden auch andere aus ihren Gräbern auferstehen. Unweigerlich würden sie ihnen Folgen, genauso natürlich, wie die Waggons dem Zugwagen folgten.

Am Ende nahm sie ihn die Entscheidung ab. „Steig ein!" Lisa sagte es in einem Ton, dem er nicht widersprechen konnte. Das mochte er schon immer an ihr. Lisa nahm die Dinge, wie sie kamen. Und daran hielt er sich fest, während sie beide zu ihr nach Hause fuhren.

Teure RacheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt