Heute bei Emma & Marko

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Die Befragung war nun fast zwei Wochen her. Es war zur Gewohnheit für Emma geworden, jeden Tag ins Krankenhaus zu fahren. Anfangs noch in die Intensivstation, doch mittlerweile war Jan auf ein normales Zimmer verlegt worden. Aus dem künstlichen Koma war er bereits vor zehn Tagen geweckt worden. Die Wunde heilte gut. Und doch konnte Emma das mulmiges Gefühl, das sie bei ihrem heutigen Besuch überfiel, nicht ignorieren.

„Sie wissen nun, wer es war. Und sie haben ihn festgenommen." Ihre Stimme war leise, denn Emma wagte es nicht, lauter zu sprechen. Als würden die Worte, wenn sie sie nicht so laut aussprach, nicht so viel Schaden anrichten. Gleichzeitig wagte sie es selbst nicht, es laut auszusprechen.

„Ach ja?" Die Stimme von Jan war klarer.

Das Wort, das ihr auf der Zunge lag, wog so schwer wie ein bhhg. Es auszusprechen kostete sie große Überwindung. „Marko." Emma fühlte sich, als würde sie ihrem Mann ein weiteres Messer in den Leib rammen. Diesmal jedoch direkt in sein Herz. Er erstarrte, wurde blass und dann sah es aus, als würden seine Augen bald überlaufen.

Wie hätte sie es ihm verübeln können? Natürlich hatte ihr Mann ihr von Marko erzählt. Seinem besten Freund, der irgendwann ein Drogenprobleme bekommen hatte. Zu der Zeit, zu der sie beide sich kennengelernt hatten.

Schließlich, nach einer langen Zeit des Stillstandes, in der jedes Geräusch aus dem Flur wie ein Störfaktor und gleichzeitig der einzige Beweis dafür war, dass sich die Welt weiterdrehte, fanden seine Augen ihre. Eine tiefe Verletzung lag darin, die zwar mit der yzeit vernarbt, aber nie verschwunden war. Und Emma wusste, dass sie mit ihren Worten so stark daran gezerrt hatte, dass sie aufzureißen drohte.

„Ich war viel zu wenig für ihn da. Vielleicht hätte ich etwas ändern können. Vielleicht wäre es dann nicht so weit gekommen." Jans Stimme klang heiser.

„Nein", Emma nahm seine Hand in ihre. „Mach dir keine Vorwürfe deswegen. Du hast ihn nicht im Stich gelassen. Marko hat es durch sein Verhalten doch heraufbeschworen. Wenn die Drogen euch nicht getrennt hätten, dann wäre diese Rolle früher oder später einer anderen Sache zugefallen."

Sein Blick verließ ihre Augen, fand schließlich ihre ineinander verschlungenen Hände. „Vielleicht hast du Recht. Trotzdem kann ich das Gefühl nicht abstellen, dass ich nichts gemacht habe. Ihn einfach beobachtet habe, als er immer weiter unterging." Wieder kehrte Stille ein.

Emma brach sie schließlich. „Es könnte sein, dass die Polizei nochmal auf dich zukommt. Und auf mich." Er quittierte ihre Aussage mit einem langsamen Nicken.

Wieder sah er ihr direkt in die Augen und die Trauer wich einen gefährlichen Funkeln. „Ich hoffe, er leidet für das, was er getan hat!", sagte er. Und dann, als hätte jemand einen Schalter umgelegt, wich die Wut wiederum tiefer Zuneigung, als er fortfuhr.

„Ich wäre für dich gestorben in diesem Moment. Und ich würde es wieder tun. Auch wenn ich nicht hoffe, dass es je nötig wird "

~•~

Es war seine Rache gewesen. Eine teure Rache. Eine teure Rache an reichen Leuten. Eine teure Rache für ihn selbst. Wie er es auch einmal gewesen war. Doch eigentlich war er vor Kurzem noch reicher gewesen als jemals zuvor. Das erkannte er jetzt. Als er Clean war, eine Wohnung hatte und ein normales Leben führte. Nein, in Bezug auf das Geld war er nicht sonderlich reich gewesen. Doch er war glücklich und dadurch reich. Denn er genoss sein Leben.

Und das all das hatte er weggeworfen, wegen diesen Rachegelüsten. Doch wie hätte er sie ignorieren können? Irgendwann hätten sie ihn aufgefressen und es wäre egal, ob er ansonsten glücklich war oder nicht. Sie hatten an ihn genagt, wie eine Ratte an einem Seil. Es wurde immer dünner, bis es irgendwann gerissen war. Und als er dann Lisa dort beim Einkaufen getroffen hatte ... Diese Gelegenheit musste er nutzen! Und er hatte sie genutzt.

Er wollte sich eine Art von Glück zurückholen und es mit seinem jetzigen Glück verbinden. Denn wenn er noch Geld hätte, wäre er sehr glücklich. Und seine ganzen sogenannten Freunde hätten einen Denkzettel erhalten.

War es das wert gewesen? Ein ehemaliger guter Freund von ihm lag im Krankenhaus, wegen ihm. Ein anderer, den er aus Kindheitstagen kannte, war so gut wie tot. Wegen ihm.

Ja, dachte er. Das war es wert. Sie würden es sich zweimal überlegen, jemanden wegen Problemen fallenzulassen. Und genau das wollte er der Polizei zu Protokoll geben. Und wenn er dafür sein ganzes restliches Leben im Knast verbringen würde, so möge es anderen helfen.

Er fühlte sich erfüllt und gleichzeitig so leer.

Er war ein potentieller Mörder. Sie würden ihn nicht wieder freilassen, da musste er sich nichts vormachen. So würde er aber wenigstens nicht wieder der Versuchung von Lisa erliegen können. Nicht so wie damals, bei ihrer Begegnung im Supermarkt.

Aber Lisa würde mit ihm untergehen. Schließlich hatte sie ihn am Ende auch im Stich gelassen.

Er schnaubte verächtlich. Wie anders sein Leben hätte sein können, wäre er damals nicht in den Park gelaufen.

Die Weichen dafür hatte er vor langer Zeit gestellt und jetzt war der Zug unaufhaltsam seinen Weg entlanggefahren.

Dieser eine Augenblick in seinem Leben war der Ausgangspunkt für seinen weiteren Weg gewesen. Es war der Ausgangspunkt des Geständnisses, das er ablegen würde.

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Aber das ist eine andere Geschichte, die ich erst nochmal genau durchsehen und überarbeiten muss. Und diese andere Geschichte wird ihre Heimat wohl auf einer anderen Plattform haben. Mal sehen. Erstmal hat aber ein anderes Projekt, das ich im Hintergrund langsam anlaufen lasse, Vorrang (ich sag nur "Halloween").

Vielen Dank, dass ihr bis hier dabei geblieben seid! ❤️

Auf Wiederlesen
Drachenmelodie ❤️

Teure RacheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt