Silberfeder Kapitel 2

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Mein Kopf war ganz schwer und meine Kehle wie ausgedörrt. Ich öffnete vorsichtig ein Auge und sah Flusskralles Gesicht direkt vor meinem. Erschrocken fuhr ich zurück. „Sie ist aufgewacht! Schmutzfell, sie lebt!", freute der junge Kater sich. Ich öffnete das zweite Auge auch noch und fand mich im Heilerbau wieder. Schmutzfell kam angerannt und beugte sich über mich. „Wie fühlst du dich, Silberfeder?", fragte er sanft. „Ich habe so Durst!", krächzte ich heiser. Der hellbraune Heiler schickte Flusskralle zum Wasserholen und sprach ein wenig mit mir über meine Verletzungen. „Du liebst ihn!", verkündete er mir plötzlich mit leiser, aber fester Stimme. Ich wusste, dass ich ihm vertrauen konnte, also zuckte ich zustimmend mit den Ohren. „Sag ihm besser noch nichts!", riet mir Schmutzfell und wandte sich wieder seinen Kräutern zu. Flusskralle kam in den Bau gestürmt, mit dem größten wasserdurchtränkten Stück Moos, das ich je gesehen hatte. Ich leckte das Wasser heraus und suchte noch jeden kleinsten Tropfen. Schmutzfell kam, ganz unbeteiligt, strich mir etwas Kräuterpaste auf eine kleine Wunde an der Stirn und gab mir noch ein paar Kräuter. „Was ist das?", wollte ich neugierig wissen. „Wollziest, Wacholderbeeren und Traubenkraut! Das gibt dir Kraft und die brauchst du jetzt! Du solltest dich auch ausruhen und etwas essen, aber nicht hier! Du bist soweit wieder gesund und kannst in den Kriegerbau gehen! Ich denke, deine Geschwister haben dir dort schon ein Nest vorbereitet!", ermunterte er mich. Ich stand auf und schluckte die Kräuter ohne zu zögern herunter. Flusskralle brachte mir einen dicken Fisch, den wir uns teilten und brachte mich in den Bau der Krieger, wo ich mich in einem Nest zusammenrollte und einschlief.

„Silberfeder! Wach auf! Du sollst mit zur großen Versammlung!", zischte Sturmpelz mir ins Ohr. Sofort war ich hellwach und sprang auf. Welch eine Ehre! Seit meiner Ernennung vor drei Sonnenaufgängen dachten immer noch viele Katzen meines Clans, der Sternenclan wäre mit meiner Ernennung nicht einverstanden gewesen. Scheinbar versuchte Leopardenstern, dieses Unwohlsein aus der Welt zu schaffen, indem sie mir vertraute. Ich würde ebenfalls dazu beitragen, indem ich mich als vertrauenswürdig erwies. Gähnend verließ ich den Kriegerbau und stolperte prompt gegen Flusskralles breiten, muskulösen Körper. Er schnurrte: „Nicht so viel träumen, du Fellkugel! Gehst du auch mit zur großen Versammlung?" Gnädig verzieh ich ihm die Fellkugel und nickte. Seine Augen leuchteten auf. „Ich muss dir nämlich etwas zeigen!", flüsterte er mir noch schnell zu, als Leopardenstern nach uns rief. Entsetzt sah ich, das Schwarzkralle sich ebenfalls hinter unserer gefleckten Anführerin einreihte. Er würde bestimmt allen von meiner fast missglückten Zeremonie erzählen! Flusskralle schien meinem Blick gefolgt zu sein, denn er drückte sich beruhigend an mich. „Leopardenstern weiß, was sie tut!", raunte er mir warnend zu. Er kannte mich gut genug, um meine Beunruhigung zu bemerken und zu sehen, wie meine Krallen zuckte. Noch einmal sah er mich eindringlich an, bevor wir losliefen. Was er mir wohl später zeigen wollte?

Der Wind- und der Schattenclan waren schon da, als wir auf Leopardensterns Zeichen auf die Lichtung stürmten. Nebelfuß und Leopardenstern liefen zum Großfelsen hinüber, die gefleckte Anführerin ließ sich darauf, ihre Stellvertreterin davor nieder. Da erschien die Silhouette eines Katers am Rande der Lichtung. Sein buschiger Schweif gab ein kaum sichtbares Zeichen und der Donnerclan stürmte aus dem Gebüsch hervor. Der Kater steuerte, sichtlich verunsichert, auf den Großfelsen zu. Nachdem er den gewaltigen Fels erklettert hatte, empfingen ihn Riesenstern, Schwarzstern und Leopardenstern beunruhigt: „Was ist los, Graustreif? Wo ist Feuerstern?" Mein Vater winkte mit dem Schweif und trat an den vorderen Rand des grauen Gesteins. „Katzen aller Clans! Ich erkläre die große Versammlung für eröffnet. Ihr fragt euch sicherlich alle, warum ich hier stehe und nicht Feuerstern. Bevor jemand fragt, nein, er ist nicht tot. Er wurde vom Sternenclan auf eine lange Reise geschickt und bat mich, seinen zweiten Anführer, ihn zu vertreten. Trotz der Abwesenheit unseres Anführers ist der Donnerclan nicht schwach!" Er machte eine kleine Pause und eine Kätzin neben mir schnurrte zustimmend. Ihr Fell war graugelblich und ihre blauen Augen schienen nicht dazu zu passen. Oben auf dem Großfelsen fuhr Graustreif fort: „Die Beute läuft gut beim Donnerclan und wir haben eine neue Kriegerin. Meine Schülerin Kristallpfote trägt jetzt den Namen Kristallfeder." Aller Augen richteten sich auf die Kätzin neben mir, die sich auf den Boden duckte, als die Clans sie mit ihrem Namen begrüßten. Graustreif trat zurück und Leopardenstern nahm seinen Platz ein. „Auch im Flussclan gibt es keinerlei Probleme. Beute ist reichlich da und auch wir können eine neue Kriegerin in unseren Reihen begrüßen. Silberpfote hat ihren Kriegernamen Silberfeder erhalten", miaute unsere Anführerin ruhig. Im Gegensatz zu Kristallfeder reckte ich mich in die Höhe, als die anderen Katzen meinen Namen riefen. Kristallfeder beobachtete mich aufmerksam und irgendwie... erinnerte sie mich an jemanden... Mit einem Schwanzzucken forderte ich sie, nachdem alle Anführer gesprochen hatten und sich sowieso alle unterhielten, auf, mir zu folgen. „Kennen wir uns?", fragte ich vorsichtig. Sie riss die Augen auf und ihre Schnurrhaare begannen zu zittern. „W-w-woher weißt du es?", fragte sie, offensichtlich panisch. „Ich habe keine Ahnung, wovon du redest! Aber du kannst es mir ruhig sagen...", versuchte ich, sie zu beruhigen. Ihr Fell glättete sich wieder, sie setzte sich hin und legte den Schwanz um die Pfoten. „Du bist meine Schwester!", platzte sie heraus. Misstrauisch betrachtete ich sie von oben bis unten. „Was macht dich da so sicher? Mein Vater hätte mir davon erzählt!", knurrte ich. „Nein. Die Gefahr war zu groß!", ertönte die traurige Stimme meines Vaters hinter mir. Ich drehte mich nicht um. „Wieso Gefahr?", presste ich mühsam hervor. „Irgendwie wäre es an Leopardenstern gekommen und ich wollte wenigstens eins meiner Jungen bei mir behalten. Es tut mir leid", erwiderte mein Vater mit einer Ruhe, die mich rasend machte. Mein Körper fuhr herum „Ich kann Geheimnisse für mich behalten!", schleuderte ich ihm in sein graues Gesicht. Seine gelben Augen schauten keineswegs betreten. Vielmehr blieb er ganz ruhig und miaute: „Ja, aber du bist eine loyale Flussclankatze! Die Treue zu deinem Clan hätte es dir verboten, deiner Anführerin das zu verschweigen!" „Das alles ist nur, weil du sie lieber magst als mich! Ich hasse dich!", fauchte ich ihn aggressiv an. „Und dich hasse ich auch!", fügte ich mit Blick auf die blauäugige Kätzin neben mir hinzu. Dann warf ich mich herum und ging zu Leopardenstern. Ein paar Schwanzlängen hinter ihr erwartete mich Flusskralle. „Ich muss dir unbedingt etwas zeigen!", flüsterte er aufgeregt. Der Donnerclan kam gerade herüber und Leopardenstern plauderte noch ein bisschen mit Graustreif. Flusskralle schlängelte sich zwischen den Katzen hindurch und zeigte dann mit der Schwanzspitze auf eine Kätzin. Seine Augen leuchteten. „Das ist sie! Silberfeder, ich glaube, ich habe mich... in sie verliebt!", gestand er mir leise. Die Lichtung verschwamm vor meinen Augen. Noch schlimmer wurde es allerdings, als sich die Kätzin umdrehte. Es war Kristallfeder.

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