Silberfeder Kapitel 5

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Ich schlich mich vorsichtig an das Moorhuhn an. Es würde ein hervorragende Mahlzeit für die Ältesten werden! Mit einem einzigen Satz packte ich es und tötete es sofort. Die Beute aus dem Maul baumelnd wollte ich schon ins Lager zurückkehren, als ich plötzlich eine Stimme vernahm. „Kein schlechter Fang! So eins habe ich auch erst an meinem zweiten Tag als Schülerin gefangen!", miaute Kristallfeder hochmütig. Meine Augen wurden zu schmalen Schlitzen. „Sei still!", fauchte ich sie an, als mir auffiel, dass sie sich auf unserem Territorium befand. „Verschwinde von hier oder du wirst es bereuen!", knurrte ich warnend. Sie blinzelte herausfordernd langsam und gähnte dann ausgiebig, bevor sie erwiderte: „Ich glaube, ich fange mir erst etwas Beute!" Jetzt kochte ich fast vor Wut und schrie sie an: „Verschwinde!" Wieder gähnte sie und fuhr sich mit der Zunge über den geschwollenen Bauch. Sie war also tatsächlich schwanger. Das gab ihr trotzdem nicht das Recht zu so etwas! „Du hast es so gewollt!", zischte ich und sprang sie an. Mein Kopf traf sie hart an der Schulter und sie stürzte zu Boden. Erst versuchte sie noch, sich zu wehren, gab dann aber auf. „Gut, ich gehe!", fauchte sie und überquerte die Trittsteine vorsichtig. Auf der anderen Seite des Flusses blieb sie plötzlich stehen. Krämpfe durchzuckten sie. Erschrocken riss ich meine Augen auf. Die Jungen! Sie schienen schon zu kommen! Die Lager waren zu weit entfernt, aber Bachpfote war in der Nähe und jagte. „Bachpfote! Komm, schnell!", schrie ich, während ich mich den Trittsteinen näherte. Zum Glück gehorchte meine aufmüpfige Schülerin mal und kam aus dem Schilf gestürzt. „Was ist?", fragte sie etwas mürrisch. „Die Donnerclankätzin da drüben bekommt Junge! Sag Schmutzfell Bescheid und hol ihn!", brüllte ich ängstlich. Meine Schülerin preschte ohne Wiederworte los und ich rannte zu Kristallfeder. Sie lag inzwischen auf dem Boden. Krampfartig durchliefen die Wehen ihren Körper. „Ganz ruhig!", beschwor ich uns beide und kauerte mich neben sie, wie ich es bei Schmutzfell gesehen hatte. Die Wehen wurden immer stärker und ich rannte kurz zum Wasser, wo ich ein Stück Moos holte und ihr vor die Schnauze legte. Sie leckte das Wasser auf und ihr Körper bäumte sich auf. Ein Junges fiel hinter ihr ins Gras. Vorsichtig biss ich die Fruchtblase auf und leckte das Junge ab. Es bewegte sich nicht und.... Doch, es atmete. Ein Glück! Vorsichtig legte ich es an ihren Bauch, als schon das zweite Junge ins Gras fiel. Es atmete und bewegte sich sofort und begann auch gleich zu saugen. Das letzte Junge war klein und schwach. Es lag da und ... Atmete nicht. Die Fruchtblase hatte ich schon aufgebissen, aber es rührte sich nicht. Nicht einmal, als ich es an den Bauch der jungen Kätzin legte. „Glückwunsch!", gratulierte ich mit belegter Stimme. „Zwei Kater und eine Kätzin." Da sprang auch schon Schmutzfell neben mich. „Hier, iss das!", befahl er und schob Kristallfeder ein Bündelchen Kräuter hin. „Was ist das?", wollte sie wissen. Es waren die ersten Worte, die sie seit Beginn der Geburt sprach. Wir hatten die ganze Zeit geschwiegen. „Borretsch! Das regt den Milchfluss an!", erwiderte der Heiler und beugte sich jetzt über die Jungen. „Die schwarze Kätzin ist völlig gesund! Der kleine graue Kater auch, aber der Weiße... Tut mir leid, Kristallfeder, er ist tot", erklärte Schmutzfell traurig. Kristallfeder stieß einen Schrei aus, voll Trauer und Schmerz und auch mich packte jetzt eine Erkenntnis mit kalten Klauen. Was, wenn ich das Junge umgebracht hatte? Ich hatte sie zu Boden gestoßen und dabei war es vielleicht... Ich traute mich kaum, daran zu denken. „Woran ist er denn gestorben?", fragte ich Schmutzfell vorsichtig. „Ich weiß es nicht... Aber ich denke, entweder war er zu schwach oder er ist durch einen Sturz gestorben...", murmelte er, während er die Kätzin und ihre Jungen näher untersuchte. Kristallfeder sah mich an. „Du hast ihn umgebracht!", sagte ihr Blick. Ich duckte mich unwillkürlich. Ich hatte Flusskralles Junges getötet! Was hatte ich nur getan? „Wie sollen sie denn heißen?", brach Bachpfote die Stille. „Die Kätzin heißt Federjunges, dieser hier", Kristallfeder deutete mit der Schwanzspitze auf den grauen Kater, „Heißt Flussjunges und über ihn", sie deutete auf den Leichnam des weißen Jungen, „soll Flusskralle entscheiden." Schmutzfell nickte und maunzte: „Wir bringen euch ins Lager! Ich trage Federjunges, Bachpfote Flussjunges und Silberfeder den kleinen Weißen, wenn dir das recht ist. Du brauchst deine Kraft zum Laufen!" Kristallfeder nickte kurz und bedachte mich mit einem warnenden Blick. Vorsichtig nahmen wir die Kleinen am Nackenfell und trugen sie ins Lager des Donnerclans. Dort erwartete uns Flusskralle und stürzte sich sofort auf Kristallfeder. „Du hättest nicht rausgehen sollen! Komm sofort in die Kinderstube!", schimpfte er liebevoll und legte ihr fürsorglich seinen Schweif auf den Rücken. Wir folgten ihnen in die Kinderstube und legten die Jungen an ihren weichen Bauch. Als der Weiße nicht saugte, sah Flusskralle ihn erstaunt an. Mich würdigte er keiner Blickes. „Was ist mit ihm? Er atmet nicht!", rief er panisch. „Es ist zu spät! Er ist tot!", erklärte ich knapp und mit harter Stimme. Jetzt erst schien er mich wahrzunehmen. Als er mich ansah, konnte ich nicht anders als beschämt, verletzt und traurig den Blick zu senken. „Nein!", hauchte er. „Doch!", erwiderte Schmutzfell sanft. „Wie heißen sie?", wandte sich der schwarze Kater an seine Gefährtin, die in einem Nest aus Farn und Moos lag. „Die Kätzin Federjunges und der graue Kater Flussjunges. Über seinen Namen sollst du entscheiden!", flüsterte sie und deutete auf den weißen toten Kater. „Lilienjunges!", hauchte er.

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