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Ich wusste von Anfang an, dass es ein Fehler sein würde, meinen Eltern zu vertrauen. Die Beiden waren mehr oder weniger das in meinem jetzigen Alter gewesen, was sich alle Eltern als Kinder wünschen, Vorzeigekinder, die man bei jeder Veranstaltung der ganzen Welt zeigen wollte.

Zweite Klasse. Nur ein weiterer Rang an dem höchsterzielbaren Wert in der Gesellschaft, ich meine natürlich Gemeinschaft, entfernt.

Und was bin ich? Zehnte Klasse. Der Niedrigste Rang, das bin ich. Es wundert mich sogar, dass es meine so unglaublich perfekten Eltern wirklich übers Herz gebracht hatten, mich großzuziehen, ihr Kind zu nennen und jetzt nicht im Erdboden versinken wollen, wenn man sie mit mir sehe. Immerhin steht es sogar im Gesetz selbst, dass man sich nur mit dem eigenen Rang abgeben dürfe. Bei Familie ist das wohl eine Ausnahme, zumindest bis zum 18. Lebensjahr. Das wären für mich noch zwei Jahre, in denen ich das Starren und die widerwertigen Blicke anderer, ach so arroganter Zweitklassiger ertragen müsse. Ich weiß nicht, ob ich mich wirklich darauf freuen soll, getrennt von denen, die mir alles bedeuten sollten, zu leben. Wird es meine Familie glücklich machen, endlich ohne mich leben zu können? Auch wenn ich nie das Gefühl hatte, nicht geliebt zu sein, haben die fiesen Blicke und leisen Tuscheleien um mich herum, ausgereicht, mich zu der zu machen, die ich jetzt bin.

Ich glaube, meine Familie kann sich gar nicht vorstellen, wie schrecklich schwer es ist, so wie ich leben zu müssen, deswegen schicken sie mich vermutlich auch dort hin. Weil es für sie das Paradies auf Erden war? Wer weiß das schon, trotzdem muss ich keine schlaue oder begabte Person sein, um zu wissen, dass ich dort mein Ende, vielleicht meinen Tod, oder doch nur Leid, finden werde.

Sie haben mich nicht einmal angehört, als ich versucht hatte, ihnen zu erklären, was für eine dumme Idee es ist, mich dort hinzuschicken. Lernen werde ich dort kaum etwas können, das Beste, was mir passieren könnte, ist es überhaupt über die Schwelle der Halle zu schaffen, ohne dabei mit Dreck beschmissen zu werden. So ging es einer Anderen, meiner Klasse. Keine zwei Wochen hatte sie es ausgehalten, bevor man sie, mit einem Seil um den Hals geschlungen, an einem der Deckenbalken hängend, in ihrem Zimmer mit einem Abschiedsbrief gefunden hatte. Ich hatte nie viel mit ihr zu tun gehabt, aber jetzt, da mich ihr Schicksal vielleicht auch ereilen könnte, mache ich mir umso mehr Gedanken darüber, was ihr wohl noch angetan werden musste, sodass sie sich selbst erhängte. Es ist fast schon Alltag, dass Leute wie ich umgebracht werden, oder Selbstmord begehen, es ist für mich Gewohnheit, auch wenn es das nicht sein sollte. Zumindest sehe ich das so, für jeden anderen ist es völlig normal, manche finden es sogar lustig uns sterben oder leiden zu sehen, nur weil wir weniger wert sind.

Es dauert nur noch wenige Stunden, bevor ich mich endgültig verabschiede und alles hinter mir lassen muss.

Ein wenig Hoffnung auf einen Neuanfang habe ich schon, auch wenn Diese lächerlich klein ist, den Umständen zu verdanken. Eigentlich nahezu zum Weinen, dass ich ein wenig glaube, oder es wirklich innerlich hoffe, besser und talentierter in so gut wie allem zu werden. Auch, wenn ich eigentlich hoffnungslos einen Weg suchen sollte, meinen eigenen Frieden so schmerzlos wie möglich zu finden.

Meine wichtigsten Kleidungsstücke, einen Anhänger aus echtem Mondstein , einige Bücher und ein Bild meiner Familie, welches meine Mutter mir gestern Abend noch aufgedrängt hatte, hatte ich bereits in meinen Koffer gepackt, welcher schon wartend neben der Haustüre steht.

Eigentlich sollte ich auch dort stehen, wartend darauf, endlich zum Bahnhof marschieren zu können, um in den Zug zu steigen, der mich in gut zwei Stunden ins Nirgendwo bringt. Die Schule soll komplett außerhalb von irgendwelchen Städten in der Natur legen. Hoffentlich ist die Gegend schön, dann könnte ich mich hin und wieder mal an einen ruhigen Ort verziehen und ein Buch lesen.

Nine steps apart - the „death witch"Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt