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Ein merkwürdiges Gefühl von Leere und doch einem unaussprechlichen Schmerz macht sich in meinem Inneren breit, als ich mit zitternden Beinen die Limousine verlasse und meinen kleinen, schwarzen Koffer hinter mir herziehe. Dieser fällt ungeschickt auf den steinigen Kiesboden und gibt unangenehme quietschende Laute von sich, während ich hoffnungslos versuche, so wenig Aufmerksamkeit wie möglich auf mich zu ziehen. Eine Menschenmenge von, ich schätze auf 50 Personen, hat sich schon vor dem heruntergekommenen Gebäude gebildet. Noch hat niemand von ihnen gemerkt, dass jemand weiteres das Gelände betreten hatte, noch weiß niemand, was ich bin, noch ahnt keiner von ihnen, dass ich nicht mehr als eine von der Klasse 10 bin. Ich wünschte, es könnte so bleiben, ich wünschte ich könnte unbeachtet und versteckt bleiben, wie ein Geheimnis, das niemals das Licht dieser Welt erblicken wird.

Der Wind zischt kalt und scharf durch meine roten, zottigen Haarsträhnen, die mir ins Gesicht wehen. Die Luft lässt meine Haut frösteln und bringt mich beinahe dazu die eigentliche Jahreszeit Sommer zu vergessen. Besonders wundert mich, dass die Schüler und Schülerinnen in ihren pechschwarzen Schuluniformen mit der weißen, feinen Krawatte überhaupt nicht den Anschein erwecken als würden sie frieren. Kein bisschen, es wirkt eher so als würde eine normale Frühlingsbrise um sie herumtoben, ohne auch nur dabei eine einzige Frisur zu ruinieren.  Es ist fast so als würde ich gar nicht wirklich neben diesen ganzen Schülern, stehen.

Während ich den kalten Weg weiterhin entlang schlürfe, versuche ich die blutroten Schriften in meinen Augenwinkeln zu ignorieren. Die rote Farbe klebt an den dunklen grauen Wänden an jeder freien Stelle. Warum beschmutzt man die Gegend, in der sie sich auch für einen langen Zeitraum aufhalten, nur damit die Schlechteren, laut ihnen, die Hölle auf Erden erleben müssen?

Schande, dass ich existiere oder Abschaum

Dort steht noch mehr geschrieben, schlimmere Dinge, weitaus Schrecklichere, die ich kaum auszusprechen mag. Zum Glück ist es zu schwer Weiteres lesen zu können, während ich an ihnen vorbeihaste. Alles andere hätte ich wahrscheinlich nicht ertragen können, ohne im nächsten Moment auf die dafür Verantwortlichen loszustürmen. 

Ich wage es nicht einen weiteren Blick darauf zu werfen, weil ich genau weiß, an wen diese Botschaften gerichtet sind.

Manche dieser Botschaften sind mir nicht einmal möglich zu entziffern, da sie so unleserlich geschrieben wurden, dass man fast glauben könnte, dass es sich hierbei wirklich um Blut an der Wand handelt. Ein Teil von mir hofft, dass diese Gedanken nur Ursprung meiner nächtlichen Albträume sind, doch tief in meinem Herzen ahne ich schon, dass genau diese roten Schriften in Wirklichkeit das Blut ihrer Opfer ist. Ich blicke mit dem Kopf wieder zu Boden und starre auf meine Fußspitzen, die automatisch einen Schritt vor den anderen setzen. Ich wage es nicht zu atmen, ich wage es nicht jemandem der hier anwesenden Personen in die Augen zu sehen.

Nur nicht die Kontrolle verlieren.

Was würde passieren, wenn man mich jetzt bemerkt, wenn man sieht, dass ich zu ihnen gehöre, zu denen, die sie tagtäglich ermorden und als ihre Trophäen präsentieren. Würde ich dann auch bei einem von ihnen als Trophäe enden, als ein unbedeutendes Souvenir unter vielen, die schon vor mir entdeckt wurden?

Bislang hatte ich einfach nur das Glück gehabt, dass mich keiner interessant genug fand, um an meinem Tod oder Leiden wirklichen Gefallen zu finden.

Kaum merklich versuche ich mit einem Haarbündel, welches mir sanft über die Schulter fällt, das Abzeichen auf meiner rechten Brust, zu verbergen. Meine welligen, roten Haare reichen mir mittlerweile fast bis zur Hüfte, da ich mich die letzten zehn Jahre nicht mehr zum Friseur getraut habe. Und mehr als alle paar Monate ein wenig meiner Spitzen abzuschneiden, ging deswegen nicht, da ich nicht gerade die Talentierteste im Haarschneiden bin. Überhaupt war es mir so schon länger möglich, heimlich mein Abzeichen abzudecken, ohne dafür bestraft werden zu können.

Nine steps apart - the „death witch"Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt