Die unzähligen Gänge in jede vorstellbar mögliche Richtung sind so gruselig düster, dass es mir fast unmöglich ist, Romine neben mir wahrzunehmen. Ihre zittrige Gestalt schleicht, fast wie ein Geist, neben mir her, mit einem Arm über meine linke Schulter gelegt. An den Wänden hängen vereinzelt verschiedene Gemälde von uralten Hochklassigen, mit deren jeweiligen Fähigkeit groß daruntergeschrieben. Die meisten dieser Gestalten sehen irgendwie angsteinflößend aus.
Ich weiß nicht, ob es an ihren durchdringenden Blicken liegt, die einen förmlich verschlingen, oder an dem flackernden, schwachen Licht, welches sie zu den Monstern werden lässt, die sie in ihrem Herzen schon wahrlich sind. Deren gemachten Haare, schicken Anzüge und Abendkleider und das aufgesetzte kühle Lächeln versteckt nicht ihr wahres Inneres.
Für einen Moment wende ich meinen Blick ab und schweife über die vielen Abzweigungen vor uns, die alle gleich aussehen.
Wie soll ich mir hier wohl je zurechtfinden? Zumindest bis ich unter der Erde liege.
Doch bevor es dazu kommen sollte, nehme ich diesen Justin mit in den Tod, oder die Person, die Romine irgendetwas angetan hat. Ich muss es unbedingt wissen, ich muss unbedingt wissen, wer das war und wer die schlimmste Person dieser Hochklassigen ist.
Ich werde sie alle vernichten, wie, spielt keine Rolle.
Die Lampen, als auch die Bilderrahmen sind mit einem goldenen Rosenmuster verziert, was es ein weniger heruntergekommen erscheinen lässt, auch wenn sich das Gold an den meisten Stellen schon abschält.
Romine deutet mit ihrer rechten Hand in einen der Gänge auf eine der vielen Türen vor uns. Doch kurz bevor wir sie erreichen, bleibe ich verdutzt stehen.
Mein Blick fällt wieder auf die einzelnen Gemälde an den Wänden, doch dieses Mal explizit auf eines, das sich von den anderen unterscheidet.
„Warte", raune ich zu Romine in die lautlose Stille der unendlich erscheinenden Gänge, bevor ich einen Schritt näher an das Bild trete.
Auf dem Gemälde ist eine wunderschöne Frau mit glänzenden schwarze Haaren, welche sie zu einem Dutt hochgesteckt hat und einige Haarsträhnen lässig über ihr Gesicht fallen. Ihre haselnussbraunen Augen strahlen etwas anderes aus, als auf den restlichen Gemälden. Sie sieht weder angsteinflößend noch grausam aus. Es fühlt sich eher... nach Wärme an.
Sie lächelt nur ein wenig, und auf einmal begreife ich, dass ihre Augen glasig sind, während sie ihre Tränen noch gerade so zurückhalten kann. Ihr Lächeln ist leer, und dennoch voller Güte und einem Hauch von unerklärlicher Reue.Ich kann es nicht erklären, aber wie sie dort auf einem Stuhl in ihrem dunkelgrünen Kleid sitzt, welches ihr bis knapp über die Hüfte eng anliegt und nach unten in zwei Teilen sachte über ihre Beine fällt, zieht mich förmlich in ihren Bann. Was sich wohl hinter ihren Augen verborgen musste? Was ist der Grund dafür, dass sie dort so leblos dasitzt und trotzdem versucht ihren Schein zu wahren? Ich starre auf ihren Namen,
Caitlyn Blackwell – Manipulation.
Mein Atem stockt, als ich es ein weiteres Mal lese, um mir wirklich sicher zu sein, dass ich mich auch nicht verlesen habe. Sie soll dazu im Stande gewesen sein, zu manipulieren? Aber in welcher Form?
Könnte das nicht schon fast zu den „für die Gesellschaft gefährdenden Gaben" zählen?
„Romine, hast du schon einmal etwas von ihr gehört?", ich deute auf den golden verzierten Namen am unteren Rand des Gemäldes.
„Nicht, dass ich wüsste, aber ihre Gabe...", murmelt Romine neben mir mit einem nachdenklichen Blick auf Caitlyns Abbild gerichtet, „es geht das Gerücht herum, dass jemand diese Fähigkeit geerbt hat."
DU LIEST GERADE
Nine steps apart - the „death witch"
Fantasy„Aurora", flüstert eine sanfte Stimme von so weit her, dass ich glaube, in meinen eigenen Albträumen gefangen zu sein, nur ohne diesen unerträglichen Schmerz, der sich durch sein ruhiges, zartes Flüstern in meinen Ohren in Luft auflöst. Dieser...