Chapter 3

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Ich wollte nie etwas haben, dessen Verlust ich nicht vertragen kann. ~Casper

Nach der langen Busfahrt, eilen Liam und ich in die Schule zu unserem Klassenraum und setzten uns auf die Plätze, die dank der neuen Sitzordnung direkt nebeneinander liegen.

Die ersten drei Stunden gehen ziemlich langsam voran und während die Uhr an der Wand tickt und tickt, rückt die Pause immer näher. Es ist bereits die dritte Stunde und ich kann mich längst nicht mehr konzentrieren.

Neben mir sitzt Liam und schreibt die Gleichungen von der Tafel ab, während ich nur gedankenverloren auf meinem Collegeblock male.
Auf meinem Block steht jetzt exakt 100 mal das Wort "Kritzel", mir ist so langweilig das ich sogar mitgezählt habe.

"Hey Joe, was hast du an deinem Geburtstag so vor?"

Liams Frage unterbricht meine Kritzelei und ich halte kurz inne. Bei dem Gedanken an morgen stöhne ich laut auf.

"Dein 16. Geburtstag wartet doch nur darauf gefeiert zu werden, also, wie sieht's aus Joe joe?"

Bei meinem dämlichen Spitznamen verdrehe ich wieder die Augen, diesmal nicht weil ich genervt bin, sondern um mir Zeit zum nachdenken zu verschaffen. Ich hatte eigentlich nicht vor eine Party zu feiern oder sonst was besonderes zu unternehmen. Schließlich habe ich nur Geburtstag, und das jedes Jahr einmal. Also, wozu der Aufwand?

Außerdem ist mein Geburtstag gleichzeitig der schlimmste Tag im Leben meiner Mutter. Das ist der Tag an dem sie mich gebären musste, wo sie vor Schmerz schrie, nur um dann mich zu kriegen, die Enttäuschung ihres Lebens.

"Liam, ich hatte nicht vor was besonderes zu machen",

flüstere ich leise, und werfe dabei einen prüfenden Blick Richtung des Lehrers, der zum Glück zu sehr in seine Rechnung vertieft ist um uns zu bemerken.

"Ich weiß. Aber ich weiß auch, das man nur einmal 16 wird und du kannst deinen Geburtstag doch nicht einfach leben wie jeden anderen Tag auch, oder?"

"Kann ich nicht?"

Liam schüttelt neben mir entschieden den Kopf. Ich seufze, weil ich schon weiß was mich jetzt erwartet. Wahrscheinlich hätte ich mit allem gerechnet, nur nicht mit dem, was er als nächstes sagt.

"Wie wärs wenn du zu mir kommst?",

schlägt mein bester Freund gutgelaunt vor, während ich beinahe vor Schreck vom Stuhl gefallen wäre.

Ich? Zu ihm nachhause? Ich kenne Liam jetzt schon seit etlichen Jahren, aber noch nie in meinem ganzen Leben hatte er mich zu sich eingeladen.

Der Gedanke erschreckt mich selbst, denn wenn ich ehrlich drüber nachdenke weiß ich nichts aus seinem Leben. Und das ist gruselig.

"O...okay",

erwiedere ich schließlich leise und drehe meinen Kopf wieder Richtung Tafel um meine Gedanken zu ordnen.

"Alles okay?",

ertönt seine Stimme wenig später neben mir und ich fühle seinen Blick auf meinem Gesicht.

"Ja. Ich wundere mich nur über deinen Vorschlag."

"Wundern? Wieso? Was ist daran komisch?"

Liam's Blick durchbohrt mich und plötzlich habe ich das Gefühl er schaut mir direkt in meine leere Seele.

Er scheint mir auf einmal so fremd, wie er das sitzt und mich fragend anblickt. Kenne ich diesen Menschen überhaupt?

Natürlich, tust du das, beruhigt mich eine kleine Stimme in meinem Kopf flüsternd. Du kennst ihn schon dein ganzes Leben, er wird wohl kaum ein Serienmörder sein.

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