„Streich das Event aus meinem Terminkalender", weist er mich herrisch an und wirft den Planer achtlos über seine Schulter. Gerade so fange ich das schwarze Buch noch auf, bevor es auf dem Boden aufkommt.
All meine harte Arbeit steckt in diesem Terminkalender.
Jede einzelne Seite ist akribisch beschriftet und voll mit Notizzetteln. Wenn auch nur eine winzige Kleinigkeit durcheinander kommt würde ich den Überblick verlieren, was ihm nur noch weitere Gründe geben würde mich anzubrüllen. Nicht, dass er das nicht auch so schon tun würde. „Aber Mister Taden, es hat mich über eine Woche gekostet sie da rein zu bringen. Außerdem haben sie mich doch mit Nachdruck darauf angesetzt?!", entkommt es mir verwirrt, während ich noch immer auf dem Boden kniee. Er fährt sich gemächlich durch die grau gefärbten Strähnen und den frisch geschnittenen Undercut, ehe er sich schwungvoll umdreht.
„Ich sagte..streich den Termin. Hast du etwa was an den Ohren?", zischt er wütend und beugt sich dabei bedrohlich zu mir herab.
„N-Nein..Sir..", stammle ich kleinlaut und rapple mich hastig auf.
„Gott..du bist so nutzlos. Wenn ich könnte würde ich dich auf der Stelle entlassen", fügt er seufzend hinzu und fasst sich an die Nasenwurzel.
„Ich streiche den Termin, Sir. Ihre nächste Veranstaltung würde gegen 17 Uhr beginnen. Um sie noch rechtzeitig in die Maske zu bringen und ihre Garderobe anzulegen sollten sie-", fahre ich ohne auf seine Beleidigung einzugehen fort, woraufhin er mich unterbricht.
„Ich sagte doch, streich die Termine", grätscht er dazwischen, was mich schockiert die Brauen heben lässt.
„Was denn, alle?", entkommt es mir perplex, woraufhin er einen Schluck aus seiner Teetasse nimmt.
„Bist du so schwer von Begriff oder tust du manchmal nur so?", kontert er und hebt eine Braue dabei.
„A-Aber Sir, ihr Vater-", versuche ich mein Glück ihn zu überreden, doch ich werde jäh unterbrochen, als er seine Tasse nach mir wirft. Mit einem lauten Knall prallt sie gegen die Wand des Büros, während der Rest des Tees langsam die Wand hinabläuft. Ängstlich halte ich den Planer vor mein Gesicht und starre ihm mit zitternden Händen ins Gesicht.
„Du bist meine Managerin. Nicht mehr und nicht weniger. Du bist dazu da meine Anweisungen zu befolgen. Was mein Vater sagt oder denkt hat für dich keine Belange", knurrt er bedrohlich und läuft dabei langsam auf mich zu. Direkt vor meinen Füßen bleibt er stehen und faltet die Hände hinter seinem Rücken.
„Sag, wie lange arbeitest du nun schon für mich?", fragt er säuselnd und hat mich dabei fest im Blick.
„Seit drei Jahren, Sir", fiepe ich mehr als eingeschüchtert und ziehe den Terminplaner weiter über meine Nase.
„So lange schon?", entkommt es ihm überrascht, ehe er seinen Blick zur Seite wandern lässt. „Kam mir viel länger vor", fügt er murmelnd hinzu und macht auf dem Absatz kehrt.
„Du bist nicht erst seit gestern hier. Du solltest doch allmählich wissen, wie die Dinge hier laufen", richtet er sein Wort erneut an mich und vollführt eine ausladende Handbewegung. „Wieso also muss ich dir nach drei Jahren noch immer jede Kleinigkeit erklären, Mira?", fügt er hinzu und straft mich mit einem eisigen Blick, während er seine Hand zur Faust ballt. „Ich-Ich heiße Misa, Sir..", stammle ich und hebe dabei zaghaft einen Finger in die Höhe.
„Mir doch egal! Von mir aus könntest du auch Dummkopf heißen, was meiner Meinung nach passender wäre", brüllt er mir entgegen, weshalb ich mich erneut hinter dem Planer verstecke. „Und nun mach dich wieder an die Arbeit. Dafür bezahle ich dir schließlich dein übertrieben hohes Gehalt. Die Fanpost bearbeitet sich immerhin nicht von selbst", herrscht er und setzt sich auf seinen Schreibtischstuhl. „Oh und bevor du gehst..", fügt er hinzu und deutet auf die zerbrochene Tasse hinter mir.
„Mach das sauber. Ich will keinen einzigen Fleck an der Wand sehen, Marta", fährt er fort und widmet sich seinen Skripten. Seufzend lasse ich den Planer sinken und setze mein gespieltes Lächeln auf.
„Natürlich, Mister Taden", entgegne ich und mache mich auf den Weg in die Teeküche, um ein Geschirrtuch, den Handfeger sowie den Mülleimer zu holen.
Wie gern würde ich meine Kündigung einreichen.
Wie gern würde ich sie Mister Taden persönlich um die Ohren knallen.
Jede Faser meines Körpers wünscht sich nichts sehnlicher, als dieses Büro, diese Visage und diesen Namen nie wieder sehen oder hören zu müssen. Leider ist dieser Tag noch in weiter Ferne. Leider bin ich auf dieses „übertrieben hohe Gehalt" dieses Mistkerls angewiesen. Das Leben in der Großstadt ist unfassbar teuer. Allein meine Miete frisst beinahe mein gesamtes Gehalt. Ich hätte auf meine Mutter hören sollen, etwas anständiges lernen sollen. All mein Erspartes habe ich in die Ausbildung zur Managerin bekannter Persönlichkeiten gesteckt. Ich hatte wirklich die Hoffnung ein großartiges Leben zu führen. Die Hoffnung großartige Dinge zu erleben. Die schimmernde Glitzerwelt der Prominenz hautnah miterleben zu dürfen. Meinen Klienten eine echte Stütze zu sein und ihnen durch ihren stressigen Alltag verhelfen zu können. Dass ich Aris Taden zugeteilt wurde, war zunächst wie ein wahrgewordener Traum für mich gewesen. Vor drei Jahren stand er gerade auf dem Sprungbrett, hinauf in höhere Sphären der Glamourwelt. Ich freute mich unheimlich darauf ihn kennenzulernen. In all seinen Interviews und behind the Scenes Takes wirkte er so sympathisch und nett. Meine Recherche ergab nur positives, weshalb ich den Job auch freudestrahlend annahm. Mein damaliger Ausbilder hatte ihn mir besorgt. Er kennt Aris Vater und er hörte, dass er händeringend nach einem neuen Manger suchte. Sofort fiel mein Name und so führte eines zum anderen. Ich kam damals natürlich nicht auf die Idee seinen ehemaligen Manager zu fragen, weshalb er denn aufgehört hatte und den Klienten wechselte. Hätte ich das nur lieber mal gemacht.
So einiges wäre mir erspart geblieben. Nicht nur das, ich hätte auch bemerkt, dass ein regelrecht fliegender Wechsel bei seinen Managern stattfand. Aus heutiger Sicht betrachtet ist das kein Wunder.
Aris Taden ist ein psychopathischer Sadist, wie er im Buche steht. Nichts bereitet ihm mehr Freude, als einem das Leben schwer zu machen. Seit ich für ihn arbeite habe ich praktisch kein Privatleben mehr. Oftmals schlafe ich sogar in meinem Büro nur um mit der Arbeit fertig zu werden. Ich verwalte all seine social Media Seiten, kümmere mich um seine Termine, bestelle Kosmetiker, suche seine Outfits zusammen, ziehe neue Rollen an Land, verwalte sein Vermögen, arbeite seine Fanpost ab und halte sein Büro sowie sein Penthouse Apartment sauber.
Meine Freunde habe ich schon seit Jahren nicht mehr zu Gesicht bekommen. Auch meine Eltern beklagen sich immer häufiger darüber, dass ich sie nicht mehr besuchen kommen würde. Aris lehnt jeden meiner Anträge auf Urlaub ab. Dabei brüllt er mir oft entgegen, was mir einfallen würde.
Er habe schließlich auch keinen Urlaub.
Nicht einmal zur Beerdigung meiner Tante hat er mich gehen lassen, da wurde mir klar, dass er keinen Funken Menschlichkeit besitzt. Und für diese Ausgeburt der Hölle rackere ich mich nun schon seit etwas mehr als drei Jahren ab. Nach außen hin gibt er sich immer sehr charmant und höflich. Es kommt mir vor, als würde er zwei Persönlichkeiten besitzen. Mir jedoch zeigt er immer nur seine dämonische Seite. Anfangs dachte ich er habe zwei Gesichter, doch mittlerweile bin ich fest davon überzeugt, dass er wirklich so verdorben ist. Nur für seine Fans und Produzenten setzt er seine freundliche Maske auf.
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Die Vergangenheit durchleben für ne Zukunft nur mit dir
Teen FictionEin Moment der Unachtsamkeit reicht aus, um das Leben vollständig auf den Kopf zu stellen. Ein Augenblick. Ein Seitenblick. Ein Wimpernschlag. Die brünette Managerin fragt sich, ob alles wohl anders gekommen wäre, wenn sie an jenem Nachmittag eine...