- Kapitel 8 -

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Die Monate zogen ins Land und selbst wenn sich die Jahreszeiten, Landschaften, das Personal und die Umstände änderten blieb Aris Tadens Zustand unverändert. Auch nach mehreren vielversprechenden Behandlungen erwachte er nicht aus seinem Schlaf. Seinem Vater brach es das Herz immer wieder zu hoffen, nur um schließlich doch enttäuscht an seinem Krankenbett zu verweilen. Mit der Zeit verschlechterte sich auch sein Zustand. Die Ärzte schoben es auf sein beträchtliches Alter, andere wiederum meinten es sei sein Schmerz, der ihn schließlich vor wenigen Monaten das Leben kostete. Noch vor seinem Ableben hatte er sein gesamtes Vermögen auf ein einziges Konto transferiert und eine Lastschrift eingerichtet, die das Krankenhaus dazu ermächtigen sollte, jede erdenkliche Summe zur Bezahlung zukünftiger Behandlungen abzubuchen. Aris Vater wollte unter allen Umständen sicherstellen, dass seinem Sohn jede erdenkliche Hilfe zuteilwerden kann. Noch vor Abschluss des Lastschriftverfahrens allerdings, bereicherte sich seine damalige Lebenspartnerin heimlich an seinem Vermögen. Ohne Mister Taden Seniors Wissen ließ sie eine enorme Summe auf ihr eigenes Konto fließen, und hinterließ Aris lediglich läppische 5000$. Am darauffolgenden Tag verstarb Mister Taden Senior, in dem Glauben er habe die Zukunft seines Sohns gesichert.

Misa, die sich auf Bitten Mister Taden Seniors um die Finanzen und Verwaltung des Vermögens kümmerte fiel aus allen Wolken, als sie den Kontostand erblickte. All die Zeit über hatte sie sich aufgrund ihrer Schuldgefühle um Aris und seinen Vater gekümmert. Hat sich mit Banken und Behörden herumgeschlagen. Alles in die Wege geleitet, sich um die Beerdigung bemüht und jeden einzelnen Tag an Aris Seite verbracht. Die Anwaltskanzlei, die sie beauftragte, um das Geld zurückzuholen verlor den Prozess und ließ sie auf den Gerichtskosten sitzen. Sie verlor ihre Wohnung, gab ihren Beruf als Managerin berühmter Persönlichkeiten auf und widmete jede einzelne Sekunde und jeden einzelnen Penny, den sie verdiente, Aris und seiner Behandlung.

„Misa, wach auf. Du musst zur Arbeit", weckt Renee sie sachte und rüttelt sanft an ihren Schultern. Ruckartig schreckt die Brünette hoch und sieht sich verängstigt um.
„Guten Morgen, Renee..Danke fürs Wecken", murmelt sie mit kratziger Stimme und wischt sich den Schlaf aus den Augen, während sie sich allmählich vom Stuhl aufrappelt. Wieder einmal ist sie am Vorabend im Sitzen eingeschlafen, während sie Aris leisen Atemzügen lauschte. „Gern, und nun beeil dich, sonst kommst du noch zu spät", entgegnet sie und legt ihr ihre frisch gewaschenen Arbeitsklamotten aufs Patientenbett.
„Du hast sie gewaschen? Vielen Dank!", mein Misa mit strahlenden Augen.
„Klar doch, aber behalte das für dich, ja?", zwinkert die schwarzhaarige Krankenschwester und überprüft die Werte an Aris Monitor, während Misa hastig in ihre Arbeitskleidung schlüpft.
„Und wie sieht es aus?", erkundigt sich die Brünette und sieht ihr hoffnungsvoll entgegen. „Unverändert", seufzt Renee, woraufhin Misa ernüchtert den Blick senkt.
„Das ist schon in Ordnung..nein wirklich..er wird aufwachen. Wenn nicht heute, dann morgen. Ganz sicher", redet sie sich ins Gewissen, während Renee ihr Klemmbrett fester umgreift. „Misa..", haucht die Schwarzhaarige und sieht ihr mitleidig entgegen.
„Alles gut, Renee. Ich muss jetzt zur Arbeit. Wir sehen uns dann später, ja? Und pass mir gut auf Aris auf!", haspelt sie und eilt aus dem Krankenzimmer. Seufzend lässt Renee das Klemmbrett sinken und schüttelt den Kopf, ehe sie ihren Blick auf den noch immer schlafenden Aris legt.

Misa hastet durch die dunklen Straßen und wirft immer wieder einen Blick auf die Uhr. Ihr Tag beginnt in aller Frühe mit ihrem ersten Job in der Färberei. Ein Knochenjob, doch er bringt gutes Geld aufgrund der Gefahrenzulage sowie der Schichtzulagen. Noch bevor der erste Sonnenstrahl des Tages durch die Wolkendecke bricht, steht die Brünette bereits über den säurehaltigen Chemikalien, die den Brillengläsern ihre jeweiligen Farben verleihen. Hochkonzentriert lässt sie die Chargen in die Flüssigkeit sinken und ignoriert dabei den stechenden Schmerz auf ihren Händen. Durch die Dämpfe der erhitzten Flüssigkeiten und den kleinen Tröpfchen, die auf ihre Finger spritzen hat sich ein regelrecht rot leuchtender Ausschlag gebildet. In den kleinen Pausenintervallen kratzt sie sich beinahe die oberste Hautschicht ab und versteckt ihre blutigen Hände in Latexhandschuhen, die ihre Haut nur noch weiter aufweichen. Gegen Mittag endet das erste Drittel ihres Arbeitstages mit der Verabschiedung ihrer Kollegen. Erschöpft trottet sie zum Supermarkt um die Ecke, um ihren Teilzeitjob anzutreten. Vier Stunden verbringt sie damit die Regale aufzufüllen, Waren zu Etikettieren und schließlich das Lager aufzuräumen. Auch wenn ihr die Teilzeitstelle nicht viel Geld einbringt, so würde sie es ohne sie nicht über die Runden schaffen. Sie hängt ihren Kittel an den Haken in der Garderobe und rennt zum Hinterausgang hinaus. Sie hat nur noch wenige Minuten, bis sie im Diner sein muss. Ihr letzter Job für den Tag.
„Hi Rossi, tut mir leid ich hab es nicht rechtzeitig aus dem Laden geschafft. Hat der Chef was bemerkt?", erkundigt sie sich und schnürt sich die schwarze Kellner schürze um die Hüften. Sie bindet sich ihre Haare zusammen und streift die weißen Stoffhandschuhe über.
„Harter Tag? Keine Sorge, der Chef hat nichts gesehen", beruhigt ihr Kollege sie lächelnd, woraufhin sie auch schon in den Innenbereich des Diners eilt.
„Hi, Willkommen im Sam's, was darfs denn sein?", bedient sie die Kundschaft und notiert sich die ersten Bestellwünsche.

„Das war's für heute! Gute Arbeit Leute", lobt der Chef sie und entlässt die Belegschaft somit in den wohlverdienten Feierabend. Misa hingegen kommt sich vor, wie auf einem anderen Planeten. Der Schlafmangel und die Knochenarbeit hinterlassen deutliche Spuren bei ihr, weshalb auch Rossi sie mitleidig mustert.
„Hier, die soll ich dir von meiner Mutter geben", meint er auf dem Weg nach draußen und hält ihr eine durchsichtige Dose hin.
„Was ist das?", fragt sie verwundert.
„Eine Salbe für deine Hände. Sie hat früher viel mit Pestiziden zu tun gehabt, als sie noch in der Gärtnerei tätig war. Sie schwört darauf", erklärt er und deutet auf die roten Flecken auf ihrem Handrücken. Peinlich berührt zieht sie die Ärmel ihre Jacke tiefer und bedankt sich verlegen.

Völlig erschöpft taumelt sie aus dem Aufzug im Krankenhaus und schleift sich müde ins siebte Zimmer auf der rechten Seite des vierten Stockwerks. Leise öffnet sie die Tür und tapst im Dunkeln zur Fensterfront. Fast schon mechanisch kippt sie zwei Fenster, zieht die Vorhänge zu, wirft ihren Rucksack unter den kleinen Tisch an der Wand und lässt sich seufzend auf den Stuhl neben Aris Bett fallen. Stumm starrt sie auf den schlafenden Schauspieler und hat Schwierigkeiten dabei ihre Augen offen zu halten. Sie schielt hinauf zur Wanduhr und reibt sich träge über ihr Gesicht. In weniger als fünf Stunden muss sie bereits wieder in die Färberei. Es ist nicht so, dass sie harte Arbeit nicht gewöhnt sei. Schließlich hatte Aris ihr über drei Jahre lang das Leben zur Hölle gemacht. Auch da hatte sie kaum geschlafen, die Nächte durchgemacht und wenn es hochkam gerade so drei Stunden schlafen können wenn er mit einer seiner Dreharbeiten oder mit Werbeshootings beschäftigt war. Das hier jedoch ist anders. All die Jahre über hatte sie sich gewünscht seine Stimme nie wieder hören zu müssen und nun betet sie beinahe jeden Tag dafür, dass er seine Augen öffnet.

Etwa drei Stunden später, als Misa bereits in einen leichten Schlaf gedriftet ist, beginnt Renees zweite Schicht. Die Schwarzhaarige bindet sich verschlafen die Haare aus dem Gesicht und fängt damit an ihre Runden zu drehen. Im Zimmer 407 bemüht sie sich besonders leise zu sein, um Misa nicht unnötig früh zu wecken. Auf leisen Sohlen schlüpft sie durch den Türspalt hinein und sammelt die dreckigen Arbeitsklamotten ein. Kopfschüttelnd seufzt sie leise und nähert sich der Brünetten vorsichtig. Diese zuckt nervös mit den Augenlidern. Auch ihre Muskulatur scheint angespannt. Renee verzieht mitleidig ihr Gesicht und streicht ihr sachte über den Rücken. Nicht schon wieder ein Albtraum, denkt sie sich und schließt die Augen für einen kurzen Augenblick. Im nächsten Moment schreckt die Brünette schweißgebadet hoch und versucht sich panisch zu orientieren.
„Misa, hey..ganz ruhig", flüstert sie beruhigend und beugt sich zu ihr herab.
„Renee?..ist es schon wieder soweit? Wie viel Zeit hab ich noch?", murmelt sie geistesabwesend. „Nein, nein..du hast noch zwei Stunden", beruhigt sie die Brünette, woraufhin diese erleichtert ausatmet. Ein kräftiger Windzug weht durch das Zimmer und vergrößert den Türspalt. Der Lichtkegel trifft auf Misas Hände, weshalb Renee scharf die Luft einzieht. Hastig kniet sie sich neben sie und umgreift vorsichtig ihre Hände.
„Misa..das sieht ja immer schlimmer aus!", meint sie und sieht ihr ernsthaft besorgt entgegen.
„Ach das? Schon gut, das verheilt schon wieder. Rossi hat mir da was besorgt", tut Misa es ab und deutet verschlafen auf ihren Rucksack.
„Seine Mutter hat in der Gärtnerei oft mit Pestiziden gearbeitet und meinte, das wird mir sicherlich helfen", erklärt sie und erntet ergebenes Kopfschütteln seitens Renee.
„Du musst dir endlich einen anderen Job suchen! So geht das nicht weiter. Das Ekzem hat sich bereits bis zu deinen Handgelenken ausgebreitet. Du scheinst allergisch gegen Ammoniak zu sein, das darfst du nicht so auf die leichte Schulter nehmen", tadelt sie energisch und zwingt sie dabei ihr in die Augen zu sehen.
„Was soll ich denn machen? Die Bezahlung ist unschlagbar. Ich decke fast 80 Prozent der Krankenhausrechnungen mit dem Gehalt aus der Färberei", kontert sie erschöpft und wirft Aris einen Blick zu.
„Hör mal..ich verstehe ja, dass du das Gefühl hast du müsstest dich um ihn kümmern, doch..", versucht sie es auf die einfühlsame Art, wird allerdings von Misa unterbrochen.
„Ich muss es tun. Er hat doch niemanden mehr..Außerdem..hast du vergessen, durch wen er hier liegt?", grätscht sie dazwischen und entlockt Renee dadurch ein verzweifeltes Augenrollen.
„Misa, wir kennen uns jetzt schon wie lange? Seit dem ersten Tag, an dem du völlig aufgebracht und zerstreut durch die Türen der Notaufnahme getaumelt bist sage ich dir schon, dass das nicht deine Schuld ist. Es war ein Unfall", redet die Schwarzhaarige ihr ins Gewissen und legt die Arbeitskleidung kurz beiseite. „Nach all dem, was du mir über deine Zeit als seine Managerin erzählt hast, verstehe ich dein Engagement einfach nicht. Du hast mehr als genug für ihn getan, denkst du nicht auch?", kontert Renee und redet gegen eine Wand.
„Ja..ich hasse ihn..ich hasse ihn mit jeder Faser meines Körpers, doch..", seufzt Misa und sieht auf Aris schwach beleuchtetes Gesicht. „Mehr als ein Jahr schon..Er hat über ein Jahr seines Lebens verloren. Auch wenn er ein arroganter Mistkerl ist, das hat er nicht verdient", fährt sie fort und streckt zaghaft ihre Hand aus, zieht sie jedoch kurz bevor sie seine Haut berührt zurück. „Und was ist mit dir? Auch du hast über ein Jahr deines Lebens verloren. Du lebst doch nur noch für ihn. Tag ein Tag aus schuftest du dich zu Tode, erträgst Schmerzen und giftige Gase, lässt dich von anderen herumschubsen, nur um seine Krankenhausrechnungen zu bezahlen", wirft sie ihr verständnislos entgegen.
„Ich brauche eben das Geld!", kontert die Brünette und springt aufgebracht vom Stuhl. „Dieser Kerl hat ein Vermögen auf seinem Bankkonto, auf welches du sogar Zugriff hast, dich allerdings weigerst es zu verwenden!", seufzt Renee energisch und massiert sich die Nasenwurzel.
„Er wird mich eigenhändig umbringen wenn er aufwacht und kein einziger Dollar mehr auf seinem Konto ist, Renee. Glaub mir selbst wenn ich ihm seinen Hintern damit vergolden würde, mit der Begründung der Nachwelt ein Andenken von ihm zu hinterlassen, würde er mir dennoch nur die Schuld an seinem Bankrott vorhalten", führt Misa auf und erntet ein belustigtes Grinsen seitens der Krankenschwester, die all ihre Kraft aufbringt, um ihre ernste Miene aufrecht zu erhalten.
„Du bist echt unmöglich", gluckst sie und wedelt mit der Hand vor sich umher.
„Schön, dass du darüber lachen kannst", kontert Misa mit ausladender Handbewegung.
„Aber jetzt mal im Ernst..so kann das nicht weitergehen. Die Behandlungen werden im kommenden Jahr immer teurer und auch die Preise für das Zimmer sowie die Chefarztbehandlung werden steigen. Du schaffst es ja jetzt schon nur gerade so die Rechnungen zu decken. Ich meine..sieh dich doch mal um..du wohnst sozusagen hier in diesem Zimmer seit du deine Wohnung aufgegeben hast, um die Gerichtskosten zurückzuzahlen. Du hast ja kaum Geld, um dir irgendetwas für dich leisten zu können. Ernährst dich von den Resten aus dem Diner oder den abgelaufenen Konservendosen aus dem Supermarkt. Du hast keinen Tag in der Woche frei und selbst wenn du mal ein paar Stunden Zeit für dich hättest, verbringst du sie damit Mister Tadens Bartstoppeln zu rasieren und ihm die Füße zu massieren", konfrontiert Renee die Brünette mit den Tatsachen, woraufhin diese ergeben zur Seite sieht und die Arme vor der Brust verschränkt.
„Es ist eben wichtig den Blutfluss in Schwung zu halten, das geht am besten durch massieren der Arme und Beine", rechtfertigt Misa sich, woraufhin Renee zischend aufstampft. „Ernsthaft? Du gehst nur auf diese dämliche Anmerkung ein und ignorierst alles andere, was ich sagte?", entkommt es der Schwarzhaarigen ungläubig. Misa hingegen steuert erneut den Stuhl an. Sie lässt sich seufzend fallen und vergräbt das Gesicht in den Händen.
„Dann schlag etwas vor..Gib mir eine Lösung. Glaub mir, wenn ich eine hätte würde ich nicht so weitermachen, wie jetzt", spricht sie niedergeschlagen ihre Gedanken aus. Renee will eben zu wiederworten ansetzen, als Misa ihr zuvorkommt.
„Eine Lösung, die Mister Tadens Bankkonto nicht beinhält", fügt sie hinzu und sieht Renee ergeben ausatmen.

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