- Kapitel 3 -

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Es sind einige Wochen ins Land gezogen seit der Spendengala und ich konnte eine heiß begehrte Rolle für Aris ergattern. Die geplante Serie zielt besonders auf Jugendliche ab, weshalb die Rolle wie gemacht für ihn zu sein scheint. Mit seinen 28 Jahren und seinem umwerfenden Äußeren wird er innerhalb weniger Folgen zum Liebling aller 12 bis 16 jährigen Mädchen werden. Außerdem ist seine Rolle überaus zwielichtig, was seinen wahren Charakter zumindest ansatzweise wiederspiegelt. Letzteres werde ich mir selbstverständlich verkneifen wenn ich ihm gleich das Angebot der Produzentenfirma unterbreite. Ich bleibe vor der Tür seines Büros stehen und atme noch einmal tief ein und aus, ehe ich anklopfe. Während ich auf Erlaubnis zum Eintreten warte, richte ich mir noch einmal die Haare und streiche meinen schwarzen Bleistiftrock zurecht.
„Herein", erklingt es dumpf von innen, woraufhin ich so selbstbewusst, wie möglich eintrete.
„Guten Tag Mister Taden, ich habe eine erfreuliche Nachricht für sie", grüße ich ihn, während er mir den Rücken zukehrt.
„Was willst du?", murmelt er und sieht dabei angestrengt nach unten.
„Ich..ich habe hier ein Rollenangebot für sie", entgegne ich gedankenverloren und beobachte ihn dabei, wie er fluchend die Enden seines Hemdes zur Seite wirft.
„Verdammt, dieses Hemd!", brüllt er und fährt sich verzweifelt durch die Haare, ehe er sich umdreht. „Nochmal, was willst du jetzt?", wiederholt er und steht mit offenem Hemd vor mir. Die schneeweiße Haut blitzt hervor genauso wie seine Bauchmuskulatur.
Hastig wende ich meinen Blick ab und halte das Schreiben der Produzentenfirma vor mich.
„Ich habe hier ein neues Rollenangebot einer Serie deren Dreh in einem Monat beginnt", erkläre ich und zwinge mich den Aktenschrank anzustarren. Ich höre seine herannahenden Schritte, ehe er mir den Zettel aus der Hand reißt. Ich fühle mich alles andere, als wohl. Aris ist unter normalen Umständen schon unerträglich, wer weiß auf welche Gedanken er kommt, wenn ich noch länger in seinem Büro bleibe während er mit offenem Hemd hier rumrennt.
„Sir, wenn sie erlauben..ich komme einfach zu einem späteren Zeitpunkt wieder. Mein Timing scheint denkbar ungünstig zu sein", starte ich den Versuch zu verschwinden, während er die Zeilen des Schreibens überfliegt.
„Pfft, dein Timing ist immer denkbar schlecht", murmelt er vertieft, während ich die Brauen zusammenschiebe. „Lass dir das Skript zusenden", meint er und drückt mir den Brief zurück in die Hände.
„Und-Und was sage ich den Produzenten? Sind sie an der Rolle interessiert?", hake ich nach und dackle ihm hinterher. Er hingegen schenkt sich ein Glas Wasser ein und nimmt einen Schluck. „Dummkopf. Wie kann ich das sagen ohne vorher das Skript gelesen zu haben", murrt er und schüttelt den Kopf. Wie bestellt und nicht abgeholt stehe ich an Ort und Stelle und versuche mir eine plausible Ausrede einfallen zu lassen, weshalb Mister Taden das Skript möchte ohne ausdrücklich zugestimmt zu haben, die Rolle anzunehmen. Aris hingegen wirft mir einen fragenden Blick zu und lässt das Glas sinken.
„Ist noch etwas oder willst du hier Wurzeln schlagen?", zischt er angesäuert und kommt dabei auf mich zu.
„Nein..ich meine ja..Die Veranstalter der Spendenaktion haben uns kontaktiert. Sie möchten wissen, wann sie ihre Spende überweisen möchten", bringe ich ängstlich hervor und starre ihm in die stahlgrauen Augen. Er lässt seinen Blick für einen Moment zur Seite gleiten, ehe er mich dreckig angrinst.
„Überweise ihnen dein Monatsgehalt. Das wird sicherlich ausreichen", meint er und entfernt sich schulterzuckend.
„Ich soll was?", entkommt es mir schockiert, woraufhin er mir einen fragenden Blick zuwirft. „Denkst du zwei wären angebrachter?", hakt er nach, während ich abwehrend die Hände vor mich halte.
„Sir..ich bitte sie..ich habe Ausgaben zu tilgen..ich kann doch nicht-", stammle ich unsicher, ehe er mich unterbricht. „
Entweder du überweist die Summe oder ich streiche dir die nächsten zwei Monatsgehälter. Du kannst es dir aussuchen", grätscht er dazwischen und sammelt seine Sportkleidung vom Boden auf.
„Aber Sir-", hauche ich verzweifelt.
„Bin ich nicht nett zu dir? Lasse dir sogar die Wahl und du gibst mir dennoch Widerworte?", entgegnet er scharf, woraufhin ich augenblicklich verstumme. Ich beobachte ihn noch eine Weile dabei, wie er versucht sein Hemd zuzuknöpfen. „Diese Löcher sind einfach zu klein für die Knöpfe!", zischt er und reißt sich das Hemd vom Leib. Er wirft es mir samt seiner Sportkleidung an den Kopf und setzt sich an den Schreibtisch. „Wasch die Sportsachen für mich und wirf das Hemd weg. Besorg mir ein Neues wenn du schon dabei bist", befiehlt er und winkt mich aus seinem Büro. Unbeholfen ziehe ich mir den Kleiderfetzen vom Gesicht und bin noch immer von seinem Aftershave eingehüllt. Seufzend lege ich den Terminplaner sowie die restlichen Sachen zur Seite und steuere direkt auf ihn zu. „Mister Taden, ich muss meine Miete für diesen Monat bezahlen. Mein Vermieter wird mich andernfalls aus der Wohnung werfen", versuche ich zu retten, was zu retten ist und werfe ihm das weiße Hemd um die Schultern. Ich zwinge seine Arme durch die Ärmel und schiebe ihn auf seinem rollenden Schreibtischstuhl nach hinten und kniee mich vor ihn.
„Meine Rücklagen, um solch ein hohes Mietdefizit decken zu können sind nicht hoch genug", fahre ich fort und knöpfe das Hemd von unten nach oben hin zu. „Ich bitte sie..zahlen sie die Summe der Spende, die sie angekündigt haben", füge ich hinzu und sehe ihm flehend entgegen. Er hingegen beäugt mich skeptisch und wirft anschließend einen Blick auf die Knopfleiste des Hemdes.
„Raus hier", zischt er und klemmt sich wieder hinter seinen Schreibtisch. Ich möchte eben Luft holen, um meine Bitte zu unterstreichen, doch er kommt mir zuvor.
„Sofort", fügt er drängend hinzu, woraufhin ich seufzend aus dem Büro stürme.
Unfassbar! Wie kann er mir das antun?!
Ganz besonders jetzt, da er weiß, dass ich auf der Straße landen werde!

Ich lasse mich ergeben auf meinem Bürostuhl nieder und öffne meine Banking App. Ohne zu zögern überweise ich die zwei Monatsgehälter auf das Konto der Spendenveranstalter und starre auf das große Minus neben meinem Kontostand. Seufzend lege ich meinen Kopf in den Nacken und gehe bereits mögliche Nebenjobs durch, die ich annehmen werden muss, um das Geld wieder reinzuholen.
Was habe ich nur falsch gemacht?
Habe ich mich nicht immer um alles gekümmert? Habe ich ihm nicht immer jede Last von den Schultern genommen?
Ich habe mir alles aufgebürdet, um ihn zu entlasten und dennoch verhält er sich wie ein kaltblütiges Arschloch! Ich sollte mich wirklich nach einem anderen Job umsehen, doch..die Bezahlung hier ist wahrlich unschlagbar. Außerdem müsste ich in diesem Fall meine Niederlage eingestehen. Ich kann mir den Ausdruck auf Moms Gesicht schon bildlich vorstellen. Immer schon hatte sie meine Schwester bevorzugt. Ihr alles ermöglicht und sie finanziell unterstützt, als sie die Ausbildung zur Wirtschaftsprüferin begonnen hat.
„Das ist ein Job mit Zukunft", waren ihre Worte. Ich konnte mir allerdings nicht vorstellen in solch einem langweiligen Beruf zu arbeiten. Um ehrlich zu sein kann ich das auch jetzt noch nicht. Andererseits wäre mir momentan wohl jeder Job lieber, als dieser hier.
Wenn ich jetzt kündigen würde, was hätte ich dann erreicht?
Wofür die Tortur der letzten Jahre?
Ich suche schon seit Monaten nach einem anderen Klienten, doch jeder nennenswerte Schauspieler, Sänger oder Synchronsprecher hat bereits ein Top Management. Egal wie ich es drehe und wende..ich werde wohl für den Rest meines Lebens an Aris Seite festsitzen.

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