Kapitel 21: Die Katze in ihr

4 1 0
                                    

"Und? Wie geht's dir so?", fragte Cat irgendwann, um das peinliche Schweigen zu brechen.

"Blendend natürlich. Ich lebe in einer schönen, ruhigen Höhle im Wald. Und seit dem... na ja... seit wir zurück sind, gibt es auch viel weniger Konkurrenz um die Beute. Das ist doch was." Bildete Cat sich das ein, oder sah Rilliane gar nicht so glücklich aus, wie sie sagte? Wenn es jetzt weniger Neko an ihrem Wohnort gab, vielleicht war sie ja ein bisschen einsam?

Auf einem Waldrand blieb die Getigerte plötzlich stehen. "Witterst du schon etwas?" Die Jüngere sog konzentriert die Luft ein. Sie roch Gras und natürlich Rilliane, aber keine anderen Tiere, also schüttelte sie den Kopf. Die Ältere verdrehte die Augen. "Meine Güte... Da hinten sitzt ein Spatz und pickt nach Würmern. Wie kann man das nicht wittern? Sieh zu und lerne.", flüsterte sie. Dann begann sie sich geduckt anzuschleichen. Ihre Pfoten bewegten sich lautlos über den Waldboden. Die schwarze Katze duckte sich ebenfalls, aber stieß dabei ausversehen einen kleinen Kiesel weg. Der Vogel hörte ihn natürlich rollen, bemerkte so die Bedrohung und flatterte flugs davon. Rilliane seufzte genervt."Toll gemacht. Wirklich toll." Cat senkte den Kopf und fühlte sich schuldig, obwohl sie ja eigentlich gar nicht jagen wollte.

"T-tut mir leid, es war keine Absicht...", brachte sie zerknirscht hervor. In ihrem Hals bildete sich ein riesiger Kloß und sie bemühte sich, den Anflug von Tränen zurückzuhalten und sich nichts anmerken zu lassen.

"Wir üben erstmal das Anschleichen.", bestimmte die Tigerkatze. "Also, ducken, Schweif runter, Pfoten langsam vorwärts schieben." Wortlos tat Cat wie geheißen. "Nein, tiefer. Langsamer. Ich kann dich noch hören!", kritisierte Rilliane. Ihre Schülerin gab ihr Bestes, aber nie war es gut genug. Ständig regte sich die Ältere darüber auf, was alles falsch war. Irgendwann verlor Cat in dieser ungewohnten Position das Gleichgewicht und plumste auf den Boden.

"Großartig, jetzt hast du vermutlich sämtliche Beute des Waldes verscheucht, du Trampel!", fauchte Rilliane und schlug wütend mit dem Schweif.

Jetzt reichte es. Nun riss bei der schwarzen Katze endgültig der Geduldsfaden und sie fing an zu schreien: "Du kannst doch nicht erwarten, dass ich etwas gleich perfekt kann, das ich noch nie zuvor gemacht habe! Und überhaupt will ich gar nicht jagen, hör auf mich zu zwingen!" Es folgte eine unangenehme Stille und ein schockierter Blick von Rilliane. Wahrscheinlich hatte sie nicht erwartet, dass das Mädchen kontern würde. Auch Cat war überrascht von sich selbst. War sie zu harsch gewesen?

Die Tigerkatze atmete einmal tief durch und sagte dann in einer erstaunlich ruhigen Stimmlage: "Schrei nicht so rum, ich bin ja nicht taub. Du bist doch eine Sailorkriegerin, oder nicht?" Sie sah der Jüngeren fest in die Augen.

"J-ja, schon...", wisperte Cat kaum hörbar und wich dem Blick aus. Nun wurden ihre Augen doch feucht.

"Ob es uns gefällt oder nicht, du repräsentierst die Neko. Wie willst du das tun, wenn du den katzenartigen Teil von dir meidest?" 

Überrascht sah die Senshi auf. "A-aber ich bin gerne eine Katze!", protestierte sie.

Rilliane blickte sie kritisch an, als würde sie ihr nicht komplett glauben. Dann seufzte sie. "Von mir aus musst du ja nicht jagen. Aber ich möchte, dass du die Katze in dir spürst und vollständig akzeptierst."

"Und wie soll ich das machen?", fragte Cat etwas eingeschnappt. Was wollte die alte Dame denn jetzt von ihr?

"Schließe die Augen und lausche. Was hörst du? Was riechst du? Was fühlst du?" Die schwarze Katze gab seufzend nach und versuchte es. Erst kam es ihr albern vor, aber dann hörte sie den leichten Wind, der durch die Bäume striff. Vögel zwitscherten irgendwo weiter hinten im Wald. Unter ihren Füßen war weiches Moos. Es roch nach Tannengrün, Holz und Erde. Eine Fliege summte über ihren Köpfen vorbei und in der Ferne plätscherte eine kleine Quelle. Immer mehr nahm sie wahr und war überrascht von der Menge an Eindrücken, die sie sonst meistens unbewusst ausblendete.

Rilliane sprach langsam weiter: "Und jetzt spüre deinen Körper. Deine Ohren, dein Fell, deinen Schweif, deine Pfoten... aber auch deine Krallen." Cat wusste nicht so recht, wie sie sich damit fühlte und zuckte unruhig mit den Schnurrhaaren. "Du bist eine Katze. Nutze das zu deinem Vorteil! Es macht dich einzigartig unter den anderen Kriegerinnen."

Verdutzt blickte die Jüngere sie an. So ernst - und für ihre Verhältnisse freundlich - hatte Rilliane noch nie mit ihr gesprochen. "Wie meinst du das?"

"Denk doch mal nach! Du könntest deine Eigenschaften als Katze zu deinem Vorteil im Kampf nutzen! Du bist von Natur aus gut im Anschleichen, schnell, flexibel und hast scharfe Sinne. Auch, wenn du noch unerfahren bist, aber das lässt sich ja ändern." Die schwarze Katze war überrascht. Also war das der Grund für Rillianes ungefragte Lektion gewesen. Cat hatte immer gedacht, die Getigerte würde nicht viel von ihr halten. Vielleicht hatte sie ja Recht und diese Fähigkeiten wären tatsächlich hilfreich im Kampf. Sie dachte an das wieselartige Monster. Ihr Instinkt hatte ihr zwar dieses Schlamassel eingebrockt, aber nur durch ihre Wendigkeit als Katze hatten sie den Kampf letztendlich gewonnen.

"Soll ich... das Anschleichen vielleicht nochmal versuchen?"

"Sicher. Wenn du willst, bringe ich es dir bei. Wir müssen doch dafür sorgen, dass unser Volk angemessen repräsentiert wird." Die Tigerkatze zwinkerte.


Nachdem die Übung beendet war, gingen beide zusammen nach Felidae zurück. Es kam Cat immer noch surreal vor, dass Rilliane plötzlich so anders gewesen war - im positiven Sinne. Die Sailorkriegerin hatte nun doch einige Fortschritte gemacht, auch wenn es noch viel Verbesserungsbedarf gab. Rilliane wollte ihr zu einem anderen Zeitpunkt noch mehr beibringen.

"Sag mal... Wo ist denn eigentlich diese schwangere Katze?", fragte die alte Dame beiläufig, als sie am Stadtrand ankamen.

"Oh, meinst du Delilah? Sie wohnt da drüben." Ja richtig, Delilah. Cat hatte in letzter Zeit kaum mit ihr gesprochen. Daher entschied sie sich, ebenfalls einen kleinen Abstecher zu ihr zu machen.

In dem kleinen Holzhäuschen trafen sie jedoch zuerst gar nicht die zukünftige Mutter, sondern Mika. Cat nahm wieder ihre Menschenform an, während Rilliane natürlich eine Katze blieb.

"Oh, ihr sucht Delilah? Schön, dass ihr vorbeikommt! Sie liegt dahinten in ihrem Körbchen, aber pssst, sie schläft. Es könnte nämlich jeden Tag soweit sein. Mit der Geburt, wisst ihr? Geht ganz schön schnell, nicht wahr? Jedenfalls wollte Delilah die Kätzchen gern zuhause zur Welt bringen und ich bin hier, um sie zu unterstützen, falls sie etwas braucht." Dann beugte sie sich zu der Tigerkatze hinunter und strich ihr über das Fell. Rilliane gab ein empörtes Geräusch von sich und wich zurück. "Hi, Rilliane! Auch mal wieder im Lande, was? Was hat dich denn hierher verschlagen? Erzähl, wie geht's dir? Ist es schön in deiner Heimat? Oh, ich hab frische Katzenminze gepflückt, willst du welche? Oder isst du nur Fleisch?" Die alte Dame verdrehte die Augen und bereute es sichtlich, dieses Haus betreten zu haben.

"Ja, alles gut. Nein, ich verzichte auf die Minze. Und ich bin nur hier, um nach dem Rechten zu sehen.", antwortete Rilliane knapp und ging zu dem Körbchen, in dem die schlafende Siamkatze lag. Ihr Bauch war wirklich rund geworden. "Hm, es könnte wirklich bald soweit sein, das hab ich mir gedacht. Hast du schonmal Junge gehabt, Mika?"

Diese winkte lachend ab. "Oh nein, aber ich dachte mir, ich krieg das mit dem Helfen und so schon hin. Normalerweise macht das ja Delilah, so als Heilkundige. Aber diesmal ist sie ja selber dran, nicht wahr? Ich habe mich natürlich schon darüber eingelesen und-"

Rilliane unterbrach sie: "Dann hilft es nichts, ich werde hierbleiben und die Sache im Augen behalten. Sowas kann man doch keinem Laien überlassen." Die Sailorkriegerin musste sich ein Grinsen verkneifen. Die alte Katze hatte schon eine komische Art, ihre Hilfe anzubieten (oder eher aufzuzwingen).




Sailor Cat und die AnimamatesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt