Perfekt- eine Woodwalker FF

Kapitel 11

In den nächsten Sekunden passierten mehrere Dinge gleichzeitig.

Auf einmal war Saskia in ihrer Gestalt als Schlange und Ezos Biss ging ins Leere.
Plötzlich stand ein grauer Wolf neben Saskia und sie erkannte Mr Brighteneye, der laut knurrend Ezo anstarrte, der sich nach seinem Fehlschlag ein wenig zurückgezogen hatte.

Saskia wollte irgendetwas tun, schreien oder abhauen aber ihr Körper gehorchte ihr nach wie vor nicht, selbst in ihrer Schlangengestalt und so blieb sie wie angewurzelt am Boden.

Sina, bring Saskia hier weg und hol von Sherri ein paar Betäubungspfeile. Die Situation scheint zu eskalieren, beeil dich!, erklang die klare und gefasste Gedankenstimme ihre Lehrers in Saskias Kopf.

Aber-
Nichts „aber", Sina! Los, setz dich endlich in Bewegung!
In dem selben Moment griff Ezo erneut an, er schnellte nach vorne, gezielt und selbstsicher, und nur noch im allerletzten Moment konnte ihr Lehrer ausweichen und tänzelte zur Seite.

Saskia begann langsam Angst um ihn zu bekommen, auch wenn sie ihn nicht besonders mochte.
Ezo war ein Gegner, mit dem man sich besser nicht anlegte, das hatte selbst Saskia jetzt begriffen, auch wenn ihr Schlangenkörper noch nach wie vor in kompletter Starre war.

Sina eilte auf sie zu, schien aber nicht ganz in Ezos Nähe zu wagen.
Auch Mr Brighteneye bemerkte Sinas Angst und wie aus dem Nichts schleuderte er Saskias Körper mit einem klaren Tritt weg vom Kampfbereich und in Sinas Richtung.

Saskia schlug hart auf dem Boden auf und ihre Sicht vernebelte sich, während um sie herum auf einmal das Chaos ausbrach.

Sie spürte, wie ihr Bewusstsein versickerte, sie hörte nur noch sehr laute Schreie ihrer Mitschüler und spürte wie zwei warme Hände sie sanft aufhoben, ehe ihr schwarz vor Augen wurde.

꧁•⊹٭⊹•꧂

Ihre Mutter stand mit erhobenem Finger vor ihr.
„Schäm dich, Saskia, schäm dich! Wie kannst du es wagen, nicht den Ansprüchen deiner Familie zu entsprechen?"
Plötzlich erschienen mehrere Klone ihrer Mutter, die alle immer wieder und wieder das selbe sagten, wie in einem Chor: „Du bist eine Enttäuschung, Saskia!" und immer wieder hysterisch lachten. Doch dann tauchte eine Schlange auf, riesiger als jede andere die sie je gesehen hatte. Die Schlange kam und verschlang jeden einzelnen Klon ihrer Mutter, bis nur noch Saskia da war und die Schreie ihrer Mutter ihr in den Ohren gellten. Das Wesen schlängelte sich zu Saskia, riss das gewaltige Maul auf und -

Erschrocken erwachte Saskia von ihrem Alptraum.
„Willkommen zurück, Saskia."

Die Stimme ihrer Schulleiterin war ungewöhnlich streng und Saskia wandte ihren Kopf der Frau zu, die rechts von ihr saß.

Saskia fiel erst jetzt auf, dass sie sich in ihrer zweiten Gestalt befand.
Die Erinnerung an dass, was eben geschehen war holte sie ein und Tausende von Fragen lagen ihr auf der Zunge und dennoch war es nur eine, die sie jetzt stellte.

Was ist passiert?
Saskias Stimme zitterte und die wildesten Gefühle tobten in ihrem Inneren. Angst und Verzweiflung, Unwissenheit und Schuld. Wäre sie nicht so naiv gewesen, wäre das alles nicht geschehen. Ihre Schulleiterin seufzte laut auf und unterbrach Saskias Gedanken.

„Nachdem Mr Brighteneye dich vom Kampfplatz befördert hat, griff Ezo kurz darauf blitzschnell nochmal an."
Das Blut in Saskias Adern gefror zu Eis.

Ist ihm etwas passiert?, fragte sie schockiert.

„Ja, Saskia. Er wurde gebissen." Sie erstarrte. Obwohl sie ihren Lehrer kaum kannte, hatte er schon immer taff und stark auf sie gewirkt und der Gedanke, dass man so jemanden wie ihn so leicht außer Gefecht setzen konnte, machte ihr Angst.
Ganz viel Angst.

Eine unangenehme Stille herrschte zwischen ihnen und nur das leise Ticken der Uhr war zu hören.

Ist er...?, ihre Gedankenstimme brach.
Wenn Mr Brighteneye wegen ihr verstorben war, würde sie es sich niemals verzeihen.

„Nein. Ihm wurde das Gegengift zum Glück noch rechtzeitig verabreicht und er braucht erstmal Ruhe, aber die Ärzte sagen dass er wieder komplett auf die Beine kommt."

Die Erleichterung durchströmte Saskias ganzen Körper und es war als ob gleich mehrere Steine ihr vom Herzen fielen.
„Aber auch wenn das Ganze hier noch letzten Endes noch gerade mal gut gegangen ist, muss ich trotzdem deine Eltern über den Vorfall informieren und ich werde dich morgen, wenn du dich erholt hast, in mein Büro bitten. Wir müssen reden."

Auch wenn ihre Miene während des Gesprächs weicher geworden war, war immer noch diese Härte in den Augen ihrer Schulleiterin, die Situation war ja auch sehr ernst.
Und wenn Erwachsene die Worte ‚Wir müssen reden' aussprachen, ging es bei solchen Unterhaltungen dann meistens nicht darum wie man seinen nächsten Geburtstag verbringen will.

„Ruh dich jetzt aus, du hast glücklicherweise nur einige Prellungen und eine leichte Gehirnerschütterung davongetragen, morgen wirst du wieder in dein und Sinas Zimmer umsiedeln können.", fuhr Lissa Clearwater fort.

Saskia bemerkte die hellen Wände des Zimmers und erkannte die Krankenstation.

Wow, neuen Punkt auf meiner Checkliste abgehackt: Sich fast von einer Schlange töten lassen und innerhalb meiner ersten Woche in Krankenstation landen, dachte sie ironisch.

„Schön, dass du das Ganze noch mit Humor sehen kannst", sagte ihre Lehrerin und lächelte sie traurig an, ehe sie sich abwandte.

Halb im Türrahmen blieb sie allerdings noch stehen und rief ihr über die Schulter: „Achja, und falls du nicht vorhast, die ganze Nacht in deiner zweiten Gestalt zu verbringen, würde ich dir empfehlen dich zurückzuverwandeln."

Dann war sie weg. Saskia folgte ihrem Rat, ließ sich von Sherri Tabletten gegen die Kopfschmerzen geben und verkroch sich unter ihrer Bettdecke.

Sie ahnte, dass es eine sehr einsame Nacht werden würde.