Nach einer ausgiebigen Dusche schlüpfte ich in die Klamotten, die Sara mir rausgesucht hatte und saß danach auf meinem Bett, ohne etwas zu tun zu haben. Die Beine im Schneidersitz verschränkt trommelten meine Finger nervös auf meine Knie. Als ich auf meine Uhr schaute, waren keine fünf Minuten vergangen. Genervt stöhnte ich auf und streckte meine Beine aus. Dann zog ich eins wieder an. Ich legte mich auf den Rücken. Rollte mich auf den Bauch. Und dann, als ich mich wieder auf den Rücken drehen wollte, fiel ich vom Bett. Es rummste laut und ich fluchte. Mein Steißbein tat fürchterlich weh. ,,Fuck!" Sowas konnte auch nur mir passieren. Ich lehnte mich an den Bettkasten und ließ meinen Kopf nach hinten sinken. Auf einmal ging die Tür auf. Sarah streckte den Kopf durch die Tür. ,,Was war das denn?", fragte sie leicht besorgt. ,,Bin aus dem Bett gefallen", antwortete ich etwas peinlich berührt. Sarah lachte und verschwand wieder, bevor ich sie fragen konnte, was ich tun könnte, um mir die Zeit zu vertreiben. Also saß ich wieder allein herum. Und langweilte mich. Und meinen Gedanken gingen auf Wanderschaft.
Ein wunderschöner Frühsommertag. Der Himmel war leuchtend blau, die Sonne schien und zum ersten Mal im Jahr konnte ich kurze Hosen anziehen. Irgendwann im April hatte ich sie neu gekauft, mich aber noch nicht getraut, sie anzuziehen. Doch heute schien der ideale Tag zu sein, vor allem, da Niklas mir eine Überraschung versprochen hatte. Wir trafen uns wie immer bei ihm, ich war wie verlangt mit meinem Fahrrad gekommen. Es war nicht besonders neu, aber solange es fuhr... ,,Und jetzt?", fragte ich aufgeregt, nachdem wir eine Weile gefahren waren. ,,Wo geht's hin?" Niklas lachte nur. ,,Wie gesagt, das wird eine Überraschung", rief er mir zu und seine Augen blitzten vergnügt. Meine Haare wehten im Wind, die Sonne schien warm auf meine Haut und ich war glücklich. Die Räder knirschten auf dem Kies des Feldweges, der Rhein blitzte in der Sonne, die Vögel zwitscherten. Es war das Paradies. Irgendwann bog Niklas scharf ab rechts ab. Ich folgte ihm einen schmalen Pfad hinunter zu einer wunderschönen kleinen Bucht. Eigentlich war es nur eine Ausbeulung im Ufer, aber es gab einen Kiesstrand und das Wasser war klar und grünlich. Ich ließ mein Fahrrad fallen, zog meine Schuhe aus und rannte bis zu den Knien ins Wasser. Niklas folgte mir. Dankbar umarmte ich ihn. ,,Es ist wunderschön hier! Danke", rief ich und musste dann aus vollem Halse lachen. Einfach so. Dann kamen größere Wellen auf und ein riesiges Schiff fuhr vorbei. Ich winkte ihm zu. Irgendwann verließen wir das Wasser wieder und bauten das kleine, schlichte Picknick auf, das Niklas mitgebracht hatte. Es bestand aus ein paar Brötchen, echten Frankfurtern und Cola. Aber das machte nichts, denn diese Bucht machte aus allem etwas Besonderes.
Ein regnerischer Nachmittag. Ich saß zusammen mit Niklas, seiner Schwester und ihrer Freundin in seinem Zimmer auf dem Boden und spielte Karten. Er hatte gegeben und seine Schwester schien zu gewinnen, so wie in den letzten beiden Runden. Sie beherrschte ihr Pokerface nicht wirklich, genauso wie ich. Der Einzige, dem man wirklich nichts anmerkte, war Niklas. Ich beobachtete ihn, wie er seinerseits den Zug seiner Schwester beobachtete. Dann hob er den Blick und ich verlor mich in seinen wunderschönen grauen Augen, genau wie beim ersten Mal, als ich ihn gesehen hatte. Plötzlich wurde ich in die Seite gestumpt. ,,Hallo!! Du bist dran!!!", erinnerte mich seine kleine Schwester unsanft an die Realität. ,,Ist ja gut! Bin schon dabei!", antwortete ich, legte meine Karten ab und gewann zum ersten Mal an diesem Nachmittag.
Meine Eltern waren mal wieder ausgeflogen und deshalb hatte ich Niklas eingeladen, mal zu mir zu kommen. Schließlich war er erst einmal da gewesen und das in einer eher beschissenen Situation. Ich zeigte ihm das ganze kalte Haus, das zwar imposant und von architektonischer Vollkommenheit war, aber kein Leben in sich hatte. An den Wänden hingen unglaublich teure und ebenso hässliche ,,Kunstwerke" und nirgendwo war ein Staubkorn zu entdecken. Der schönste Raum war die riesige Bibliothek, deren Inhalt im Kaufpreis enthalten gewesen war. Das war mein Lieblingsraum im ganzen Haus. Die vielen Bücher, teilweise schon uralt, strahlten eine Ruhe aus, die ich sonst nirgendwo finden konnte. Außerdem enthielten sie wunderbare Geschichten. Am Schluss führte ich Niklas zu meinem Zimmer, dem ich wenigstens ein bisschen eine persönliche Note geben konnte. Es lag im zweiten Stock und hatte ein eigenes kleines Bad und einen begehbaren Kleiderschrank. An den Wänden hingen Fotos, teilweise aus dem Internet, teilweise selbstgeschossen. Eine Wand war in den Farben eines Sonnenuntergangs gestrichen und ein riesiger Spiegel erweckte den Eindruck, das Zimmer sei größer als es war. Durch mehrere große Fenster schien warmes Licht herein und auf einmal fühlte ich mich ein bisschen heimisch. ,,Das Haus ist furchtbar kalt, aber hier ist es echt schön. Hast du die Wand selbst gestrichen?", fragte Niklas. Ich lächelte scheu. Ich fand auch, dass es besser als erwartet geworden war, vor allem, da ich in Kunst schon immer eine Niete gewesen war. ,,Jap. Ich musste es heimlich machen, weil meine Eltern dagegen wären. Glücklicherweise kommen sie nie hier rein", erzählte ich. ,,Das ist echt gut geworden", sagte Nik bewundernd. Ich errötete. ,,Danke", murmelte ich. Er drehte sich zu mir um und schenkte mir ein wunderschönes Lächeln. ,,Du bist so süß!", flüsterte er mir ins Ohr und küsste mich sanft.
Schon wieder liefen mir die Tränen über das Gesicht und ich schnappte mir schnell ein Taschentuch. Ich sollte mir wirklich wasserfeste Schminke besorgen. Glücklicherweise hatte ich ziemlich schnell alle Tränen getrocknet und mich beruhigt. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich immer noch dreieinhalb Stunden Zeit hatte. Und dann beschloss ich spontan, jede Erinnerung an Niklas aufzuschreiben. Ich wollte ihn nicht vergessen, nicht das Glück vergessen, das er mir geschenkt hatte. Also durchsuchte ich meine Sachen nach einem Notizbuch. Aber ich fand natürlich keins. ,,Sarah? Hast du zufällig ein leeres Notizbuch?", fragte ich meine Cousine, die auf dem Sofa chillte.
,,Nee, sorry. Wieso?"
,,Ich muss dringend was aufschreiben."
Ich zögerte noch, ihr den Grund zu nennen. ,,Dann geh doch los und kauf dir noch einen. Bis sechs hast du noch ne Menge Zeit", schlug sie vor. ,,Okidoki. Bis später", ich schnappte mir meine Sachen und lief los. Auf halbem Weg in die Innenstadt verdunkelte sich der Himmel in rasantem Tempo und als die ersten Tropfen fielen, beschloss ich, bei Brigitte im Schnoor Schutz zu suchen. Als ich in den kleinen Eulenladen trat, war ich bereits ziemlich durchnässt. Ich schloss die Tür und ließ damit ein kleines Glöckchen klingeln, das mir bisher nicht aufgefallen war. ,,Hallo, mein Deern. Oje, du bist ja ganz nass, komm, ich geb dir eine warme Decke." Brigitte führte mich entschlossen in ihre kleine Wohnung, wickelte mich in eine Decke ein und machte mir Tee. ,,Danke", murmelte ich und nieste. ,,Das ist doch selbstverständlich. Was führt dich zu mir?", fragte sie und setzte sich mir gegenüber in einen Sessel. ,,Ich wollte in die Stadt, mir ein Notizbuch kaufen und bin dann vor dem Regen geflohen", erklärte ich ihr. ,,Ich habe auch ein paar Büchlein hier. Ich zeige sie dir, wenn du dich aufgewärmt hast. Willst du eine Geschichte schreiben? Oje, ich bin wieder furchtbar neugierig, das geht mich bestimmt nichts an", die Worte rieselten nur so aus ihr heraus und ich fühlte mich wunderbar geborgen. ,,Ich möchte die Erinnerungen an jemanden aufschreiben", antwortete ich spontan. Ich weiß nicht warum, aber ich wollte Brigitte auf einmal die ganze Geschichte erzählen, ihr erzählen, warum ich in Bremen aufgetaucht bin und versuchte, mir ein neues Leben aufzubauen.
Hallo, meine lieben, treuen Leserinnen und Leser.
Ich weiß, zwei Monate sind eine verdammt lange Zeit und ohne xSameOldWar hättet ihr jetzt auch kein Kapitel. Danke für die indirekte Motivation, du bist mein kleiner Schreiberlingsengel. Sorry für die Verspätung und den fiesen Cliffhanger, aber ich verspreche euch, ich versuch, so bald es geht, die Auflösung zu präsentieren. Heute hab ich nur eine kleine Frage an euch:
1) Wie gefällt euch diese Story?
Mir fällt gerade ein, ich habe meine Story bei den Wattys 2015 angemeldet, wenn mich irgendjemand promoten würde, ich würde euch über alles lieben. Aber das tue ich eh schon, denn - Trommelwirbel - OMG, IHR HABT MIR ZU ÜBER 1K READS VERHOLFEN!!!!!!!!!! DANKE FÜR ALLES!!!!!
Das war's dann auch schon mit dem Endgelaber. Ihr wisst, wie es geht, voten, kommentieren, lesen, alles toll.
Schönen Tag und hab euch alle lieb
LG, Vany
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Dark Moments
RomanceAm Boden zerstört und völlig fertig. So lässt sich der seelische Zustand von Julia wohl am besten beschreiben. Die einzige Möglichkeit, dem zu entfliehen - alle Brücken abzubrechen und zu ihrer Cousine nach Bremen fliehen. Erst dort scheint sie wied...