|18|Denver

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Tessa

Mom und Dad wollten uns unbedingt vom Flughafen abholen, doch Caleb und ich haben darauf bestanden, dass wir den Bus nehmen.

„Hey." Mein Bruder stößt mich sachte mit der Schulter. „Was war denn das heute Morgen eigentlich? Ich habe dich und Zander noch nie so streiten gehört. Ist alles ok?", will Caleb wissen, sobald wir im Bus sitzen.

„Das hast du gehört, hm?"

Er kichert. „Die ganze Nachbarschaft hat es gehört, Tessa."

Meine Wangen werden heiß.

„Alles in Ordnung? Soll ich ihm in den Arsch treten?" Caleb grinst mich an.

Jetzt muss auch ich lachen. „Er ist dein bester Freund."

Aber mein Bruder zuckt nur mit den Schultern. „Nur weil er mein bester Freund ist, heißt es nicht, er darf meine kleine Schwester schlecht behandeln." Caleb zwinkert mir zu. „Dieses Privileg ist alleine mir vorbehalten. Nur ich darf dich nerven." Er wirkt so ernst, dass ich ihn für einige Sekunden perplex blinzelnd anstarre. Caleb wirft mir einen Seitenblick zu, bevor er losprustet. „Keine Sorge. Ich gebe dir meine Niere, wenn es sein muss. Aber wehe du kommst in die Nähe von meinen Anziehsachen!" Er zeigt mit dem Zeigefinger auf mich, kann sich ein breites Grinsen hinterher aber nicht verkneifen.

Ich kichere.

Dann wird das Gesicht meines Bruders besorgt. „Jetzt mal ernsthaft. Ist alles ok?"

Ich will ihm von dem Kuss erzählen. Wie sehr Zanders Worte heute Morgen wehgetan haben. Und wie recht er doch hatte. Ich will ihm erzählen, dass ich immer noch in seinen besten Freund verliebt bin, dass er mir jeden Tag aufs Neue mein Herz bricht. Wie sehr es mir die Luft abschnürt, wenn ich ihn mit einem anderen Mädchen sehe.

Mein Bruder hat mich gestern zwar nach Hause gebracht, aber er war keine Sekunde überfürsorglich. Er vertraut mir, meine eigenen Entscheidungen zu treffen. Und dafür liebe ich ihn. Ich habe ihn zwar immer wieder gesehen, jedoch scheint er viel mehr aus Zufall am selben Ort gewesen zu sein als mit Absicht, um mich zu beobachten.

Er hat mich schon beschützt, bevor ich laufen konnte. Dabei war er selber noch wackelig auf den Beinen. Es gibt irgendwo ein Video, wie er Vögel um mich herum verscheucht, als ich noch in der Babyschale lag. Dabei ist er selber zwei Mal hingefallen und die Vögel wollten nur die Krümel um mich herum essen, aber Caleb wollte sie nicht in meiner Nähe wissen und hat auch nicht aufgehört, bevor jeder einzelne verschwunden war.

Doch diesmal kann ich ihm nichts davon erzählen. Stattdessen lehne ich seufzend meinen Kopf an seine Schulter und sage: „Es wird schon."

Caleb legt seine Hand auf meinen Oberschenkel. „Du sagst Bescheid, wenn ich meine Schaufel und den Revolver holen muss, oder?"

Ich lache auf. Vertraue auf Caleb, um einem wieder ein Lächeln zu entlocken, wenn man gerade weinen möchte. „Alles klar, großer Bruder."

Er steckt sich einen Stöpsel seiner Kopfhörer ins Ohr, den anderen reicht er mir. Sobald alles sitzt, drückt er auf Play und One Direction erklingt. Grinsend schließe ich die Augen. Meine Lieblingsband.

Den Rest der Fahrt schlafe ich meinen Kater aus, bis wir gegen Mittag an unserer alten Bushaltestelle rausgelassen werden. Ich renne vor, als ich Mom und Dad erblicke. Meinen Koffer lasse ich neben Caleb stehen, doch dieser geht auch bereits auf uns zu. Ich lege meine Arme um meine Eltern und atme den blumigen Duft meiner Mom ein und spüre Dads Bartstoppeln an meiner Wange.

„Hallo, mein Großer." Caleb bückt sich, damit Mom ihm durch die Haare fahren kann. Wie sie es immer gemacht hat. „Spätzchen." Sie lächelt mich breit an, wobei man deutlich ihre Wangenknochen sehen kann.

One KissWo Geschichten leben. Entdecke jetzt