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Vier Tage sind bereits vergangen, die Milan mit Tanzen und Schwimmen verbracht hat. Die Stadt wollte er sich bislang nicht ansehen, weswegen er den Weg zur Tanzschule nicht sofort findet. Gerade noch rechtzeitig betritt er das exklusive Gebäude.

Eine schlanke ältere Dame bittet ihn herein und zeigt Milan kommentarlos den Umkleideraum. Wenige Minuten später wird er der Gruppe vorgestellt und in die Mitte des Saals dirigiert.

„Bereit?" Frau Kernbichler fackelt nicht lange, sondern steht bereits an der Musikanlage und sieht Milan fragend an.

„Geht los", sagt er. Das Lied hatte sie ihm vor drei Wochen zukommen lassen. Seine Aufgabe bestand darin, eine Choreografie im Contemporary-Stil zu entwickeln, die er nun vortanzt. Die erst noch sanften Töne hätten die meisten Tänzer wohl dazu veranlasst am Boden zu starten, doch er hält nichts vom Mainstream. Die Melodie wird fordernder und Milan biegt, dreht und wendet seinen Körper schneller und wilder. Kurz deutet er sogar Breakdance an, wechselt aber mit sauberem Übergang zurück zu Modern Dance. Frau Kernbichler fixiert ihn, als er ein Keuchen unterdrückend, am Boden sitzt und zu ihr hochsieht. Er steht auf, nickt kurz und gesellt sich zurück zu den anderen Schülern. Sie sind beeindruckt, das erkennt er. Doch wie steht es um die Lehrerin? In ihrem Pokerface kann er keine Wertung erkennen und es scheint ihr auch keinen Kommentar wert zu sein.

„Sie tanzen jetzt erst einmal mit der Gruppe mit. Danach unterhalten wir uns", meint sie knapp und wendet sich an ihre Schüler. „Aufstellen!"

Knapp zwei Stunden später verlässt Milan mit breitem Grinsen die Tanzschule. Er hat Frau Kernbichler falsch eingeschätzt, doch seine Menschenkenntnis ist ohnehin so gut wie nicht vorhanden. Im Vieraugengespräch hat sie ihm verraten, ihn von seinem letzten Auftritt, dem italienischen Ballettwettbewerb, zu kennen. Er hatte dort nur knapp den ersten Platz verpasst.

„Es ist eine Ehre, dich in unserer Gruppe zu haben." Mit diesen Worten verabschiedete sie sich und es erfüllt ihn mit Stolz, denn ihr Ruf als gefühlslose Person ist ihr vorausgeeilt. Gedankenverloren schlendert er durch die Stadt und bemerkt zu spät die Gruppe, die Bier trinkend vor einer Statue sitzt.

„Sieh dir einmal den Clown an, was für ein Spast", lacht ein Schwarzhaariger mit Goldkette um den Hals, die Milan selbst aus dieser Entfernung als Billigschmuck erkennt. Augenblicklich bereut er, sich nach der Tanzstunde nicht umgezogen zu haben. Er trägt noch immer seine enganliegenden Sportleggings und ein Longshirt darüber. Nichts Besonderes, er sieht mittlerweile auch Läufer in diesen Hosen und auch im Fitnessstudio werden sie immer beliebter. Bloß in Österreich sind die Menschen offenbar noch nicht so weit. Er versucht auf das Gequatsche nicht einzugehen und setzt seinen Weg fort.

„Das ist kein Clown, sondern das Mädchen mit den Streichholzarmen", prustet ein anderer.

Ah, daher weht der Wind. Dass gerade der Dicke das sagt, wundert ihn nicht.

„Hör nicht auf sie, sie sind hackedicht. Wir hatten etwas zu feiern", entschuldigt sich ein Typ mit tätowierten Armen, wovon einer machomäßig auf den Schultern seiner Freundin ruht.

„So dicht kann ich gar nicht sein, die Pussy nicht als Schwuchtel zu erkennen. Wo sind deine High Heels, Mädel?", ruft das Mädchen und sucht Zuspruch bei ihrer Clique. Vergebens.

„Was? Ist er doch", rechtfertigt sie sich, doch Milan ist bereits außer Hörweite.

„Sag mal, spinnst du? Oder ihr?", ruft Kai durch die Runde. Er nimmt den Arm von Kassandra und blickt sie finster an.

„Hey, wir haben nur Spaß gemacht. Du solltest eher deine Freundin in den Griff bekommen", rechtfertigt sich Nero, der Milan als Erster angesprochen hat.

MAILAND - Teil 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt