𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥 𝐈

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Ich wachte auf in einer Gosse. Mein Rücken brannte und ich fürchtete, gleich wieder ohnmächtig zu werden. Neben mir lag der silberne Reif, der einmal mein Heiligenschein gewesen war. Traurig hob ich ihn auf. Ich stellte fest, dass er an einer Stelle gebrochen war. Langsam bog ich ihn auf und schloss ihn um meinen Hals. Ich war einmal ein Erzengel. Jetzt war ich nur noch der gefallene Engel.

Ich schaute mich um. Um mich herum waren ein paar Dämonen. Sie sahen schlimmer aus, als ich sie mir je vorgestellt hatte. Manche von ihnen hatten lange Reißzähne, andere funkelnde, böse Augen. Sie starrten mich verachtend an. Anscheinend wussten sie, dass ich ein Engel war. Doch zu meinem unfassbar großem Glück sprach mich niemand an oder überfiel mich.

Langsam stand ich auf, doch mir war schwindelig. Ich hatte viel Blut verloren. Ich taumelte über den Gehweg und knallte gegen eine Mauer. Was tat ich hier? Allmählich realisierte ich, dass ich mich in einer Stadt befand. Einer gewaltigen, dämonischen Stadt. Der Himmel war rot, Hochhäuser ragten bis in die schwarzen Wolken auf.

Ich fühlte mich schäbig an einem schäbigen Ort. Meine Kleidung war zerfetzt, das Engelskleid, dass ich einmal getragen hatte, war nur noch ein paar Streifen Stoff. Ich hatte einen Handschuh verloren und beide meiner Stiefel. Mir war kalt. Mein Haar war unten komplett angesengt und schwarz.

Keuchend schleppte ich mich die Straße entlang, immer weiter und weiter. Wie lange war ich gefallen? Mir kam es so vor, dass ich erst vor ein paar Stunden aus dem Himmel geworfen wurde, doch das konnte nicht sein. Mein Rücken war auf wundersame Art und Weise verheilt, das konnte ich spüren. Trotzdem brannte er noch wie Feuer.

Ich stolperte um eine Ecke und stand plötzlich vor einem Schaufenster. In diesem Schaufenster waren ein paar Fernseher, es war also ein Elektroladen. Auf jedem Bildschirm lief das selbe Programm, eine Nachrichtensendung. Eine Frau mit einem gebrochenen Hals verkündete die News des vergangenen Tages. »Der Tag der Auslöschung hatte eine überraschende Wendung, als sich der König der Hölle Lucifer höchstpersönlich einschaltete«, sagte sie. Ich riss die Augen auf.

Tag der Auslöschung? War ich etwa ein ganzes Jahr gefallen? Ich schaute mich um. Wie war mir nicht schon vorher aufgefallen, dass hier Leichen auf dem Boden lagen? Erneut wanderte mein Blick zu den Bildschirmen. »Lucifers Aufenthaltsort ist derzeit unklar, jedoch wird vermutet, dass er bei diesem verfickten Hotel rumhängt!«, lachte die Nachrichtensprecherin. Hotel? »Laut unseren Informationen wurde das ganze Hotel zerstört...«, berichtete sie, doch dann stockte sie. Anscheinend bekam sie irgendwelche Informationen über einen Stecker im Ohr. »Oh, wirklich? Also, Lucifer und seine Tochter haben das Hotel wiederaufgebaut... und jetzt weiter mit den News des Tages! Was tun Sie, wenn Ihr Ehemann fremdgeht? Ganz einfach, die I. M. P. ermordet ihn schnell und grausam für Sie!«

Ich wandte mich um. Eines wusste ich ganz genau - Lucifer würde mir helfen. Ich wusste nicht, was ich jetzt tun sollte, aber Lucifer war definitiv ein guter Anhaltspunkt, an den ich mich klammern könnte. Ich musste nur dieses Hotel finden.

Ein Sünder kam an mir vorbei. »Entschuldigung?«, fragte ich. »Könnten Sie mir vielleicht helfen? Ich suche...« Der Sünder drehte sich zu mir um und packte meine Hand.

»Hast du dich verlaufen, Süße? Ich kann dir gerne die Richtung zeigen...«, meinte er und grinste mich ekelig an. Ich wollte zurückweichen, doch er ließ mein Handgelenk nicht los.

»Lassen Sie mich los!«, zischte ich. Doch als er mich nicht loslassen wollte, schlug ich ihm mit der Faust ins Gesicht. Er sackte zusammen und ließ mich los. »Oh mein Gott, es tut mir so leid!«, rief ich. Aber als er sich bewegte, bekam ich Angst und stolperte ich weg.

Ich war wahnsinnig erschöpft und verzweifelt. Wie sollte ich das Hotel finden, wenn hier nur Perverse herumliefen? Neben mir war nun eine Bar und ich entschied mich hineinzugehen. Ich hatte weder Geld noch Durst, doch ich musste mich ausruhen.

Die Bar war dunkel und mit Schwarzlicht gefüllt. Überall waren fluoreszierende Lichter und alles blinkte. Ich fühlte mich wie in einem Fiebertraum. Jämmerlich setzte ich mich in eine Ecke neben einen Typen mit vier Armen. Er trank etwas und lachte sehr viel mit einem anderen Typen. Ich ließ meinen Kopf auf den klebrigen Tisch denken. Wie tief war ich gesunken, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes?

Ich hörte ein wenig den Gesprächen zu. Eine Person vor mir redete über Drogen, ein paar andere über den Tag der Auslöschung. Die beiden Männer neben mir redeten ebenfalls über den Tag der Auslöschung. Ich fasste ein Herz und fragte den neben mir: »Welches Jahr haben wir?«

Der Mann drehte sich zu mir um. Er hatte unterschiedliche Augen, einen goldenen Zahn und rosa Sommersprossen. »Keine Ahnung, hier in der Hölle ist das mit den Jahreszahlen schwierig«, antwortete er. Er betrachtete mich genauer. Er bemerkte meine zerrissene Kleidung mit den goldenen Blutflecken. »Bist du ein Engel?«

Ich seufzte und machte mich darauf gefasst, dass ich gleich sterben würde. Schlimmer konnte es ja nicht mehr werden. »Nicht mehr«, sagte ich mit gebrochener Stimme. Die Augen des Mannes wurden groß und die seines Freundes ebenso.

»Wirklich?«, fragte er. Ich nickte niedergeschlagen.

»Los, tötet mich schnell und schmerzlos. Ich will es nur hinter mir haben«, sagte ich elendig. Er hob eine Augenbraue.

»Wieso sollten wir... Oh ja, okay. Ich verstehe.« Er hob seine vier Hände. »Langsam, okay? Wer bist du? Ein Exorzist? Warst du beim Tag der Auslöschung gestern dabei?«

Ich lachte abschätzig. »Ich? Exorzist? Nein, ich bin kein Exorzist. Ich bin Uriel, ein Erzengel.« Der Mann neben mir rüttelte die Schulter des anderen.

»Hast du das gehört, Husk? Das... das ist ein Erzengel!«, sagte er zu seinem Freund. Husk schaute mich an.

»Bist du wirklich ein Erzengel? Hast du irgendwas mit dem Tag der Auslöschung zu tun?«, löcherte er mich mit Fragen.

Ich dachte einen Moment nach. War ich wirklich ein Jahr gefallen? »Ich habe nichts damit zu tun, im Gegenteil. Ich habe versucht, ihn zu beenden«, antwortete ich.

Der Mann mit den vier Armen schaute Husk an und fragte: »Sollen wir sie mitnehmen?«

»Ich weiß nicht, aber es wäre schlauer, als das hier zu besprechen«, antwortete Husk.

»Wohin mitnehmen?«, schaltete ich mich müde ein. Der Vier-Arme-Mann drehte sich wieder zu mir. Er gab mir eine seiner Hände.

»Mein Name ist Angel Dust und das ist Husk. Wir sind vom Hazbin Hotel.«

𝐅𝐚𝐥𝐥𝐞𝐧 𝐀𝐧𝐠𝐞𝐥 [𝘏𝘢𝘻𝘣𝘪𝘯 𝘏𝘰𝘵𝘦𝘭]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt