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Ich muss irgendwann eingeschlafen sein. Als ich am nächsten Morgen aufwache, ist das Bett leer. Ich strecke mich aus und bemerke, dass die Hälfte, wo Damian lag, kalt ist, er ist also schon länger weg.

Warum interessiert es mich, wie lange er weg ist? Ist doch egal, Hauptsache er ist weg!

Trotz dieser Gedanken, drängt sich ein anderer in den Vordergrund: der Kuss! Ich habe das Gefühl, der Kuss war so intensiv, dass ich ihn immer noch spüre. Vorsichtig lege ich meine Finger auf meine Lippe und streiche darüber. Wie kann mein Körper sich so von ihm angezogen fühlen? Ich glaube, ich muss mir nochmal wieder bewusst machen, dass er zur Mafia gehört und er mich ENTFÜHRT hat. Ich bin eine Gefangene und nicht einfach Besuch!

Frustriert vergrabe ich mein Gesicht im Kissen und schreie darein. Sobald ich keine Luft mehr bekomme, höre ich auf und hebe meinen Kopf. Das tat gut. Wenn ich mich jetzt noch ein wenig körperlich betätigen könnte, wäre ich vermutlich wieder in der Lage klar zu denken. In dem Moment grummelt mein Magen, stimmt Essen und Trinken wäre auch erst noch gut.

Ich stehe auf und gehe erst in den begehbaren Kleiderschrank, um meine Sachen von gestern zu holen und gehe dann ins Badezimmer und mache mich fertig. Ich gehe duschen und muss im Anschluss ob ich will oder nicht wieder in meine Kleidung von gestern. Bei meinem Tshirt und meiner Jeans stört es mich nicht sehr, auch den BH finde ich akzeptabel, aber mit der Unterhose habe ich große Probleme. Aber keine Anziehen ist definitiv KEINE Option.

Ich werde das Ganze zu einem Problem für Damian machen. Wenn er mich hier festhält, muss er auch dafür sorgen, dass ich was zum Anziehen habe. Mit dem Plan verlasse ich das Badezimmer. Meine Haare habe ich einfach durchgekämmt und in einen Messybun gemacht, so können die ein wenig trocknen ohne mich zu nerven.

Ich entscheide mich dazu zu testen, ob die Tür zum Flur offen ist. Ich drücke die Klinke runter und tatsächlich geht die Tür auf. Ich will mich gerade freuen, da dreht sich ein Mann zu mir um, der direkt vor der Tür steht. Er hat auch ungefähr die Breite der Tür, er ist also quasi eine Tür! Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal so intensiv über Türen nachgedacht habe.

„Äh und du bist?", frage ich vollkommen einfallsreich. Normalerweise bin ich besser erzogen und sieze fremde Menschen, aber den Respekt haben die hier alle nicht verdient, schließlich haben sie mich, ich wiederhole nochmal: ENTFÜHRT!

„Sandro und so etwas wie dein persönlicher Begleiter", antwortet die Tür.

„Du meinst wohl Wachhund."

„Mir ist egal, wie du es nennst, aber du wirst mit mir auskommen müssen. Solange Damian nicht in deiner Nähe ist, werde ich es sein. Jack könnte den Job vielleicht auch noch übernehmen", plaudert Sandro weiter. Ich muss sagen, er ist der erste hier, der mir sympathisch ist. Mit seiner Größe und Breite ist er zwar sehr bedrohlich, aber er hat mich zumindest angelächelt.

„Was wäre mit Lorenzo oder Matteo?", frage ich kritisch nach.

Sandro lacht, bevor er antwortet: „Bei Matteo passe ich wohl eher mehr auf dich auf und auf Lorenzo bist du anscheinend nicht so gut zu sprechen, wie ich hörte."

„Ach und auf Damian und Jack bin ich gut zu sprechen, oder was?", frage ich ironisch und beiße mir schnell auf die Lippe. Ich sollte nicht vergessen, dass er die doppelte Maße von mir ist.

Aber ich habe Glück, Sandro lacht darüber. „Guter Punkt! Also bleib ich vielleicht erstmal immer bei dir. Von daher schieß los, was sind deine Pläne?"

Ich gucke ihn kritisch an. Als wenn ich wirklich eine Wahl habe.

„Okay, okay, ich gebe zu viele Optionen hast du nicht. Aber du kannst dir aussuchen, was du in diesem Haus tun willst", sagt Sandro als er meinen kritischen Blick sieht.

„Dann lass uns erstmal etwas essen. Am liebsten von der Person gekocht, die gestern mein Essen gemacht hat, das war phänomenal!", Schwärme ich, was Sandro erneut zum Lachen bringt. Ich weiß genau, warum er mir bisher am sympathischsten ist.

„Na dann komm!", fordert er mich auf und wir laufen zusammen den Flur entlang. Es ist ein komisches Gefühl mehr oder weniger frei herumzulaufen. Es fühlt sich kurz nicht mehr so an, als wäre ich gefangen.

So wie letzte Nacht bei dem Kuss? Das fühlte sich auch nicht gefangen an. Pssst! Versuche ich meine Gedanken zu beruhigen und schaue mich um. Wir laufen gerade wieder die Treppen nach unten.

„Wie viele Menschen wohnen in diesem Anwesen?", frage ich Sandro.

„Schwer zu sagen. Die meisten, die hier ein Zimmer oder einen Bereich haben, haben noch ein eigenes Haus an anderen Orten, von daher sind hier immer unterschiedlich viele Menschen. Aber aus dem inneren Kreis hat eigentlich jeder hier ein Zimmer", erklärt er. Innerer Kreis, aha.

„Bist du auch ein Teil vom inneren Kreis?", versuche ich ein wenig herauszufinden ohne zu neugierig zu wirken. Ich hätte lieber gefragt, wer alles dazugehört, aber wir fangen erstmal so an.

„Natürlich. Jemand anderen würde Damian niemals erlauben sich auf Dauer in deiner Nähe aufzuhalten!"

Wie soll ich das denn jetzt verstehen?

„Stopp!", unterbricht Sandro meine Gedanken und zeigt auf die Tür links von uns. Er öffnet sie und ich erblicke ein riesiges Esszimmer. Hier steht eine lange Tafel an der locker 20 Personen Platz finden könnten ohne sich in irgendeiner Weise zu quetschen.

„Wow!", staune ich.

„Setz dich, ich habe Giulia schon Bescheid gesagt, sie kommt gleich und bringt was zum Essen", erklärt Sandro.

Es gibt also auch Frauen hier! Ich hatte schon Zweifel daran. Ich laufe zum Tisch und setze mich einfach auf irgendeinen der Stühle. Sandro geht auf die andere Seite vom Tisch und setzt sich mir gegenüber.

Kurz darauf betritt eine etwas ältere Frau den Raum. Sie balanciert ein Tablett mit allen möglichen Dingen. Ich sehe Hörnchen, Sandwiches mit Tomate Mozzarella und einen Cappuccino vermute ich.

Giulia stellt das Essen in die Mitte von Sandro und mir und gibt uns jedem einen Teller und Besteck. Den Cappuccino stellt sie vor Sandro ab, was ich fast schon enttäuscht betrachte.

„Mein Name ist Giulia, ich bin hier die Chefköchin. Wenn du Hunger oder Durst hast, kannst du dich immer bei mir melden und ich bereite dir etwas zu. Möchtest du auch einen Cappuccino trinken? Ich wusste nicht, was du magst, daher habe ich noch nichts mitgebracht. Ich kann dir auch einen Espresso bringen oder Orangensaft oder ein Wasser oder..." - bevor Giulia noch mehr aufzählt unterbreche ich sie: „Ich nehme auch gerne einen Cappuccino. Hast du gestern die Pasta gemacht?", frage ich.

Sie nickt. „Die war einfach großartig!", lobe ich sie, was ihr ein Lächeln aufs Gesicht zaubert.

„Ein Cappuccino also", mit den Worten dreht Giulia sich und verlässt den Raum.

Mafia RussoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt