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Damian scheint mit sich selbst zu ringen. Ein Teil von ihm scheint das Notizbuch wirklich haben zu wollen, aber ein anderer Teil will es nicht holen gehen. Ich weiß nicht, ob er das Notizbuch haben möchte, damit mir möglicherweise Fragen beantwortet werden oder ob er dadurch geheime Informationen herausfinden möchte. Aber da meine oberste Priorität ist weitere Antworten zu bekommen, ist es mir egal.

„Wir müssen es holen!", sage ich daher entschlossen zu Damian.

„Und was ist, wenn dein Vater zu Hause ist?", fragt Damian.

„Dann vertraue ich darauf, dass er mir nichts tun würde. Immerhin hat er versucht mich wiederzuholen. Und er war in dem Kampf dazu bereit seine Gang aufzugeben, um mich zurückzuholen." Damian hat mir viele schreckliche Dinge über meinen Vater erzählt, aber ich habe schon immer versucht das Gute in den Menschen zu sehen.

Damian sieht mich zweifelnd an. Ich verstehe das, er kennt von meinem Vater nur die Mafiaseite. Wir kennen zwei vollkommen verschiedene Versionen meines Vaters, aber ich glaube einfach nicht, dass der Papa, der er mir immer war, vollständig gespielt war.

„Und außerdem wäre ich ja nicht alleine", versuche ich es trotzdem anders, da ich bezweifle Damian sonst umstimmen zu können.

Damian schließt die Augen und rauft sich die Haare. Ich sehe, wie er mit sich ringt. Weshalb ich meine Hand auf seine Wange lege. Sofort schlägt er seine Augen auf und lässt seine Hände sinken.

„Bitte!", sage ich nur und schaue ihm tief in die Augen.

„Tu mi fai impazzire!", sagt Damian und nickt dann. Ich lehne mich zu ihm und lege meine Lippen auf seine. Er erwidert den Kuss und zieht mich ein Stück näher.

„Danke!", sage ich als ich mich löse. „Aber was heißt das?", frage ich dann. Ich bin es von ihm gewöhnt, dass er häufig Italienische Worte und Sätze einfließen lässt, aber das heißt nicht, dass ich nicht neugierig bin. Damian fängt an zu grinsen.

„Ich bin mir sicher, wenn ich dir das übersetze, kannst und wirst du das gegen mich verwenden, daher entscheide ich mich dazu zu schweigen", antwortet Damian grinsend und drückt mir einen kurzen Kuss auf die Lippen. Seine Antwort sorgt dafür, dass meine Neugier ins Unermessliche steigt. Vielleicht kann ich Sandro fragen, dafür muss ich mich mir jedoch genau merken, was er gesagt hat. Apropos Sandro, den habe ich noch gar nicht gesehen.

„Komm, wir müssen einen Raub planen!", sagt er dann, steht auf und hält mir seine Hand entgegen.

„Einen Raub?", frage ich geschockt.

„Du willst doch das Notizbuch haben", antwortet Damian schulterzuckend. Ich seufze resigniert und nehme dann seine Hand entgegen.

Gemeinsam laufen wir zum Haus zurück. Sobald wir wieder in Hörweite der Anderen sind, sehe ich Damian an, dass er seine Emotionen wieder versteckt. Innerlich seufze ich. Die Welt wäre so viel besser, wenn wir alle offen unsere Gefühle kommunizieren würden. Aber solange Damian mir gegenüber offen ist, werde ich versuchen das zu akzeptieren.

Im Haus angekommen, treffen wir auf Lorenzo.

„Dov'è Sandro e Jack?", fragt Damian.

„Non lo so! Perché?"

„Dobbiamo parlare!"

Ich schaue zwischen den beiden hin und her und verstehe nichts. Also außer Sandro und Jack. Außerdem klang eins der Worte wie Dobby. Ich bezweifle jedoch, dass dieser Bestandteil der Konversation ist und schalte daher ab, während die beiden weitersprechen.

„Komm! Enzo sucht die beiden und wir treffen uns im Büro", wendet sich Damian an mich und ich sehe noch, wie Lorenzo um die nächste Ecke biegt. Da ich bezweifle, dass Dobby hier zu Gegend ist, denke ich, dass Lorenzo Sandro und Jack sucht. Ich freue mich, Sandro wieder zu sehen. Gleichzeitig frage ich mich jedoch auch, warum er nicht dabei war, als die anderen mich bei den Berlusconi geholt haben.

Ich erinner mich an unser letztes Gespräch. Wir sprachen über Damian und Gefühle. Und dann hatte er über beste Freundinnen gesprochen und dabei meinen wunden Punkt getroffen.

Während ich noch total in Gedanken bin, öffnet Damian die Tür zu seinem Büro. Erinnerungen kommen hoch. Hier bin ich aufgewacht und habe Damian, Jack und Lorenzo kennengelernt.

„Tutto bene?", unterbricht Damian meine Gedanken, er steht schon im Büro, während ich unbewusst davor stehen geblieben bin.

„Hm?", erwidere ich fragend.

„Ob alles in Ordnung ist?", wiederholt er, jetzt jedoch auf Deutsch.

„Ja, ich war nur in Gedanken. Das hier ist der Ort, wo ich aufgewacht bin. Ich war gefesselt und...", erkläre ich ruhig. Sofort ist Damian wieder bei mir und legt seine Hände auf meine Wangen.

„Es tut mir Leid, wie du hierher gekommen bist und wie wir uns kennengelernt haben, aber es tut mir nicht leid, das wir uns kennengelernt haben." Mit den Worten überbrückt er die letzten Zentimeter und küsst mich.

„Ich auch nicht", sage ich leise und lehne meinen Kopf an seine Brust.

„Komm!", sagt er dann und nimmt meine Hand. Gemeinsam betreten wir da Büro. „Setz dich, wo immer du möchtest."

Ich merke, dass Damian sich bemüht, damit ich das Gefühl habe, frei entscheiden zu können. Ich schaue mich um und entscheide mich gegen das Sofa. Kurz überlege ich, ob ich wohl damit durchkomme, mich auf Damians Bürostuhl zu setzen, verwerfe die Idee jedoch. So gut kann ich ihn noch nicht einschätzen und ich will ihn jetzt auch nicht provozieren. Ich glaube zwar nicht, dass Damian mir etwas tun würde, aber ich möchte ihn trotzdem nicht sauer machen. Also entscheide ich mich für den Sessel in der Ecke.

Damian setzt sich hinter seinen Schreibtisch und macht etwas an seinem Rechner. Das ist der Moment, wo ich normalerweise mein Handy rausholen würde und auf Instagram scrollen würde, aber mein Handy habe ich seit dem Möbelhaus nicht mehr gesehen. Gerade als ich Damian danach fragen möchte, klopft es. Damian hat die Tür hinter uns geschlossen.

„Herein!", sagt Damian vollkommen bestimmt. Ich blicke auf und sehe, dass er vollständig aufrecht sitzt und für alles bereit zu sein scheint. Die Tür öffnet sich und Jack, Lorenzo und Sandro erscheinen. Damian entspannt sich etwas und bittet sie mit einer Geste reinzukommen.

„Maya!", sagt Sandro und schaut mich mit großen Augen an. Ich weiß nicht, ob die anderen mich nicht gesehen haben oder mich ignoriert haben.

Als ich mein Blick auf Sandro richte, bildet sich ein breites Lächeln in meinem Gesicht. Ich freue mich, ihn wiederzusehen. Mein Lächeln führt dazu, dass seine ernste und besorgte Miene fällt und er mich ebenfalls anlächelt. Dann setzt er sich in Bewegung zu mir und breitet seine Arme aus. Ich bin zwar etwas überrumpelt, aber stehe auf und schließe ihn in meine Arme.

„Ich bin so froh, dass es dir gut geht und du wieder hier bist! Damian war nicht auszuhalten ohne dich! Ach und ich kann froh sein, dass Damian weiß, dass ich nicht an Frauen interessiert bin. Ich denke, sonst wäre ich schon einen Kopf kürzer, so wie er uns anschaut", flüstert Sandro, so dass nur ich ihn höre. Ich muss leicht über seine Worte schmunzeln und weiß, sobald wir uns ein Stück lösen und ich Damian sehe, was er meint. Damian beobachtet uns, wobei sein Gesicht nur wenig Regung zeigt.

Wir setzen uns alle im Raum verteilt und Damian berichtet von dem Plan das Notizbuch meines Vaters zu besorgen. Und dann beginnt eine lange Planungszeit.

Mafia RussoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt