Kapitel 8: Die Auswahl

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Coriolanus und Sejanus standen sich gegenüber. Die beiden sahen sich nur an. ,,Wer hat dir geholfen?", fragte Coriolanus erneut, der noch immer nicht glauben konnte, dass er ihn vor sich hatte. ,,Hast du mich nicht verstanden? Ich werde dir das bestimmt nicht sagen. Sagen wir, es war ein Gleichgesinnter.", sagte Sejanus mit selbstgefälligem Lächeln. ,,Woher wusstest du, dass ich dich verraten habe?" ,,Das war offensichtlich. Ich war neben Lucy Gray die einzige Person, die dir hätte gefährlich werden können." Coriolanus schnaubte. Es klopfte zaghaft an der Türe. ,,Wer ist da?" ,,Hier ist Ivy. Darf ich reinkommen?" Coriolanus verfluchte zunächst, dass es seine Tochter war, hörte aber dann raus, dass sie geweint hatte. ,,Ja." Die Kleine machte die Türe auf und lief ihrem Vater weinend in die Arme. Er ging in die Knie und nahm sie in den Arm. ,,Was ist passiert." ,,Ich hatte einen schlimmen Albtraum. Mich haben ganz viele Monster verfolgt." Sie schluchzte weiter in seine Schulter. ,,Es ist alles gut.", sagte er und strich ihr über den Kopf. Als sie sich ein wenig beruhigt hatte, löste sie sich aus seinem Arm. ,,Tut mir Leid, dass ich hierhin gekommen bin. Aber ich habe Mama nicht wach bekommen." ,,Ist schon gut. Du kannst jeder Zeit zu mir kommen, wenn etwas ist." Ivy fiel Sejanus aus. ,,Papa, wer ist dieser Mann?" ,,Das....ist ein alter Freund von mir." Ivy strahlte über das ganze Gesicht und reichte ihm die Hand. ,,Hallo, ich bin Ivy." Sejanus lächelte ebenfalls. ,,Hallo, Ivy. Ein toller Name. Ich bin Sejanus." Sie gaben sich die Hand. Ivy runzelte die Stirn. ,,Warst du mal in Distrikt 12?" Coriolanus' Herz began zu rasen. Wusste sie etwa auch alles? Er warf Sejanus einen Blick zu. ,,Ja...Wieso?" ,,Na, dein Name steht auf einem Schild beim Henkersbaum." Sejanus räusperte sich. ,,Ähm...ach so...ja, das war wohl jemand anderes." ,,Ach so." Coriolanus legte ihr den Arm um. ,,Wie wäre es wenn du wieder ins Bett gehst? Es ist schon spät." ,,Okay. Gute Nacht, Papa." Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange und lief aus dem Büro. Coriolanus stand wieder auf. ,,Wow, ist das ein höfliches Kind. Das hat Lucy Gray aber gut gemacht.", sagte Sejanus. ,,Ja, ist sie." ,,Hast du von ihr gewusst?" ,,Nein...als ich den Distrikten vorgestellt wurde, habe ich sie in der Menge mit Ivy gesehen. Ich wusste sofort, dass sie von mir ist.", erklärte er. ,,Das ist nicht von der Hand zu weisen.", sagte Sejanus. ,,Aber sie hat Lucy Grays Augen. Und hoffentlich auch ihren Charakter." Coriolanus war aus irgendeinem Grund froh ihn zu sehen. Waren es also drei. ,,Wie bist du hergekommen?", fragte er. Das Kapitol war schwer zu erreichen. Die Stadt war von einer Mauer umgeben und nur durch einen einzigen Tunnel zu erreichen. Sejanus zuckte mit den Schultern. ,,Du hattest Hilfe?", fragte Coriolanus. ,,Könnte man so nennen." Der Präsident wusste genau, was er zu tun hatte. Die Rebellion war im Kapitol. ,,Keine Sorge. Die Rebellion ist noch lange nicht stark genug für einen Krieg." Coriolanus rauchte der Kopf und er war müde. ,,Wo schläfst du?" Sejanus zuckte erneut mit den Schultern. ,,Irgendwo...hab ich ja die ganze Woche." ,,Du kannst hier bleiben.", sagte er. Er war selbst überrascht von seinen Worten. ,,Ich dachte Gift wäre deine Geheimwaffe. Willst du mich jetzt im Schlaf erstechen?" Coriolanus schüttelte den Kopf. ,,Nein. Beides nicht. Du wirst mich nicht verraten. Das hättest du längst getan." ,,Was lässt dich da so sicher sein, Herr Präsident?" ,,Nichts. Aber ich bin tatsächlich der Präsident. Und wenn du etwas sagst oder tust, fällt es auf dich zurück." Das wusste Sejanus auch. Coriolanus führte ihn in eines der Gästezimmer. Sejanus könnte ihm noch nützlich werden.Mit einem Kopf voller Fragen machte er sich auf in sein Schlafzimmer. Er schmiss seine Kleidung einfach zu dem Rest auf den Boden und legte sich hin. Die Seite neben ihm war zwar mittlerweile bezogen, aber leer. Lucy Gray hatte dort die letzte Nacht verbracht und diese danach ordentlich gemacht. Er griff nach der Decke und hielt sie sich an die Nase. Sie roch nach ihr, nach Rosen und Gras. Er gestand nur ungern, wie sehr er diesen Duft vermisst hatte. Die letzte Nacht kam ihm wieder ins Gedächtnis. Und plötzlich wünschte er sie sich neben sich.

Am nächsten Morgen klopfte Gilian an die Türe des Gästezimmers, in dem Sejanus übernachtet hatte. Er war schon wach und saß auf seinem Bett. ,,Guten Morgen, Mr. Plinth. Ich wollte mich erkundigen, ob sie etwas brauchen." ,,Bitte nenn mich Sejanus. Und nein, vielen Dank, ich brauche nichts." Sie nickte und wandte sich zum Gehen. ,,Ihr Name ist Hillers, oder?" ,,Ja. Gilian genügt völlig." , sagte sie lächelnd und legte die Hand auf die Türklinke. ,,Kennst du Gwendolyn Hillers?" Gilian hielt in der Bewegung innen. ,,Es ist meine Mutter. Warum fragst du?" ,,Ich kenne sie. Sie lebt in Distrikt 13." Gilian drehte sich um. ,,Sie lebt?" ,,Ja. Sie sagt oft, wie sehr du ihr fehlst." Gilian hatte einen Kloss im Hals, versuchte aber ernst zu bleiben. ,,Danke. Das freut mich zu hören." Sie verließ das Zimmer wieder. Im Esszimmer hatten Coriolanus, Ivy und Lucy Gray am Esstisch Platz genommen. ,,Tut mir Leid, dass ich Ivy gestern Nacht nicht gehört habe. Der Alkohol hat mir doch sehr zugesetzt.", sagte Lucy Gray zerknirscht. ,,Ist schon in Ordnung.", sagte Coriolanus. ,,Papa hat mich getröstet. Und dann war doch noch sein Freund.", erklärte Ivy, die sich ihre Rührei schmecken ließ. ,,Welcher Freund?", fragte Lucy Gray. ,,Er hieß Sejanus!", rief Ivy. ,,Er war sehr nett." Coriolanus knirschte mit den Zähnen. Die Ehrlichkeit seiner Tochter in allen Ehren. Lucy Gray sah ihn an und war aufeinmal kreideweiß. ,,Coriol? Wovon spricht sie?" Coriolanus legte seiner Tochter die Hand auf die Schulter. ,,Hör mal, Süße. Magst du nicht mal sehen, ob du Tigris oben helfen kannst?" ,,Ok.", sagte sie und lief aus dem Wohnzimmer. ,,Sejanus lebt.", sagte er. ,,W-Was?", stammelte sie. Er erzählte ihr alles von der gestrigen Unterhaltung und, dass Sejanus die Nacht in einem Gästezimmer verbracht habe. Lucy Gray starrte ihn noch immer an. Sie sagte nichts. Ohne ein Wort stand sie auf und verließ das Esszimmer.

Die nächsten drei Wochen verliefen weitestgehend ereignislos. Sejanus war noch immer im Haus des Präsidenten. Coriolanus hatte ihm Kleidung zur Verfügung gestellt und er hatte sie rasiert. An diesem Tag lag das Haus in komischer Stimmung. Zum einen wurde gefeiert, da Ivy Geburtstag hatte. Tigris schenkte ihr ein selbstgemachtes Kleid. Coriolanus schenkte ihr eine Haarbrösche in Form einer Rose, in deren Mitte ein funkelnder Rubin saß. Lucy Gray hatte er einen neuen Teddybären gekauft und Gilian hatte ihr eigene Tanzschuhe gekauft, die sie sich gewünscht hatte. Doch etwas verdunkelte sie Stimmung an diesem Tag. Es war Tag der Ernte. Das heißt heute wurden in einer Feier die Tribute verkündet. Es war das erste Mal, dass die Hungerspiele so gefeiert wurden. Nach der kleinen Feier am Morgen, fuhren sie alle zusammen ins Rathaus. Das kleine Studio war gefüllt bis auf den letzten Platz. Der Präsident und seine Begleiter hatten Platz in einer Loge in der oberen Reihe. Coriolanus saß in der Mitte, daneben Lucy Gray und daneben Gilian. Ivy hatte auf der anderen Seite von ihm Platz und daneben Tigris. Lucretius Flickerman stand vorne und die Übertragung fing an. Es fing an mit einer langen Rede von ihm. Bis dann zu Distrikt 1 geschaltet wurde. Der Moderator dort verkündete, dass sich zwei Jugendliche freiwillig gemeldet hätten. Das Mädchen trug den Vornamen Celeste und der Junge Julius. In ihren Gesichtern stand Arroganz und Stolz. Die Übertragung wechselte zu Distrikt 2. Auch dort wurde verkündet, dass sich zwei freiwillig gemeldet hatten. Mina und Gunnar. Sie wirkten stark und willensstärke waren in ihre Gesichter geschrieben. Die Kinder aus Distrikt 3, die gewählt wurden, Miles und Jenna, wirkten ängstlich und nervös. In Distrikt 4 wurden erneut zwei Freiwillige vorgestellt, Gunther und Justine. Distrikt 5 rief Angelina und Christoph auf. Distrikt 6 ernannte Caroline und Jackson zu Tributen. Distrikt 7 war besonders. Das Mädchen wurde zuerst aufgerufen. Ihr Name war Georgina. Der Junge, der aufgerufen wurde, hieß Jago. Er hatte lockige, dunkle Locken und war recht groß. Als er nach vorne ging, waren Schreie zu hören. Die Kamera schwenkte dorthin und zeigte eine Frau, die auf die Bühne zustürmte. ,,Nein! Nein! Nicht mein Sohn!", zwei Friedenswächter hielten sie zurück. ,,Nein! Nicht mein Sohn!", sie schrie und weinte. Der Junge drehte sich um. ,,Keine Sorge, Mom. Ich komme wieder.", sagte er. Seine Mutter wurde noch immer von einem Friedenswächter festgehalten. Die Übertragung endete und es wurde zu Distrikt 8 geschaltet, wo Amy und Scott gewählt wurden. Coriolanus sah zu Lucy Gray. Diese wirkte den Tränen nah und hielt Gilians Hand. In Distrikt 9 wurden Martha und Johann ernannt. In Distrikt 10 wurden Virginia und Gene ernannt. Distrikt 11 folgte und Zayne und Maria wurden bestimmt. Als Distrikt 12 kam, richtete Lucy Gray sich merklich auf. Das Mädchen hieß Melissa und der Junge Claudius. Lucy Gray kannte sie. Sie erinnerte sich an den Tag, als sie zum Tribut gewählt wurde. Sie griff Gilians Hand etwas fester. ,,Es ist okay.", flüsterte Gilian. Lucy Gray floss eine Träne die Wange runter. Das Studio klatschte. ,,Nun, denn Panem. Unsere Tribute stehen fest. Heißen wir sie in den kommenden Tagen willkommen. Wir sehen uns einer Woche zu den Spielen wieder!" Damit war die Übertragung zu Ende. Das Studio entleerte sich und Lucy Gray ließ ihren Tränen freien Lauf. Gilian zog sie an sich und Lucy Gray krallte sich an ihrem Jacket fest. Sie hatte nach ihren keine Hungerspiele mehr gesehen. Die Bilder aus 12 und die ausgewählten Kinder machten es schwer für sie ertragen. Ivy umarmte ihre Mutter auch tröstend. Sie wusste nicht, wie sie die Spiele mit ansehen sollte.

The Anthem of Gemstones and WoodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt