Kapitel 4: Die Verkündung

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,,Du hast was?!", riefen Gilian und Tigris im Chor. Der nächste Morgen war angebrochen und Coriolanus hatte die beiden Frauen, nach Tigris' Rückkehr, in sein Büro gerufen. Er stand selbstbewusst vor ihnen, die Hände in die Hüften gestemmt. ,,Da bin ich eine Nacht weg, komme wieder und du hast plötzlich ein sechsjähriges Kind und bist verlobt? Habe ich einen Fiebertraum oder liege im Koma?", rief Tigris hysterisch. ,,Und warum hast du mir gestern Abend nichts gesagt?", rief Gilian entrüstet. ,,Und warum hast du mir nicht gesagt, dass du etwas mit deinem Tribut hattest?", fragte wieder Tigris. Coriolanus hob beschwichtigend die Hände. ,,Beruhigt euch, bitte. Für mich war es ebenfalls ein Schock, von meiner Tochter zu erfahren. Aber ich bin entschlossen, Lucy Gray zu heiraten. So schnell es geht." ,,Dir ist schon klar, dass in einem Monat Tag der Ernte ist, oder?", fragte Gilian. ,,Ja, weiß ich. Deswegen ja so schnell wie möglich. In einer Woche." Gilian klappte die Kinnlade runter. ,,Bist du komplett von Sinnen? Wie soll das denn gehen?" In diesem Moment war es ihr egal, dass sie immer noch mit dem Präsidenten sprach. ,,Ich werde heute meine Verlobung verkünden. Und in einer Woche soll die Hochzeit stattfinden.", erklärte er. Tigris und Gilian warfen sich Blicke zu. ,,Tigris, du wirst die Kleider für Lucy Gray und Ivy vorbereiten. Ich bin mir sicher, dir fällt was tolles ein. Gilian, du wirst dafür Sorgen, dass die Übertragungen heute und in einer Woche stattfinden können." ,,Ähmm...hast du dir eigentlich Gedanken gemacht, was alles zu tun ist? Wir müssen jemanden organisieren, der euch traut, Einladungen verteilen, Catering bestellen, Blumen...alles einfach. Weißt du, was das für eine Arbeit ist?" Gilian gestikulierte wild. Coriolanus lächelte nur. ,,Ja, weiß ich. Deshalb kümmerst du dich darum, weil du das mit Bravur meistern wirst." Sie verdrehte die Augen. ,,Hälst du das wirklich für eine gute Idee? Der wöchentliche Bericht aus den Distrikten zeigt eine angespannte Stimmung. In Distrikt 8 wurden nur in der letzten Woche acht Menschen verhaftet. Ihnen wird vorgeworfen, der Rebellion anzugehören." Coriolanus seufzte und überlegte. ,,Wäre da nicht die perfekte Idee, eine solche Festivität zu veranstalten? Eine große Hochzeit sorgt für die Gesprächsstoff und Freude in den Distrikten." Gilian überlegte einen Moment. ,,Ja...könnte funktionieren. Wie wäre es, wenn wir Personen aus den Distrikten einladen?" Coriolanus rümpfte die Nase. ,,Guck nicht so. Maude könnte zum Beispiel kommen. Das würde Lucy Gray sehr freuen." Er seufzte schwer. ,,Also schön. Ladet die Bürgermeister ein und deren Familie. Sie sollen ausgewählte Leute bestimmen. Maude soll herfahren. Es soll für Lucy Gray eine Überraschung." Gilian nickte und schritt zu Türe. Bevor sie rausging, rief Coriolanus: ,,Warte!" Gilian drehte sich um. ,,Danke für deine Mühe." Sie nickte und verließ den Raum. ,,Coriol, meinst du es wirklich ernst mit ihr?", fragte Tigris. ,,Ja., ich habe noch nie etwas so ernst gemeint.", antwortete er. ,,Willst du sie kennen lernen?" ,,Ja.", antwortete sie. Die beiden verließen zusammen den Raum.

Ihre Schritte hallten von den Wänden wieder. Tigris war noch immer überrumpelt und verwirrt, aber auch etwas aufgeregt. ,,Warum heiratest du sie wirklich?", fragte sie. ,,Ein uneheliches Kind würde als Präsident nicht allzu gut ankommen.", sagte er. ,,Das Kind bleibt ein Bastard, auch wenn ihr jetzt heiratet.", sagte Tigris. ,,Nenn meine Tochter nie wieder so.", zischte er. ,,Du hättest dir der Konsequenzen bewusst sein sollen. Ich meine, du wusstest wie Kinder entstehen." Er war überrascht von der Härte in ihrer Stimme. So kannte er seine Cousine gar nicht. ,,Ja, wusste ich. In diesem Moment habe ich aber tatsächlich nicht daran gedacht und auch nicht damit gerechnet." ,,Klar, du hattest was anderes zu tun.", sagte sie verächtlich. Coriolanus kochte innerlich. Bei Gilian war er solche Bemerkungen gewohnt, aber nicht von Tigris. Sie erreichten das Gästezimmer. Er atmete tief ein und klopfte. ,,Herein.", kam von innen. Er öffnete und trat ein. Lucy Gray hatte von Gilian ein Kinderbuch und eine Haarbürste erhalten und so saßen sie auf dem Bett und Lucy Gray kämmte Ivy die Haare, während diese stockend aus dem Buch vorlas. Sie war zwar noch nicht in der Schule, aber Lucy Gray hatte ihr immer vorgelesen. Und irgendwann wollte die Kleine selbst lesen. ,,...als der Prinz...zu dem...Schloss kam...da..." Sie stoppte und sah hoch. ,,Papa!" Lucy Gray stoppte ebenfalls. Coriolanus wurde warm ums Herz und lächelte. ,,Guten Morgen. Geht es euch gut?" ,,Bestens, danke.", sagte Lucy Gray. ,,Ich möchte euch jemanden vorstellen." Er trat zur Seite und gab den Blick auf Tigris frei. ,,Das ist meine Cousine Tigris. Tigris, das sind Lucy Gray und die kleine Ivy Rose." ,,Ich bin nicht klein. Ich bin größer als Sarah Jenkins und die ist schon sieben!", rief Ivy empört. Coriolanus hatte zwar keine Ahnung, wer Sarah Jenkins war, aber er lachte. ,,Na schön, die große Ivy Rose." Die Kleine lächelte und sie und Lucy Gray erhoben sich. Sie lief auf Tigris zu und reichte ihr die Hand. ,,Hallo Tigris, es freut mich dich kennenzulernen." Tigris erwiderte etwas perplex den Handschlag. ,,Hallo  Ivy." Die Kleine wandte sich Coriolanus zu. ,,Darf ich dich umarmen?" ,,Ja natürlich, warum solltest du das nicht dürfen?", fragte er. ,,Mommy sagte ich war gestern zu stürmisch und, dass man das nicht einfach macht...", erklärte sie verlegen. Coriolanus kniete sich hin. ,,Ich bin dein Vater. Du darfst mich jederzeit umarmen." Er schloss sie in die Arme. Er hielt seinen Moment lang und genoß die Wärme, die sie ausstrahlte. Lucy Gray betrachtete sie lächelnd und sah dann zu Tigris. ,,Hallo.", sagte sie etwas verhalten. Tigris schien doch warm zu werden und schenkte ihr ein warmes Lächeln. ,,Willkommen in unserem Heim. Es freut mich sehr, dich kennenzulernen." Coriolanus erhob sich. ,,Tigris wird sich um eure Outfits für die Hochzeit kümmern. Ich weiß, es geht sehr schnell, aber die Hochzeit ist in einer Woche." Lucy Gray staunte. ,,In einer Woche?" ,,Ja. Ich werde nachher live die Verlobung verkünden. Es ist clever vor den Spielen zu heiraten, um die Stimmung  in den Distrikten zu heben. Sofern, das geht." Lucy Gray nickte. ,,Was ist mit unseren Sachen in Distrikt 12?", fragte sie. ,,Ich werde sie holen lassen." Er sah auf seine Armbanduhr. ,,Ich befürchte, ich muss jetzt los. Wir sehen uns heute Abend." Er verließ den Raum. ,,Ich müsste eure Maße nehmen, um die Kleider nähen zu können.", sagte Tigris. ,,Möchtet ihr mich in mein Arbeitszimmer begleiten?" Lucy Gray nickte und die drei machten auf den Weg zu Tigris Gästezimmer. Sie gingen die Treppe hinauf und bogen nach links ab. Sie kamen an vielen Türen vorbei, bis sie an einer Türe hielten. Tigris öffnete und sie traten in einen Raum, der übersät war mit Stoffen und Ankleidepuppen. Stoffreste bedeckten den Boden, andere Stoffe waren säuberlich in die hölzernen Regale an den Wänden sortiert. Tigris lief zu dem Tisch in der Mitte mit der Nähmaschine und griff sich ein gelbes Maßband. Lucy Gray und Ivy traten zögernd ein. ,,Wow." Lucy Gray beäugte ein smaragdgrünes Kleid, dass ein einer Kleiderpuppe hing. Das schlichte Kleid in hochglanz war überzogen mit einem schwarzen, durchsichtigen Tüllstoff, auf den kleine rosa Blumen und kleine Ranken genäht waren. ,,Das ist wunderschön." Tigris lächelte dankbar. ,,Danke schön. Ich warte noch auf einen Anlass es zu tragen." Sie ging zu den beiden rüber. ,,Hier. Stell dich hier drauf.", sagte sie und deutete auf ein kleines rundes Podest. Lucy Gray stellte sich darauf und Tigris maß ihre Größe, Taille, Brustumfang, Schultern, Hüfte und Hals. Sie notierte etwas auf an einem Notizblock. Währenddessen musterte Lucy Gray erneut den Ring an ihrer Hand. Tigris sah auf. ,,Erstaunlich, dass er sich von diesem Ring getrennt hat. Er bedeutet ihm viel." Sie sah, wie verwirrt Lucy Gray war. Ivy sah sich einige Stoffe im Regal an, ließ diese aber ordentlich. ,,Du musst das nicht tun, wenn du nicht willst." ,,Doch, ich muss. Für meine Tochter. Er würde sie niemals gehen lassen und bevor ich sie nie wieder sehe..." Tigris ließ den Kopf hängen. ,,Ich weiß, er macht es nur, um einem Skandal zu umgehen. Ich bedeute ihm nichts. Ich hoffe, dass Ivy ihm etwas bedeutet..." Tigris versuchte ein aufmunterndes Lächeln aufzusetzen. ,,So, wie ich ihn eben gesehen habe, bedeutet sie ihm schon jetzt viel. Er denkt meistens an sich selbst. Er wäre sonst nicht dort, wo er jetzt ist. Auch wenn er dafür über Leichen gehen musste." Lucy Gray sah auf. ,,Du weißt davon?" ,,Ja. Es war auch nur logisch. Sein Vater war genauso. Ich hatte immer gehofft, dass er anders wird. Und manchmal habe ich diese Hoffnung immer noch. Vielleicht ändert er sich für Ivy und für dich." Lucy Gray schluckte einen Kloß in ihrem Hals herunter. Ivy hatte ihre Unterhaltung nicht mitgehört und summte ein Lied. ,,So Ivy. Du bist dran.", sagte Tigris. ,,Jaa.", rief Ivy und lief auf das Podest. Tigris nahm ihre Maße umd schrieb auch diese auf. ,,Meine Mama und mein Papa heiraten. Ich möchte hübsch sein.", sagte sie verträumt mit säuselnder Stimme. Tigris lächelte. ,,Du wirst wunderschön aus sehen." Ivy hüpfte auf und rannte ihn Lucy Grays Arme. ,,Sie wird eine Snow sein, weißt du das?", fragte Tigris an sie gewandt. Lucy Gray seufzte und nickte. ,,Ja, ich weiß. Sie wird niemals werden, wie er. Dafür sorge ich." Tigris nickte. ,,Wir werden euch ein anderes Zimmer geben. Ivy wird ein eigenes Zimmer bekommen. Ihr werdet ja jetzt hier wohnen. Es tut mir Leid, dass alles so schnell ging." Lucy Gray lächelte mild. ,,Ist schon gut. Ich habe gewusst, dass er es irgendwann erfährt. Ich tröste mich damit, dass sie nun einen Vater hat und mit ihm aufwächst. Anders als ich. Und hier wird sie gute Bildung bekommen. Und  Gilian und du seit auch noch da. Ihr habt uns lieb aufgenommen." ,,Wir sind immer da, wenn etwas ist."

Während im Haus des Präsidenten die Vorbereitungen begannen, war Coriolanus im Rathaus angekommen. Gilian war überaus schnell gewesen und hatte die Übertragung organisiert und Möbel bestellt, die an diesem Tag noch geliefert werden sollte. Gilian hatte ihn am Eingang in Empfang genommen und beide gingen den vertrauten Gang ins Studio. An der Türe angekommen, hielt Gilian ihn nochmal am Arm fest. ,,Hör zu, ich weiß du machst das nur für dich selbst, aber lass es Lucy Gray nicht spüren. Ich weiß nur grob, was zwischen euch war und möchte auch nicht mehr wissen. Aber wehe du krümmst ihr auch nur ein Haar." ,,Drohst du mir gerade? Ich bin der Präsident von Panem." ,,Selbst wenn du Gott höchstpersönlich wärst...du hast genügend Menschen Leid angetan." ,,Ich weiß.", zischte er. ,,Ich muss jetzt damit leben. Aber ich möchte meine Tochter sehen." Er drückte die Türklinke nach unten und betrat das Studio. Lucretius Flickerman lief direkt auf ihn zu. ,,Präsident Snow, welch überrumpelte Neuigkeiten." Er schüttelte ihm etwas zu kräftig die Hand. ,,Meine herzlichsten Glückwünsche zur Verlobung." ,,Ja...vielen Dank.", sagte Coriolanus und als Flickerman ihm den Rücken zugekehrt hatte, rieb er sich die schmerzende Hand. ,,Es ist alles bereit!", rief einer der am Regiepult in der Ecke saß. ,,Wunderbar.", rief Flickerman und drehte sich schwungvoll um. ,,Wir sind im Fernsehen zu sehen. Überall im Land." Flickerman und Coriolanus standen wieder vor den Kameras. Das Scheinwerferlicht richtete sich auf sie. Ein Zeichen des Regisseurs und das grüne Licht erschien. ,,Verehrte Bürger von Panem, bei mir steht der Präsident Coriolanus Snow mit einer Sonderankündigung. Es war die größte Überraschung des Tages als mich heute in aller Herrgottsfrühe folgende Nachricht erreichte: der Präsident hat sich verlobt und wird in einer Woche schon heiraten. Es wird eine große Feier werden. Aber lassen wir den Präsident doch selbst zu Wort kommen. Erzählen Sie mal, wer denn die Glückliche ist." Er hielt ihm das Mikrofon hin. ,,Ja, Lucretius. In der Tat habe ich mich gestern Abend erst verlobt. Die Wahl meiner Zukünftigen ist tatsächlich eine Überraschung. Es ist Lucy Gray Baird. Die Siegerin der zehnten Hungerspiele. Ich war ihr Mentor. Während meiner Zeit als Friedenswächter lernten wir uns lieben. Sie war meine erste große Liebe. Ich habe sie seit meiner Abreise nicht mehr gesehen. Und nun habe ich erfahren, dass ich mit ihr eine fast sechs Jahre alte Tochter habe. Das war ein riesiger Schock für mich. Aber nun möchte ich unsere Liebe besiegeln." Flickerman sah ihn einen kurzen Moment an, bis er wieder in die Kamera sprach. ,,Wow, welch überweltigende Informationen. Eine überraschende Verlobung und dann direkt ein kleines Kind. Wer hätte das gedacht? Nun, sind wir gespannt auf die Hochzeit und wünschen wir der Familie alles Gute. Das war es aus dem Kapitol. Danke Panem, für die Aufmerksamkeit." Das Licht der Kamera sprang auf rot. ,,Haben Sie das gerade ernst gemeint?", flüsterte Flickerman zu Coriolanus. ,,Ja, das war mein voller Ernst." Mit diesen Worten verließ das Studio. Gilian erwartete ihn bereits mit verschränkten Armen. ,,Wie schaffst du es nur immer wieder mich zu überraschen?" ,,Meinst du, die Distrikte werden es gut aufnehmen?" Sie zuckte mit den Schultern. ,,Keine Ahnung. Das sehen wir im wöchentlichen Bericht." Eine junge Frau mit hohen Schuhen kam mit schnellen Schritten auf sie zu. Sie bemerkte den Präsidenten und nickte ihm förmlich zu. ,,Mr. Präsident." Er nickte ihr zu. ,,Miss Hillers, die Einladungen sind fertig. Sie müssten noch einmal abgesegnet werden." Gilian nickte. ,,Wir sehen uns später.", sagte sie zu Coriolanus und ging mit der Frau mit. Coriolanus lächelte. Es würde zwar eine Herausforderung sein, alles in der Zeit zu organisieren. Aber es würde klappen. Er würde sich seine Familie nicht mehr nehmen lassen.

The Anthem of Gemstones and WoodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt