8.Kapitel

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Er tritt zwischen den hohen, stabilen Hütten hervor und der Stammesälteste hebt den Kopf. Er verneigt sich leicht und der Gast tut es ihm gleich. Die anderen Personen bemerken ihn gar nicht oder lassen es sich nicht anmerken. Er tritt auf den Kreis zu und öffnet seinen Mantel, um die Hitze des staubigen Landes herauszulassen. Der Blick des Alten bleibt an den vielen Narben, der rechten Hand des Ankömmlings hängen. Dieser vermisst schon jetzt die angenehme Kühle seines Gebietes, obwohl er erst seit höchstens zehn Sonnenmaßen, also etwa von morgens bis nachmittags unterwegs ist. Sein Stamm bewohnt die steinige Schattenlandschaft und ist die kalte und karge Umgebung gewohnt. Doch die heiße, unfruchtbare Wüste ist das genaue Gegenteil. Er setzt sich neben den Weisen und streckt seine Beine aus, um sie vom Laufen auszuruhen. Die anderen im Kreis schauen auf und mustern ihn merkwürdig. Der Konflikt spitzt sich also immer mehr zu...

Meine Hand schmerzte immer noch, obwohl schon einige Tage her waren, als sie meinen tiefsten Schnitt genäht hatten.
Den ganzen Tag dachte ich an die Dinge, die in letzter Zeit passiert waren. Ich hatte eine 5mm dicke Limoflasche zerdrückt. Mit den bloßen Händen.
Linn schaute von diesem Tag ab täglich nach mir und versuchte immer aus mir heraus zu bekommen, wie ich das mit der Flasche angestellt hatte. "Keine Ahnung", seufzte ich jedesmal. Das war nicht einmal gelogen.
Als Linn wieder einmal zu Sam ging, wusste ich nicht, was ich machen sollte. Ich wollte so gerne wieder auf den Dächern herum schlendern, aber da war noch das Verband an meiner Hand, das mich an diesem Wunsch hinderte. Deshalb beschloss ich einfach, spazieren zu gehen, um wenigstens etwas frische Luft schnappen. Langsam und gelangweilt schlenderte ich durch die leeren Straßen, ohne zu wissen wohin ich überhaupt ging. Auf einmal schlug etwas dumpf zu meiner Rechten auf der geterrten Erde auf und ich ließ vor Schreck einen kleinen, spitzen Schrei los.
"Psch, gehts noch auffälliger?", fragte Jack.
Ich starrte ihn verwundert an. "Was willst du denn hier?", frage ich mit immer noch leicht piepsiger Stimme, dennoch war ich erleichtert, ihn mal wieder zu sehen. Roofwalker - die hatten mir in letzter Zeit gefehlt!
"Lust auf einen kleinen Ausflug? Der letzte ist schon so lange her", sagte er ohne meine Frage zu beachten, doch dann fiel sein Blick auf die Hand, die ich hinter meinem Rücken versuchte zu verstecken.
"Was hast du da gemacht? Was ist mit deiner Hand?", fragte er, plötzlich sehr ernst. Ich zuckte mit den Schultern. Mein Blick irrte in der Umgebung umher. "Nichts weiter schlimmes. Ich habe etwas zerquetscht..."
Er musterte mich merkwürdig. Nicht verwundert oder geschockt, sondern eher etwas neugierig. "Und...wieso?", fragte er leise und seine hellen Augen glitzerten. Weil ich eine verrückte Auseinandersetzung mit einer Blondie hatte, die sauer auf mich war, weil ich auf ihren Chris stehe. Gott, wie sich das schon anhörte.
"War sauer", sagte ich knapp. Jack nickte nachdenklich, doch er schien verstanden zu haben, dass ich keine weiteren Details nennen wollte.
"Dann laufen wir eben", meinte er entschieden, nahm meine gesunde Hand und zog mich hinter sich her. Eigentlich hätte ich ihm jetzt die Hand weggezogen. Doch es fühlte sich nicht falsch an. Es fühlte sich sogar richtig an. Als ob sich das so gehörte. Seine starke, warme Hand drückte nicht zu fest zu und war auch bei diesen Temperaturen nicht schwitzig. Perfekte Hände. An ihm war sowieso alles perfekt. Als ich ihn wieder einmal eingehend musterte, merkte ich erst, wie attraktiv ich ihn fand. Doch dann musste ich wieder an Chris denken und zog meine Hand schnell zurück, als hätte ich mich an ihm verbrannt. Jack schaute mich verwundert an. Doch als er in mein Gesicht sah, leuchtete ihm etwas auf und er lief im größeren Abstand neben mir. Ich suchte in seinem Gesicht nach einer Reaktion, doch es war vollkommen ausdruckslos und so liefen wir einige Zeit schweigend nebeneinander her. Jetzt, da ich meine Hände frei hatte, wusste ich nicht, wohin ich sie tun sollte und ich bereute es sofort, so gehandelt zu haben.
Es hatte sich doch richtig angefühlt, also wieso nicht? Mit zwei Schritten hatte ich den Abstand zwischen uns überwunden und ich griff instinktiv wieder nach seiner Hand.

Er blieb abrupt stehen und nun sah ich sein Gesicht noch verwirrter, als es vorher schon ausgesehen hatte. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch dann klappte er ihn wieder zu. Ich wartete mit hochgezogenen Augenbrauen darauf, dass er etwas sagte. Er seufzte laut aus und ließ meine Hand kurz los, nur um sie kurz darauf wieder in die seine zu nehmen.
"Ist dir bewusst, wie du andere mit deinem Verhalten verwirrst?", lachte er und strich sich leicht erschöpft über das Gesicht. Ich lachte verlegen und betrachtete unsere ineinander verknoteten Hände.
"Es fühlt sich richtig an, nicht wahr?", fragte er und ließ somit die erste Frage unbeantwortet stehen. Ich schloss die Augen und konzentrierte mich auf die Hand, die die seine hielt. Dann zuckte ich mit den Schultern. "Ich weiß es nicht. ich kann das einfach nicht definieren...", murmelte ich und er lächelte leicht.

Der Verband um meine rechte Hand pikste mal wieder. Ich versuchte, mich darunter zu kratzen, doch das machte es nur noch schlimmer. Meine Mom tippte auf meine Schulter, um meine Aufmerksamkeit zu bekommen.
'Vielleicht solltest du den Verband mal ab machen?', fragte sie mit ein paar Gesten und deutete dann auf meine rechte Hand. ich zuckte mit den Schultern. 'Meinst du?'
- 'Ja.' Sie nickte aufmunternd. Ich hielt ihr meine Hand hin und sie begann in sehr vorsichtig zu öffnen. Als sie kurz inne hielt fragte ihr Blick 'tut es weh?' Ich schüttelte den Kopf und sie fuhr fort. Als meine Hand frei war sah ich, dass die Ärzte gute Arbeit geleistet hatten. Von den vielen Schnitten waren nur noch dünne helle Streifen zu sehen, die an meinen Wutausbruch erinnerten. Vorsichtig berührte ich einen der feinen Linien und zog meine Hand sofort wieder zurück, da es immer noch höllisch brannte. Mum schaute mich mitleidig an und ging dann hoch ins Bad, um frisches Verband zu hohlen. Wenige Zeit später kam sie mit einer Salbe und weißem Band wieder. Nachdem sie mich fertig verarztet hatte, stieg ich die Treppen hoch zu meinem Zimmer und legte mich mit einem Lieblingsbuch in meine Kissenecke, die ich mir als kleines Kind einmal eingerichtet hatte. Die Kissen wurden zwar in der Zwischenzeit schonmal ausgetauscht, doch ich liebte es immer noch, mich dorthin zurück zu ziehen.

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