Heute ist es endlich soweit. Ich trete meine neue Arbeit im Antiquariat bek Carl an und freue mich wie ein Honigkuchenpferd. Mein Herz klopft in einem ruhigen Takt, während ich noch in Erinnerungen an das vergangene Wochenende schwelge. Wir waren an einem wunderschönen See und haben gepicknickt. Danach war Loana besonders zärtlich zu mir, was ich so von ihr kaum kenne.
Nun stehe ich also hier. Im Antiquariat selbst ist's noch düster, weil ich vor Aufregung nicht mehr zuhause bleiben konnte und nun ein wenig auf meinen Arbeitsbeginn warten muss. All das macht mir allerdings überhaupt nichts aus, denn heute herrscht herrliches Wetter. Die Sonne hat mich schon begrüßt, da habe ich kaum die Wohnung verlassen. Hoffentlich hat Carl auch Aufgaben für mich, die ich hier draußen erledigen kann, denn ich möchte diesen schönen Tag nur sehr ungern drinnen verbringen. Das Fenster sieht nämlich auch so aus, als hätte es eine Grundreinigung bitter nötig. Fast überall sind diese weißen Spuren zu sehen. Ich werde Carl nach Putzzeug fragen, sobald er da ist.
Gegenüber vom Antiquariat befindet sich ein gemütliches, kleines Café. Man muss nur die Straße überqueren und schon ist man da.
Just in diesem Moment meldet sich mein Magen zu Wort. Ich habe zwar gefrühstückt, allerdings ist das auch schon eine Weile her. Von hier aus kann ich sehen, dass bereits Stühle nach draußen gestellt worden sind. Da ich noch massig Zeit übrig habe, setzen sich meine Beine wie von selbst in Bewegung.
Im Café selbst herrscht erst einmal eine seltsame Stille, als ich es betrete. Nur das Glöckchen an der Tür durchbricht sie für eine kurze Zeit.
Ich suche mir einen Platz am Fenster und genieße diese Stille, welche mich umgibt. Schon bald wird hier nämlich viel Trubel herrschen.
Die Bedienung kommt kurze Zeit später an meinen Tisch. Es ist eine junge Frau mit lockigen schwarzen Haaren und grünen Augen.
Ich entscheide mich für einen Latte Macchiato und ein Stück Zitronenkuchen. Man sollte sich im Leben nämlich immer wieder mal was gönnen. Meine Bestellung kommt in Sekundenschnelle. Während ich den Kuchen mit einer Gabel in einzelne Stücke zerteile, beobachte ich das Geschehen draußen. Es hat mir nämlich schon damals als Kind unglaubliche Freude bereitet, dieses Treiben einfach nur still beobachten zu können.
Plötzlich habe ich diese Vorahnung, welche mich in eine ganz bestimmte Richtung lenkt. Sie gefällt mir ganz und gar nicht, denn sie fühlt sich sehr unangenehm an. Ich folge diesem Gefühl aber trotzdem. Nur aus reiner Neugier und weil sie die Oberhand gewonnen hat.
Die nächsten Sekunden kommen mir so unglaublich surreal vor, dass ich denke, ich sei bei einem schlechten Film im Kino eingeschlafen. Ich sehe Loana und eine weibliche Person, die mir unbekannt ist. Zwischen den beiden scheint eine feurige Diskussion entstanden zu sein, denn ich sehe, wie diese Fremde mit ihren Armen alles zu untermauern versucht, während Loana ganz locker dem Gespräch folgt. Leider kann ich nicht hören, was die beiden da reden. Dafür sitze ich nämlich zu weit weg und außerdem dämpft auch das Glas des Fensters so einige Geräusche von draußen. Soll ich Loana heute Abend drauf ansprechen, dass ich die Unterhaltung zufällig gesehen habe?
Ich verschwende erstmal keinen weiteren Gedanken daran, denn meine Schicht beginnt in zehn Minuten. Wie schnell die Zeit doch schon wieder verflogen ist. Unfassbar.
Ich trinke die Überbleibsel meines Latte Macchiatos hastig, doch dieser schmeckt mir nun überhaupt nicht mehr, weil er mittlerweile fast ganz kalt geworden ist. Renne regelrecht aus dem Café zur Straße und sehe Carl schon von weitem, wie er den Laden aufschließt. Hoffentlich bin ich nicht zu spät? Ich überquere die Straße schnellen Schrittes. Zu meinem Glück herrscht wenig Verkehr und ich erreiche das Antiquariat nur wenige Sekunden später.