KAPITEL 72

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HUNTER

Die Fetzen von Octavios Gesicht verteilen sich auf dem Boden und verbreiten einen metallischen Geruch. Mein Herz pumpt weiter, während seins allmählich aufgibt. Ich sehe ihm in die Augen, warte, dass das Leben schwindet. Das Jagdmesser hat seine Lunge erwischt. Er hätte auf mich hören sollen. Sich nicht bewegen sollen. Jetzt ist mein Spiel vorbei und ich sehe ihm gelassen zu, wie er erstickt. Blut fließt über sein Kinn und tropft auf meine Hand, die sich um das Messer geschlossen hat.

Slater würgt in meinem Rücken. Titus rührt sich immer noch nicht und mein leiblicher Vater gibt erboste Verfluchungen von sich. Alexandra wimmert und einige Tränen laufen über ihre Wange hinab. Vielleicht weint sie um den Mann, der ich einmal gewesen bin, allerdings ist es wahrscheinlicher, dass sie um Octavio weint.

Ein letztes Mal holt er röchelnd Luft, dann fällt sein Kopf nach vorne. Er ist tot.

Die Genugtuung bleibt aus. Um mein Herz bildet sich ein schwärzender Klumpen, trotzdem ziehe ich das Messer mit einem Seufzen aus seinem Körper und drehe mich um. Slater hat gekotzt. Wundervoll.

Genervt schnaube ich und leere den Eimer mit Wasser neben ihm auf. Langsam gehe ich vor ihm in die Hocke, schenke ihm ein kühles Lächeln. »Wer ist der Nächste, Slater?« Meine Frage lässt seine Brauen in die Höhe hüpfen. Fassungslos schüttelt er den Kopf, unterdessen sehe ich zu meinem leiblichen Vater. Er starrt mir boshaft entgegen.

In seinen Augen tobt der gleiche Sturm, wie in meinen, sobald der Zorn mich niederringt. Heute werde ich ihm seinen Sturm nehmen und mich befreien. Die Wahrheit wird niemals eine andere sein, aber die Tatsache, dass ich ihn nie wieder sehen werde, wird mir helfen.

Slater gibt mir keine Antwort, sondern wendet den Blick ab. Er starrt schockiert auf seinen Onkel herunter, der zwar noch atmet, aber überaus leblos erscheint.

Sein Blick genügt, damit ich Titus aus seinen Armen reiße und mich ihm widme. Es macht nicht sonderlich viel Spaß, weil er nicht wach wird. Abgesehen davon hat er vermutlich nicht viel mit der ganzen Angelegenheit zu tun.

Bedauerlicherweise musste ich Mav versprechen, es schnell zu erledigen, damit er ihn wieder zurückschaffen kann und sie es als Selbstmord vermerken können. Die Knastakten müssen schließlich stimmen. Seufzend binde ich ein Seil um seine Kehle und ziehe es zu. Es dauert nicht lange, dann fällt er leblos in sich zusammen.

Slater hat den Kopf gegen die Wand gelehnt und den Blick ins Leere gerichtet. Die Reihenfolge der Morde ist mir unwichtig, obgleich Alexandra die Letzte sein wird. Ich will, dass sie sieht, wozu ihre Scharade mich betrieben hat. Sie soll vor ihrem Tod begreifen, was sie aus meinem Leben gemacht hat.

Also stelle ich mich mit verschränkten Armen vor meinen leiblichen Vater und mustere ihn mit einem Schmunzeln. Mir wird übel, während ich ihn ansehe. Fuck, er sieht mir eindeutlich ziemlich ähnlich. Dennoch haben wir nichts gemeinsam. Uns verbindet überhaupt nichts, abgesehen von Blut und DNA. Greller Hass flackert in meinem Sichtfeld und ich wende ihm den Rücken zu. Mein Blick gleitet über die Werkzeuge und Waffen auf der Küchenzeile.

»Hunter, komm schon«, wispert Slater. Ich werfe ihm einen prüfenden Blick zu. Er schluckt und beißt die Zähne zusammen. »Lass uns damit aufhören.« Sein Flehen würde mich rühren, wenn er Xyla nicht vergewaltigt hätte.

»Ich werde aufhören, Slater. Endgültig. Sobald keiner von euch mehr atmet. Dann höre ich auf.« Meine Information lässt Tränen in seine Augen steigen. Entweder ist er ein verflucht guter Schauspieler oder er leidet wirklich. Kurz sehe ich ihn an, aber er wendet den Blick ab.

Almost Erase YouWo Geschichten leben. Entdecke jetzt