1. Der Tanz der Fäden

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Dein Schicksal ist dir vorherbestimmt, es liegt allein an dir ob du es annimmst oder es veränderst.

In den düstersten Gassen der Stadt Eldoria, wo die Vergangenheit wie Dämonen in den Schatten lauerte, welche nur darauf warteten über einen herzufallen, schlenderte Ylva mit katzenhafter Eleganz über den verdreckten Boden.
Ihr Cape hatte sie tief ins Gesicht gezogen und sie huschte an allem und jedem beinahe lautlos vorbei. Sie wollte so schnell wie möglich aus diesen Gassen verschwinden und möglichst keinerlei Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
Die vergangenen Jahre hatten sie gelehrt, dass diese dunklen Gassen nicht nur äußerlich abstoßend wirkten, sondern auch alles was sich zwischen den engen Mauern der Häuser abspielte durch und durch abstoßend war.
Nicht selten hörte man von Diebstählen, Schlägereien, vermissten Personen oder sogar Morden, welche im Schatten, abgegrenzt von der Außenwelt und außer Reichweite der hier zuständigen Sicherheitsbehörden, geschahen.
Nicht das sich die Behörden ansatzweise darum kümmern würden, immerhin kamen sie aus der direkten Umgebung des Schlosses und wurden hierhin abgeordnet und alle die hier leben mussten waren in ihren Augen genau so viel wert wie eine Ameise.
Dies und ihr Leben im Waisenhaus hatte sie dazu gelehrt, niemandem zu vertrauen außer sich selbst.

Ihre Augen blitzen unter ihrem Cape hervor wie zwei Smaragde und sie trugen diesen Blick, der mehr wusste als er preisgab.

Sie schnellte um eine Häuserecke und stolperte fast über einen Haufen Müll den jemand einfach auf der Straße ausgekippt hatte.
Angeekelt kräuselte Ylva ihre Nase und sie blickte sehnsüchtig Richtung Schloss, wo allerdings nur die weißen Türme wie umgedrehte Eiszapfen über den dunklen und dreckigen Dächern des Armutsviertels hervorragten.

Dort ist bestimmt alles sauber, dachte Ylva und ließ ein trotziges seufzten von sich.
Warum wurde sie nicht einfach in eine reiche Familie geboren oder warum konnten ihre Eltern nicht einfach noch leben? Dann hätte sie vielleicht nicht in dem dreckigsten Viertel der Stadt aufwachsen müssen.

Ylva hatte gelernt sich sowas besser nicht zu fragen und stolzierte auf flinken Füßen weiter die Gassen entlang.
Dieser Ort, mit den viel zu vielen engen Gassen, welche schon an einem Labyrinth grenzten, konnte Ylva eigentlich überhaupt nicht leiden.
Nichts desto trotz musste sie schnell zurück ins Waisenhaus um wenigstens etwas vom Mittagessen noch abzustauben und der Weg durch die Hauptstraße hätte zu viel Zeit in Anspruch genommen, da es dort um die Zeit Rappel voll war.

Die Sonne stand mittlerweile hoch am Himmel und tauchte die sonst so dunklen Gassen in Goldenes Licht. Von der Hauptstraße her wehte ihr ein Luftzug entgegen, der nach Gewürzen und gebranntem Fleisch duftete. Ihr Magen knurrte vor Hunger und sie versuchte noch ein bisschen schneller zu werden.

Während sie sehnsüchtig an ihr Mittagessen dachte, wurde sie plötzlich an einer rauen Hand an die Wand gedrückt. Drei finstere Gestalten umringten sie, ihre Gesichter unter Kapuzen verborgen.

„Was haben wir denn hier?" knurrte der scheinbare Anführer der Drei. Er war bullig gebaut und unter seiner Kapuze konnte Ylva eine Narbe über seinem Auge entdecken. Ylva wusste sofort, dass mit denen kein gut Kirschen zu essen war.
„Gib uns dein Geld Mädchen, oder es wird ungemütlich."

Nein, nein, nein dachte Ylva und sie spürte wie Panik in ihr Aufstieg. Sowas war ihr bis jetzt nur wenige Male passiert und jedes mal hatte sie es irgendwie geschafft unbeschadet davon zu kommen, aber dieses mal hatten ihre schnellen Reflexe sie im Stich gelassen und ihre Schnelligkeit würde ihr jetzt auch nichts mehr bringen.

Sie begann zu verzweifeln und blicke sich hektisch um, aber sie entdecke keinen möglichen Fluchtweg für sich.
Neben der Panik und der Verzweiflung spürte sie jedoch, wie sich noch etwas anderes in ihrem Inneren regte. Eine teils vertraute Kraft, welche sie allerdings immer versuchte zu unterdrücken, begann in ihr zu brodeln.

„Ich habe nichts", sagte sie fest, doch ihre Stimme zitterte leicht. „Lasst mich in Ruhe."

Der Anführer lachte nur kühl und griff nach ihr. Ab diesem Moment konnte Ylva selbst nicht mehr genau beschreiben was passierte.
Eine Macht brach aus ihr hervor und sie fühlte sich sofort stärker und sicherer. Die Luft um sie herum begann zu flimmern und seltsame Fäden, welche sich Ylva nicht erklären konnte, wurden sichtbar und leuchteten ihn einem kaleidoskopischen Spektakel. Die Banditen schienen bemerkt zu haben, dass sich etwas verändert hatte, denn sie schauten verwirrt drein und der Anführer wich sogar einen halben Schritt zurück. Die Fäden jedoch schienen unsichtbar für ihre Augen zu sein, denn sie fixierten weiterhin nur Ylva.

Ylva spürte, dass sie nun etwas tun musste und griff instinktiv nach einem der Fäden. Ein leuchtendes Netz spannte sich um die Banditen und zog sich zusammen, fesselte sie in einer magischen Umarmung. Ylva erschrak und die Männer schrien auf, unfähig, sich zu bewegen, während die Macht Ylvas weiter durch sie hindurchfloss.

Mit einem letzten Zug ihrer Hand schickte Ylva die Banditen in die Bewusstlosigkeit. Die Fäden verschwanden, als ob sie nie da gewesen wären, und die Männer sanken fast leblos zu Boden.

Ylva atmete schwer, als die magische Energie um sie herum erlosch. Mit weit ausgerissenen Augen starrte sie auf das Bündel Banditen auf dem Boden.
Was sollte sie jetzt tun? Einfach weitergehen und so tun als wär nichts gewesen? Was wenn das jemand gesehen hatte?
Ylva erschauderte leicht, als sie die Augen von jemandem auf sich gerichtet spürte und sie blickte sich um. Am Ende der Gasse stand ein junger Mann, dessen graue Augen sie aufmerksam musterten. Er hatte sich im Schatten verborgen gehalten, doch seine Anwesenheit war ihr nicht entgangen.

Er trat näher, sein Gesicht ausdruckslos. „Alles in Ordnung?" fragte er, als wäre er nur zufällig vorbeigekommen.

Ylva nickte, unsicher, was sie von ihm halten sollte. Hatte er alles gesehen was gerade geschehen war?
„Ja, danke. Sie wollten nur mein Geld."

Der Mann zuckte mit den Schultern. „Scheint, als hättest du dich gut gewehrt." Seine Augen blitzten als er seinen Blick über den Haufen Banditen wandern ließ und Ylva danach einen flüchtigen Blick zuwarf. „Pass auf dich auf."

Dann wandte er sich ab und verschwand in den Schatten, als ob er nie da gewesen wäre. Ylva stand noch einen Moment da, bevor sie über den Haufen Banditen stieg und sich beeilte, das Waisenhaus zu erreichen. Das Mittagessen konnte sie jetzt wohl vergessen. Ihr Herz schlug schneller als gewöhnlich, nicht nur wegen des Kampfes, sondern auch wegen des merkwürdigen Fremden, der alles mitangesehen hatte. Würde er weitererzählen was er gesehen hatte oder es für sich behalten? 

Etwas in seinem Blick verriet ihr, dass sie ihn nicht zum letzten mal gesehen hatte. Und tief in ihrem Inneren wusste Ylva, dass ihr Schicksal gerade eine neue Richtung eingeschlagen hatte.

Die Schicksalsbinderin Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt