Ein Klopfen, dann öffnete sich langsam die Tür zu meinem Kinderzimmer. Wenig später streckte meine Mom den Kopf hinein. "Tooru, ich bin wieder zuhause.”
Ich lag auf meinem Bett und machte gerade eine Pause vom Lernen. Es fiel mir immer noch um einiges schwerer, wenn Iwaizumi nicht da war.
”Ey, wie sieht es denn hier aus? Ich hab doch gesagt, du sollst dein Zimmer aufräumen. Und du faulenzt die ganze Zeit. Hast du überhaupt schon deine Hausaufgaben gemacht?", keifte sie sofort empört.
Ich wusste, dass sie total übertrieb. Mein Zimmer sah halt aus, wie das eines Jugendlichen nunmal aussah. Das hatte ich mit der Zeit durch Iwaizumi gelernt. Und meine Schulaufgaben hatte ich auch schon gemacht. Es half, dass ich mit Iwaizumi geübt hatte, nicht alles zu glauben, was meine Mutter sagte. Trotzdem tat es weh. Es tat so weh, dass ich nie genug sein konnte und nicht einfach mal existieren durfte.
Aber vielleicht konnte ich ja schon bald hier weg.“Doch Mama, ich hab schon alles fertig. Ich wollte nur kurz ausruhen und nachher noch etwas lernen. Ist das so schlimm?”, antwortete ich und versuchte, nicht allzu nörgelnd zu klingen, obwohl ich das gerade liebend gern getan hätte. Aber ich wusste, dass ich mir dann auch noch etwas über meinen Ton anhören konnte.
Seit den Qualifikationsspielen war es noch viel schlimmer geworden. Wenn meine Mom auch mal ihre guten Momente hatte, in denen sie mir liebevoll mein Lieblingsessen machte oder sie sich anhörte, wie es beim Training lief, so war sie jetzt meistens unausstehlich. Dabei hatte ich ihr noch nicht mal von meinem Plan erzählt, ins Ausland zu gehen.
Aber heute schien es sie nicht sonderlich zu interessieren, denn sie antwortete nur: “Ja, mach das Tooru. Ach übrigens haben wir einen Brief für dich bekommen. Aus Argentinien. Was soll denn das bitte?”
Oh nein, sie hatte den Brief in die Finger bekommen. Den einen Brief, den ich vor ihr verheimlichen wollte. Ich hatte nicht sofort die Post gecheckt, als ich nach Hause gekommen war, weil ich nicht erwartet hätte, dass sie schon so schnell antworten würden.
“Ach, eh, keine Ahnung, was das ist. Ich kann ja schnell mal reinschauen.”, stammelte ich nervös. Was sollte ich ihr denn jetzt sagen, wenn ich den Brief las? Ich war noch nicht bereit, ihr von meinen Plänen zu erzählen.
Und vielleicht bekam ich sowieso eine Absage von der Agentur, die mein FSJ organisieren würde. Dann war es doch eh egal.“Ich kann auch kurz nachlesen”, sagte meine Mom gleich und begann bereits, den Brief zu öffnen. Schnell sprang ich vom Bett auf und hechtete zu ihr, doch zu spät. Sie war bereits dabei den Brief zu lesen.
“Ein Auslandsjahr in Argentinien?”, fragte sie sofort. Es musste bereits in der ersten Zeile stehen.
Ich antwortete nicht.
“Hast du dich dafür angemeldet? Möchtest du das machen? Tooru, nun sag doch was”, drängte meine Mom und ich konnte die Verzweiflung in ihrer Stimme hören.
Ich schluckte. Naja, irgendwann musste ich ihr es ja sagen. Trotzdem hatte ich Angst, was jetzt kommen würde. Würden meine Eltern mich rausschmeißen, wenn sie nicht einverstanden mit meinen Plänen wären? Wo sollte ich dann hin?
“Tooru!”, forderte sie erneut und endlich schaffte ich ein gepresstes “Ja” hervorzubringen.
“Aber warum? Dann bist du doch weit weg von uns. Hasst du uns etwa so sehr? Wir haben uns doch immer Mühe mit dir gegeben”, jammerte sie sofort los.
Ich presste die Hände zu Fäusten. Als ob das stimmen würde, dachte ich, doch ich konnte das nicht aussprechen, ohne mir etwas von meiner Mom einzufangen. Ich wollte aber auch nicht, dass sie noch mehr solcher herzzerreißender Sachen sagte.
“Nein”, sagte ich deshalb. “Das ist es nicht. Ich möchte…” Es fiel mir schwer einen klaren Gedanken zu fassen. Eigentlich wusste ich genau, was ich wollte, doch gerade jetzt konnte ich es nicht formulieren. “Ich möchte weg von hier. Weit weg von Volleyball” Tränen stiegen in mir hoch. Seit dem Tag unserer Ausscheidung hatte ich nicht mehr geweint. Ich hatte die Gefühle verdrängt und mich stattdessen auf die Schule konzentriert. Aber jetzt waren die Gefühle plötzlich alle wieder da. So lebendig. So stechend, als wäre es gerade erst passiert.
“Aber warum hast du das nicht mit uns abgesprochen? Warum verheimlichst du was vor uns?”
War das nicht offensichtlich? Weil ich Angst vor ihrer Reaktion hatte! Konnte ich ihr das sagen, ohne dass sie wütend wurde? Ich musste möglichst schnell eine Halbwahrheit finden. “Ich wusste nicht, ob sie mich überhaupt nehmen würden. Daher wollte ich keine Unruhe verbreiten.”
“Du hättest uns aber schon mal fragen können. Wir sind schließlich Deine Eltern.”, schimpfte meine Mom.
Ich schluckte die aufkeimenden Schuldgefühle herunter. Nein, ich wusste, warum ich das machen wollte. Ich wollte und brauchte diesen Neuanfang. “Was steht denn nun drin? Haben sie mich angenommen?”, fragte ich daher bestimmt.
Meine Mom schaute mich perplex an. Die Sekunden kamen mir vor wie Minuten oder sogar Stunden. Was würde jetzt kommen?
“Ja”, sagte sie knapp. Für einen Moment herrschte Stille, dann: “Aber ich muss mich erst mit deinem Vater beraten, ob wir dir das wirklich erlauben können. Solange lernst du für die Schule weiter! Ich bin wirklich enttäuscht.”
An dem Abend redeten wir nicht mehr miteinander. Ich bekam mein Essen aufs Zimmer, weil ich “nebenbei weiter lernen sollte”, wie meine Mutter betonte. Allerdings glaubte ich eher, dass sie mich gerade gar nicht sehen wollte. Stattdessen wollte sie mit meinem Vater darüber reden, wie es jetzt weiter gehen sollte. Ob sie mir meinen Wunsch erlauben sollten oder mich eher bestrafen sollten.
Der Gedanke, was die beiden sagen könnten, raubte mir fast den Verstand. Natürlich schaffte ich es nicht mehr, mich jetzt zu konzentrieren. Also versuchte ich mich mit anderen Dingen abzulenken. Am Ende schaute ich mir einfach nur irgendwelche dummen Clips auf meinem Handy an. Das brauchte am wenigsten Energie und war wenigsten ein wenig unterhaltsam.
Trotzdem fühlte ich mich elend. Ich versuchte zu schlafen, doch das klappte auch nicht. Also wieder Videos schauen. Dann wieder versuchen zu schlafen.
Irgendwann musste ich es dann wohl doch geschafft haben, ohne es recht zu merken. Mein Wecker weckte mich unsanft und für einen Moment war ich total verwirrt, weil ich der festen Überzeugung war, dass es noch mitten in der Nacht sein musste.
Aber ein Blick aus dem Fenster bestätigte mir, dass der Tag bereits angebrochen war.
Also rappelte ich mich auf und ging raus, um meine morgendliche Runde zu drehen. Laufen war noch das einzige, was ich tat, um mich wenigstens ein wenig fit zu halten. Es half mir, an nichts weiter zu denken.
Doch diesmal fühlte ich mich einfach nur gerädert.Ich sah meine Eltern nicht, bevor ich in die Schule ging. Ich wusste daher nicht, ob meine Mutter immer noch sauer auf mich war. Das Gefühl der Sorge lag schwer in meinem Magen. Ich war mir sicher, dass jetzt alles vorbei war. Die Aussicht auf ein Auslandsjahr nach Argentinien hatte mir ein wenig Hoffnung für die Zukunft gegeben. Einen Plan. Doch wenn meine Eltern mir das nicht erlaubten... Würde ich es schaffen, es trotzdem durchzuziehen? Schließlich war ich eigentlich schon volljährig.
“Bor, du siehst richtig scheiße aus, Oikawa”, begrüßte mich Iwaizumi, als wir uns in der Schule trafen.
Ich konnte ihm nicht mal schnippisch antworten. “Ich weiß”, erwiderte ich stattdessen.
Ich merkte den langen prüfenden Blick von ihm auf mir, doch zum Glück fragte er nicht weiter nach. Stattdessen sagte er: “Matsu, Makki und ich wollen nach der Schule in den neuen Aktionfilm gehen. Willst du mitkommen?”
Ich starrte Iwaizumi an, ungläubig, ob das gerade tatsächlich echt war.
So wie ich Iwa kannte, war das seine Art, mir ein Friedensangebot zu geben.Seit unserem Streit hatten wir nichts mehr außerhalb der Schulzeit unternommen und auch in der Schule nur spärlich miteinander geredet. Aber vielleicht war das hier gerade das einzige, was einer Entschuldigung von Iwaizumi am nächsten kam. Ich sollte es lieber annehmen. Tatsächlich wusste ich nicht mal, wer sich in diesem Fall entschuldigen sollte. Aber ich war mir auch sicher, dass ich es nicht tun würde.
Also antwortete ich einfach: “Klar”
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Coming Home (Oikawa x Iwazumi FF)
FanfictionFür Oikawa bricht eine Welt zusammen. Gerade war er noch fest davon überzeugt gewesen, sein Team zu den Nationalmannschaften zu führen und im nächsten Moment ist alles verloren. Für Oikawa steht fest, er kann nicht mehr in Mayagi bleiben, sondern mu...