Netz der Schatten

III. Die Falle

Zufrieden betrachtete Robin die Gegenstände, die sich nun auf dem Schreibtisch vor their leistungsstarken Computer stapelten. Das VR-Headset, dass in den Helm integriert war, war eines der besten, die es am Markt zu kaufen gab. Zusammen mit den Handschuhen, die zuverlässig ein haptisches Feedback liefern würden, war their Outfit perfekt. Tucker stellte derweil eine stabile Verbindung zu dem virtuellen Netzwerk her und gab die Zugangsdaten ein.
„Bist du bereit? Kannst du mich hören?" Die Stimme in Robins Helm drang klar und deutlich aus den integrierten Kopfhörern. „Bereit!", kam die Bestätigung. „Wir können starten!"

„Netzwerkzugriff gewährt", verkündete eine künstliche Stimme. Ein Klick auf die Tastatur genügte, um die Welt vor Robins Augen von einem funktionalen Büro in einen ganz anderen Kosmos zu verwandeln: Plötzlich fand sich Robin in einer schimmernden und von hohen Datentürmen dominierten Stadt aus Energie und Licht wieder. Hoch aufragende Wolkenkratzer aus leuchtenden Datenströmen ragten in den Himmel, während sich holographische Straßen in alle Richtungen erstreckten. Die Stadt pulsierte gleichmäßig, während Datenströme wie neonfarbene Flüsse durch die Straßen flossen und der Stadt einen lebendigen Charakter verliehen.

Robin hob die Hände und beobachtete, wie die haptischen Handschuhe in der virtuellen Realität zu schimmernden Werkzeugen aus Licht wurden. They streckte die linke Hand aus und berührte einen Datenstrom, der neben them durch die Straße floss. Die Berührung verursachte ein sanftes Vibrieren, das durch den Handschuh zu spüren war, als ob they tatsächlich Wasser berührt hätte. Robin hob den Blick und sah die vielen digitalen Avatare, die sich als Benutzer*innen des Netzwerks geschäftig umherbewegten. An den Häuserfronten waren die einzelnen Benutzerprofile zu sehen, die sich ständig erneuerten, erweiterten, miteinander verknüpften, Verbindungen wieder auflösten und verschwanden. Und das alles innerhalb weniger Sekunden. Einige Profile aber blieben unbewegt auf den Häusern stehen, als hätte sie jemand dort festgehalten. 

„Ich habe die Profile der User*innen, die wir suchen, für dich fixiert!", kam Tucks Stimme aus dem Helm. Robin atmete tief ein. So aufregend diese kleinen Ausflüge auch waren, they war froh, mit Tuck einen so guten und erfahrenden Kollegen an their Seite zu wissen. 

„Kannst du schon was sehen? Ich habe mich in die Metadaten einhacken können und dir einen Plan auf dein Panel geschickt", erklärte die Stimme. Robin griff in eine imaginäre Tasche und förderte ein virtuelles Kontrollpanel zutage. Der Datenstrom am Boden der Straße begann plötzlich unter den Füßen von Robins Avatar zu vibrieren und erhob sich wie ein lebender Tentakel. Ruckartig bohrte sich das grünleuchtende Licht in die Anschlussvorrichtung des Paneels. Sofort erschienen auf dem Bildschirm Zahlen, die vor Robins Augen langsam aus dem Gerät in die Höhe wuchsen und schließlich ein 3D-Modell der Stadt bildeten.

„Hast du eine Idee, wo genau ich hinmuss?", fragte Robin in die Stille der Stadt. Tuck ließ sich nicht lange Zeit mit der Antwort. „Ich vermute, dass es in der Stadt Auffälligkeiten geben muss, die dich zu dem Ursprung der Bots führen. Eine Ansammlung von Energie vielleicht? Farbliche Unterschiede, schnellere oder langsamere Datenströme; kurz alles, was nichts ins Bild passt, könnte ein Hinweis sein."

„Okay, ich halte die Augen offen!" Robin analysierte das Modell der Stadt und fand einen Bereich, der ein wenig dunkler war als der Rest. Es war nur schwer zu erkennen, doch ein geschultes Auge ließ sich nicht so leicht täuschen: Hier gab es eine Unregelmäßigkeit!

Robin gab ein paar Befehle in das Paneel ein und verstaute es dann in der Tasche. Ein pulsierendes Licht erschien auf der Straße, dass den Weg zu dem Bereich markierte, den Robin auf dem Modell ausgemacht hatte. They folgte dem Blinken und traf immer wieder auf andere Avatare. Sie liefen auf den Datenstraßen an Robin vorbei, hielten hier und da an und studieren die Profile auf den Hauswänden. Zogen dann weiter, lösten sich plötzlich in Luft auf, nur um neuen Avataren Platz zu machen. Es war ein Kommen und Gehen, und Robin gewöhnte sich schnell an das Gefühl inmitten eines Gewitters zu stehen, in dem immer wieder Blitze um they herum einschlugen.