IV. Mitten ins Herz

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Als Robin durch das aktivierte Portal schritt, wurde they sofort in das Herzstück des Netzwerks gezogen. Ein dunkler Raum umhüllte their Avatar, und Robin erschauderte bei dem Anblick, der sich them bot: Aus dem Boden des Raumes schossen urplötzlich pulsierende, rote Datenströme, die sich wie lebende Tentakel nach Robin ausstreckten. Langsam erhob sich aus dem Untergrund ein riesiger Knoten, der die Quelle der schädlichen KI zu sein schien. Sie glühte wie Feuer und schien einen eigenen Geist zu besitzen. Immer gieriger züngelten flammende Tentakel nach dem Eindringling, der unautorisiert in das geheime Quartier eingedrungen war.

Robin spürte, wie their Herz schneller schlug, doch they blieb fokussiert. Mit sicheren Schritten wich Robin den Tentakeln auf dem Weg zu der Quelle aus und streckte die Hände an den glühenden Datenball aus. Die haptischen Handschuhe, die sich wie vertraute Werkzeuge anfühlten, machten sich auf einen kurzen Befehl hin bereit, den Code zu analysieren und zu zerlegen.

Mit geübten Griffen begann Robin die Datenstränge zu entwirren und mit jedem Griff, den they tiefer in den Knoten eindrang, enthüllten sich die komplexen Algorithmen und Manipulationstechniken der KI. Robin erkannte sofort die Bedrohung: Das, was sie auf der Plattform des Auftraggebers gesehen hatten, war nur die Spitze des Eisberges gewesen. Die KI war nicht nur darauf programmiert die queere Community zu schwächen, sondern ging auch auf andere Gruppen los. In den schnell ablaufenden Bildern vor Robbins Auge tauchten Hasskommentare gegen People of Color auf, gegen religiöse Gruppen, Geflüchtete und Menschen mit körperlicher oder geistiger Behinderung. Die KI schien wie ein Krake in alle Richtungen zu schlagen und mit Falschmeldungen, Feindbildern und vermeintlichen Expertenmeinungen irreführende Informationen zu streuen, um die Menschen gegeneinander auszuspielen.

Endlich gelangte Robin an eine, von einer starken Energieschicht geschützten, Membran, die es zu durchbrechen galt. Robin war sich schon fast sicher, dass es sich nur noch um Sekunden handeln konnte, um die schädliche KI zu zerstören. Doch das System wehrte sich hartnäckig gegen den Feind: Plötzlich tauchten schattenhafte Avatare im Raum auf, die sich schnell und zielgerichtet auf Robin zubewegten. Die digitalen Wächter der KI schienen fest entschlossen ihre Energiequelle zu schützen und Robin zu stoppen.

Die schattenhaften Gestalten stürzten auf them zu und versuchten Robin von der Quelle fortzudrängen. Doch Robin gab nicht so schnell auf: Mit entschlossenen, schnellen Bewegungen wehrte they die Angriffe gekonnt ab. Jeder intuitive Befehl, den Robin den Handschuhen gab, formte ein neues Werkzeug und mit einem Schwert aus gleißendem Licht, zerschmetterte they gleich zwei Schattenwächter auf einmal. Doch die Wächter wurden immer aggressiver, die Angriffe intensiver. Robins Hände kämpfen nacheinander gegen die Avatare, während their Hände immer wieder über die Datenströme des Knoten flogen und their Finger über den Code tanzten, während they weiter bis zum Kern des Knoten eindrang.

Schweiß perlte auf Robins Stirn, als endlich die letzte schützende Schicht des Datenballs mit einem Lichtblitz durchbrach. Die Luft war elektrisch geladen, jeder Atemzug fiel Robin inzwischen schwer. Dann sah they es: Das zentrale Kontrollprogramm der schädlichen KI; pulsierend und bedrohlich.

Robin wusste, dass dies der entscheidende Moment zum Handeln war. Mit einem letzten, entschlossenen Befehl deaktivierte Robin die KI. Ein letztes, glühendes Aufbäumen erfasste den Kern, dann wurde es dunkel. Ein tiefer Atemzug entwich Robin, als die pulsierenden Datenströme der Kraken-Arme langsam verblassten.
Es war fast geschafft.

Nun mussten nur noch die notwendigen Beweise für dieses Verbrechen gesammelt werden, um die manipulativen Machenschaften der Organisation in der realen Welt zu enthüllen. Mit Hilfe von Tucker extrahierte Robin die Metadaten der gefährlichen KI und speicherte sie in dem Paneel. Mit zitternden Händen zog they nach getaner Arbeit schließlich das VR-Headset ab, um den sterbenden Kraken im Äther des Netzwerkes zurückzulassen.

Netzwerkzugriff beendet," verkündete die künstliche Stimme erneut, als Robin in die vertraute Welt des kleinen Büroraumes zurückkehrte. Ein Hauch von Triumph lag in Robins Gesichtsausdruck, als they Tuck neben sich entdeckte. Die intensiven Minuten im digitalen Schlachtfeld hatten them erschöpft, doch das Lächeln des Erfolgs breitete sich auf Robins Gesicht aus. „Wir haben es geschafft!"

Der Bericht, den Robin und Tuck an ihren Arbeitgeber schrieben, fand nach einer genaueren Analyse auch den Weg zu den Pressestellen mehrerer größerer Zeitungen. Sie nahmen den Fall weiter auf und enttarnten gemeinsam die Organisation, die sich mit ihrer schädlichen Propaganda einen Vorteil im nächsten Wahlkampf erschleichen wollte. Die Menschen sollten durch die immer wiederkehrende Manipulation ihrer Gedanken am Ende die Partei wählen, welche versprach, die selbst erzeugten Probleme zu beheben. Zum Glück würde es nun nicht so weit kommen.

Robin saß gerade mit Tuck in der Cafeteria ihres Auftraggebers, als eine neue Headline in der News-App von Tuckers Handy aufploppte. „Gerichtsverfahren gegen Guy Nottingham und seine Mitstreiter eröffnet. Schwerer Verstoß gegen Artikel 2a von Sherwood Security aufgedeckt", las er laut vor. „Das hast du gut gemacht!" Tuck tätschelte behutsam Robins Arm.
„Wir haben das gut gemacht!", verbesserte Robin und legte eine Hand auf die von Tuck. Er lächelte. „Willst du es nach diesem Erfolg nun langsamer angehen lassen?", fragte er neugierig. Robin lachte. „Als ob nach dieser Aktion alle Probleme aus dem Internet verschwunden wären. Wir müssen weiterhin wachsam bleiben!"
„Das hast du mal wieder recht, Lieblingsmensch!", gab Tucker zu und hob Robins Hand an seine Lippen. Ein zarter Kuss landete auf den schmalen Fingern. „Ich hoffe doch, dass du noch ein wenig Zeit für mich übrighaben wirst!"
„Zehn Minuten für einen Kaffee habe ich immer. Für dich auch mal zehn Minuten mehr." Robin zwinkerte ihm zu. Dann bestellten sie einen weiteren Kaffee und genossen noch ein paar Minuten Zweisamkeit, bevor sie sich erneut an die Rettung der Menschlichkeit machen mussten.

ENDE

(4.920 Wörter)

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