Kapitel 110 - Date 4 + Aktzeichnung

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Samstag, tagsüber, 11.12.
Auf der Landstraße
In Kims Auto

Date 4 - Waldlandschaft

Gestern, der Abend in der Bar, war furchtbar gewesen. In etwa so wie der im November, als Toni sich eine Zwanzigjährige angelacht hatte. Myk war beim Tisch geblieben und hatte der anonymen Masse dabei zugesehen, wie sie sich bewegte. Es war fast schon hypnotisierend gewesen, aber auf eine irgendwie unangenehme Art. Der einzige Unterschied zu dem Abend im November war gewesen, dass sich keine Mädchen zu ihm hatten setzen wollen, er somit niemanden hatte abwinken müssen, was ihm ganz recht war, und er an Kim denken konnte. Er hatte sogar relativ viel mit ihr geschrieben. Er war noch nie in eine Tanzbar gegangen, um dann Nachrichten zu schreiben. Es war schon mal vorbeigekommen, dass er Mey schrieb, wo er war und wann er nach Hause kam, aber das mit Kim war ganz anders gewesen. Er hatte ihr gesagt, wo er war und dass er bald gehen würde, aber auch, dass er gar keinen Spaß hatte und sich sehr auf heute freute.

Toni hatte ihn eine »lahme Socke« genannt, aber damit konnte er leben.

Was ihm gestern viel wichtiger gewesen war, war Kim zu versichern, dass er sich keine andere aufriss. Sie hatte zwar nicht gefragt und sich auch heute noch nicht nach dem Ausgang des gestrigen Abends erkundigt, aber er hatte ihr gestern Abend sowieso geschrieben, als er Zuhause angekommen war. Er hatte ihr ein Selfie von sich im Bett geschickt – natürlich mit Schlafshirt. Er wollte nicht zu weit gehen. Er wollte ihr nur zeigen, dass es keine Nebenbuhlerinnen gab. Irgendwie war ihm das wichtig.

Jetzt hingegen fühlte er sich pudelwohl.

Kim fuhr auf der Landstraße und folgte den Ausschilderungen zu einem Freizeitziel.

Myk saß auf dem Beifahrersitz, es lief leise eine CD und Myk genoss die Ruhe und Kims Anwesenheit. Sie fuhr außerdem sehr gut.

»Kannst du Auto fahren?«, fragte sie irgendwann und ihre sanfte Stimme in dem geschlossenen, kleinen Raum, war eine Wohltat. Er lächelte automatisch und sah zu ihr. Gerade noch hatte er die weißen Birken im Vorbeirauschen betrachtet.

»Ja, aber nicht gut.«

Sie schmunzelte. »Definiere nicht gut bitte.«

»Möchtest du etwa wechseln?«

»Nein, alles in Ordnung. Es ist ja keine weite Fahrt. Ich will dich nur kennenlernen.«

Myk genierte sich etwas, dennoch sagte er: »Ich habe den Schein, aber ich fahre nicht gerne. Das ist mir...zu viel. All die Reize und Eindrücke, die ich gleichzeitig aufnehmen muss. Das überfordert mich. Ich fahre, wenn es sich nicht anders regeln lässt, aber ich würde niemals mit Zoe auf dem Rücksitz fahren. Das wäre mir zu heikel.«

Kim blieb bei einem Stopp-Schild stehen und lächelte ihn kurz an. »Das finde ich vernünftig.«

Sie fuhr weiter, als nichts kam und sie freie Fahrt hatte und sagte dann: »Wenn man sich nicht sicher bei einer Sache ist, sollte man sie lieber langsam angehen, sofern sie sich nicht vermeiden lässt. Wobei ich sowieso der Meinung bin, dass es viele Dinge gibt, auf die man getrost verzichten kann, wenn sie einem keinen Spaß machen. Auch dann, wenn sie einem früher Spaß gemacht haben.«

Myk dachte an die Barabende mit Toni und fühlte sich angesprochen. Auch wenn er nicht glaubte, dass Kim das so gemeint hatte. Kim war nicht unterschwellig, sondern bis jetzt immer offenherzig ehrlich zu ihm gewesen, weswegen er annahm, dass sie eher über sich selbst sprach.

Er fragte: »Was zum Beispiel?«

Sie wog den Kopf. »Die Schule ist sinnvoll, die sollte man machen, auch wenn man natürlich meistens nicht will«, sie lachte und er lachte auch.

Russisches Ballett - Zukunft I [BxB/MxM]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt