Kapitel 12

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Alle Augenpaare ruhten auf mir...
Alle...
Bis auf eines.
Manjiro's Blick haftete auf dem leblosen Körper vor ihm.

"Und was machen wir mit ihr?" eine tiefe, etwas kratzige Stimme erklang. Die Frage kam von einem ziemlich hoch gewachsenem Typen mit einer langen dünnen Narbe, die einmal über sein rechtes Auge verlief und sein Gesicht zierte. Er zündete sich gerade eine Zigarette an. Irgendetwas an ihm kam mir bekannt vor.
"Vielleicht hat sie noch Informationen für uns oder könnte uns anderweitig nützlich sein. Wir sollten sie mitnehmen." kam es von einem der anderen. Seine langen weißen Haare fielen ihm elegant über die rechte Schulter, während er an der linken Kopfhälfte die Haare abrasiert trug und das Bonten Tattoo zu sehen war.
Allein bei dem Gedanken daran, dass sie mich mit nahmen, stellten sich mir die Nackenhaare auf. Und mir entkam ein scharfes 'Tze', was natürlich nicht ungehört blieb.
Sanzu beugte sich wieder zu mir herab, seine Fingerspitzen glitten über mein Dekolletee, hinab zu meinem Bauch und dann zu meinen Oberschenkeln. Mein erster Impuls war es ihm seine beschissene Hand abzutrennen, doch dort wo er mich berührte, fühlte sich meine Haut ungewöhnlich heiß an. Doch diesen Gedanken schob ich schnell wieder weg.
"Nimm deine dreckigen Finger von mir. Und das werde ich nicht wiederholen, damit das klar ist." 
Seine Hand verharrte.
Wir blickten uns gegenseitig in die Augen.
In seinen funkelte die Herausforderung. In meinen die eisige Kälte.
Die Stimmung war gekippt. 
Obwohl mein Atem ruhig blieb, brodelte es in mir. Wenn es sowieso keinen Ausweg gab, dann konnte ich genauso gut auch das Süßholzgeraspel sein lassen. Ich hatte sowieso keine Lust mehr mich zu verstellen. Das süße britische Model war gestorben, auch wenn ihr Aussehen noch bestand. Zu mindestens wussten sie so nicht, mit 'Wem' sie es eigentlich zu tun hatten.
"Kannst du deine Finger nicht ein mal bei dir lassen Sanzu?"
Die Berührung verschwand.
Der Typ mit den unterschiedlichen Augenfarben hatte seine Hand von meinem Oberschenkel genommen und hielt sie vor sein Gesicht, bis er sie mit einem abwertenden Gesichtsausdruck los ließ.
Die beiden fingen an zu streiten, während die zwei Brüder über mich diskutierten und die anderen auf Manjiro einredeten. 
Mein Kopf legte sich leicht schief, bei diesem chaotischem Haufen.
Das war also Bonten?
Die gefährlichste kriminelle Organisation in ganz Japan?
Vor denen jeder Angst hatte?
Sollte das ein Witz sein?
Das sie etwas drauf hatten, das wollte ich nicht bestreiten, aber wie zur Hölle konnten die sich so verdammt gut organisieren, wenn 'DAS' ihre Führungsriege war?

Es war ja schon ein kleines bisschen witzig und ich wusste nicht wann ich das letzte mal über etwas so amüsiert schmunzeln musste, doch das tat ich, ohne auch nur einen meiner Mundwinkel auch nur etwas anzuheben. 
Das sie jetzt so unaufmerksam waren, konnte meine Chance sein. Es waren etwa acht Meter bis zur Tür. Das würde ich mit ein paar Schusswunden schaffen... Aber mein Problem war der Wagen. Ich war mit diesem Bastard her gekommen. Die Chancen das eines der Autos offen stand war relativ gut, denn einige der Bodyguard saßen in schwarzen Jeeps und als sie vorhin erledigt wurden, hatten sie sicherlich andere Gedanken, als ihre Autos abzusperren. Doch bei acht Verfolgern auf einer so kurzen Distanz hatte ich keine Zeit, erst eines kurz zu schließen, auch wenn ich gut darin war und das der Schlüssel noch steckte...Tja das wäre zwar schön, aber das Risiko war hoch, dass es nicht so war. Sie könnten mich also auf dem Parkplatz wieder einsammeln. Eine andere Option wäre zu Fuß zu entkommen oder es bis zur Straße zu schaffen, wo ich ein Fahrzeug anhalten und damit fliehen könnte... Mit den ganzen Seitengassen könnte ich die Dunkelheit nutzen und es vielleicht auch zu Fuß schaffen..
Angespannt beobachtet ich die Männer. Meine Füße waren bereit los zu sprinten. Doch in dem Moment als ich aufspringen wollte, überrollte mich dieses Gefühl... Mir blieb die Luft weg. Meine Hände verkrampften sich. Mein Körper reagierte nicht mehr... Es waren nur Sekunden, doch ich konnte ihn spüren... Der Schatten stand dicht hinter mir. Und er streckte seinen Arm nach mir aus... doch kurz bevor er mich erreichte, holte mich die Realität zurück.

"Nehmt sie mit." 

Drei Worte. 
Die alles änderten.
Das Chaos wie weggeblasen. 
Acht Männer die es auf ein weibliches Geschöpf abgesehen hatten.
Sofort bewegten sich die ersten auf mich zu und ich schrie in meinem Kopf nur 'Atme! Atme verdammt nochmal und dann hau ab!'
In einer fließenden Bewegung glitt ich vom Stuhl, zog mein Messer aus meinem Stiefel und warf das Möbelstück mit voller Kraft in Richtung meiner Angreifer und dann rannte ich... Ich schaute nicht mal ob ich jemanden traf oder nicht, sondern stürmte sofort zur Tür. Gebrüll drang von hinten in meine Ohren und das lösen von Sicherungen. Danach ertönte ein Knall nach dem anderen und wieder mehrere Stimmen die schrien 'Was soll der Scheiß. Ihr sollt sie nicht umbringen!' 
Die Tür flog auf, mein Fußgelenk knickte kurz ein, doch ich strauchelte nur kurz und rannte weiter. Den Schmerz spürte ich nicht, doch die Kugel die in meinem Fleisch steckte machte es mir schwerer zu rennen. Außerdem saß der Schuss gut. Mit Absicht auf meine Gliedmaßen zu zielen um mich vorm Entkommen zu hindern, da wusste jemand, wie man seine Beute erlegte. Immer wieder verlor ich den Halt. Er musste eine Sehne oder Bänder getroffen haben. Ich scannte meine Umgebung. Ohne zu zögern humpelte ich schon fast nur noch zu meinem Ziel. Ich schmiss mich auf den leblosen Körper, nahm mir seine Waffe und zog ihn so nach oben, dass er mir als Schutzwall diente. Neben mir stand eines der Autos. Die Tür war offen, aber ich konnte nicht sehen, ob der Schlüssel steckte. 
Immer wieder zielte ich auf meine Verfolger, während ich versuchte die Taschen der Leiche zu durchwühlen. 
Dann traf mich ein Schuss von der Seite in den Arm. Zwei Amethyste funkelten mich bedrohlich und voller Freude an. 
Doch auch wenn er mich noch ein oder zweimal treffen würde, ich hatte die Schlüssel gefunden und sprang auf. Wieder fühlte ich, wie sich Metall in meine Schulter bohrte. Gut das die Corsage meine Organe schütze. Dann schwang ich mich auf den Sitz, schloss die Tür und steckte mit zittriger Hand den Schlüssel in das Zündschloss. Der Wagen brummte auf. Ich könnte es schaffen. Ich musste sie jetzt nur noch abschütteln. Mehrere Kugel prasselten auf das Auto ein. Ohne Erfolg. Denn eine gute Sache hatten diese Jeeps. Sie waren Kugelsicher. Ich startete den Motor und versuchte los zu fahren, doch ich konnte die Kupplung mit meinem linken Fuß nicht richtig bedienen. Er machte nicht mehr das, was ich wollte... Also musste ich im ersten Gang fahren. Mir blieb keine Wahl. Erstmal auf die Straße kommen, wenn ich dort bin und mich in das Auto hacken kann, dann kann ich vielleicht ein paar der Ampeln hacken und so ein Verkehrschaos verursachen um sie abzuhängen... Meine Gedanken waren wirr. Das brüllen einiger Männer, das Geräusch von Metall das auf Metall prasselt, das Brummen des Motors... es war so laut... so laut das ich ihn nicht kommen hörte.
Die langen fliederfarbenen Haare, die zwei funkelnden Amethyste und sein freches Grinsen brachten mich komplett aus dem Konzept. Ich hatte gerade gewendet und wollte weg fahren, da schwang er sich in den Wagen.
Hatte ich etwa nicht abgeschlossen?
Wie konnte ich das vergessen?
Es spielte jetzt keine Rolle mehr, denn er hielt mir seine Waffe gegen die Schläfe.
"Das wars Schätzchen."
Sein siegessicheres Lächeln konnte er vergessen. Nur über meine Leiche würde ich mich als Geisel nehmen lassen. Ich werde mich nicht noch einmal einsperren lassen. Das hatte ich mir geschworen.
Nein.
Lieber würde ich sterben.
Das Auto hielt an. Doch meine Hände blieben am Lenkrad, der Moto lief noch und mein Fuß stand auf dem Gas. 
"Stimmt. Das war's wohl."
Ich grinste ihn an. Und seines verging.
Das Auto heulte auf und dann fuhren wir los.
Er presste seine Waffe mit mehr Kraft gegen meinen Kopf und rief verärgert "Lass den Scheiß"
Doch in meinen Ohren rauschte es nur noch.
Ich schloss die Augen und lachte.
Das erste mal seit diesem Tag.
Die goldenen Iriden tauchten vor mir auf, als die Wand immer näher kam.
Die Silhouette die diese trug, streckte ihre Hand nach mir aus. 
Ich würde zu dir kommen.
Auch wenn ich nicht wusste, wer du warst oder was du bist. Ich wusste nur, das du dich nach mir sehnst. 
Kurz bevor das Auto gegen die Wand prallte spürte ich jedoch etwas...etwas das mich zurück zog. Ich öffnete meine Augen mit einem Schlag und es ging alles viel zu schnell. Der Typ neben mir sprang aus dem Wagen, etwas versuchte mich festzuhalten, doch dann knallte mein Kopf gegen das Lenkrad... dann wurde ich zurück in den Sitz gepresst und dann sah ich nur noch verschwommen, wie ich abhob und flog. Glassplitter schwebte förmlich vor mir, wie Schneeflocken. Und dann prallte ich auf. Ich wusste nicht worauf, aber es war mir egal, denn jetzt würde ich erlöst werden. Bevor sich meine Augen schlossen stand der Schatten vor mir. Die Dunkelheit. Sie bewegte sich auf mich zu...
Würde ich jetzt doch von ihr verschlungen werden? Vielleicht könnte ich dann mit dem Schatten zusammen sein, der noch leerer zu sein schien, als ich es war.

Broken Bonds/ Bonten x OCWo Geschichten leben. Entdecke jetzt