Die Anreise

131 5 6
                                    

"Ciao Ma, ciao Pa!", meinte ich als dem Auto stieg, in der Hoffnung, sie würden mir nicht folgen. "Warte doch mal, Schatz!", rief Ma und sprang ebenfalls auf den heißen Beton. Liebevoll drückte sie mich an sich und hauchte mir einen Kuss auf das Haar. "Danke Ma, ich bin ja schon in fünf Monaten zurück!", erwiderte ich leise und umarmte Pa nocheinmal, bevor ich in die Halle des Flughafens trat. Stimmengewirr und der Geruch nach Brezeln schlug mir entgegen, also ich mich umsah. Flug 318. Langsam bewegte ich mich durch die Menge zu meinem Gate. "Vanessa Lorden!", sagte ich der Dame am Schalter und hielt ihr mein Ticket hin. Sie nickte kurz und wies auf meine Handtasche. "Ist dies Ihr einziges Gepäck?" Ihre Stimme war kratzig und klang seltsam in meinen Ohren. "Guten Flug!", wünschte sie noch, bevor sie sich dem nächsten Passagier widmete.
Meine Schuhe klackerten, als ich über die Rollbahn auf das Flugzeug los lief. Eine Stewardess begrüßte mich freundlich und zeigte in die grobe Richtung meines Sitzplatzes. Erschöpft ließ ich mich in meinen Sitz fallen und zog meine Tasche auf meinen Schoß. Unter großen Lärm quetschte sich ein Mann mit etwas mehr Körperfülle neben und ließ sich schnaufend nieder. "Na, und du fliegst auch nach Kroatien, Kleine?", fragte er mit rasselndem Atem. "Nein, nach Timbuktu!", erwiderte ich zuckersüß. Ich hasste solche offensichtlich dumme Fragen, wie die Pest. "Die Jugend von heute!", murmelte der Mann und drehte sich zum Fenster. Langsam setzte das Flugzeug sich in Bewegung und hob schließlich ab. Um den Druck auszugleichen schon ich mir ein Kaugummi zwischen die Lippen und hörte Musik. Jetzt hatte ich Zeit zum Nachdenken. Die letzten Wochen waren nicht spurlos an mir vorüber gegangen. Das Spiel. Der Grund, weshalb ich hier war. Zwanzig Jugendliche. Vier Werwölfe mit ihrem Jungen, eine Hexe, eine Seherin, ein Blinzelmädchen, ein Jäger und ein Armor. Fünf Monate Zeit, um die Werwölfe herauszufinden und zu eliminieren.
"Bist du auch dabei?", fragte ein Mädchen mit kurzen blonden Haaren und einem fetten Grinsen auf den Lippen. Ich nickte. "Wenn du das Spiel meinst, dann ja!", erwiderte ich knapp und stellte meine Musik aus. "Ich bin Ma- ich meine Sun!", meinte sie und kicherte aufgeregt. "Davorne sitzen Smoke und Batman, ganz ehrlich, wie findest du den Namen? Naja, da hinten, die braunhaarige Schönheit ist Beach und neben ihr sitzen Fox und Dungeon!", brabbelte sie weiter und quetschte sich auf den freien Sitz. "Und du bist?", fragte sie dann und musterte mich. "Hope!", antwortete ich leise und strich mir eine Strähne meines dunkelbraunen Haares aus dem Gesicht. "Süßer Name! Glaubst du, der dort hinten mit den dunkelblonden Haaren und der schönen Hautfarbe auch dazu gehört?", fragte sie weiter und zeigte hinter mich. Ich drehte mich um und im selben Moment begegnet meine blauen Augen zwei Braunen. "Ich geh ihn mal fragen!" Sun's Stimme klang weit entfernt. Der Mund des Jungen verzog sich kurz zu einem Lächeln, bevor er sich Sun zu wandte. Unbekümmert unterhielt sie sich mit ihm, während ich weiter Musik hörte.
Der Flug ging relativ schnell vorbei und als das Flugzeug wieder den Boden berührte schnappte ich mir meine Tasche und steckte mein Handy zurück. "Willkommen in Kroatien! Wir hoffen, Sie hatten einen angenehmen Flug und wünschen Ihnen einen schönen Aufenthalt in Kroatien!", krächzte eine tiefe Stimme aus den Lautsprechern, als alle Passagiere aus dem Flugzeug drängten. Draußen schlug mir die warme Luft wie eine heiße Wand entgegen. Ich folgte der Masse in die Halle und sah mich um. Eine hübsche junge Frau mit einem weiten geblümten Kleid hielt ein Schild mit der Aufschrift Vukodlak. Ich wusste, dass es Werwolf auf Kroatisch bedeutete. Zögernd bewegte ich mich auf die Frau zu und War erleichtert, als ich Sun erkannte. "Hope ist auch noch da!", meinte Sun und sprang aufgeregt hin und her. Die Frau nickte mir kurz zu. "Ich rufe jetzt alle auf und wer fehlt sagt Bescheid! Monkey, Alpha, Jean, Dungeon, Batman, Death, Scorpios, Smoke, Dragon, Fox,
Hope, Beach, Fee, Sun, Lola, Bubble, Mary, Wave, Luna, Julia." Hinter jedem Namen erklang ein mehr oder weniger lautes Anwesend. "Zuerst werden wir jetzt in ein Restaurant fahren und einen kleinen Imbiss zu uns nehmen, bevor ihr auf die Insel gebracht werdet. Mein Name ist Jenna und ich bin, wie ihr vielleicht wisst, die persönliche Assistentin von Mr José. Falls ihr Fragen habt, fragt mich!", erklärte sie und bewegte sich in Richtung Ausgang, wo wir in einen großen Bus gebracht wurden, der uns in ein Restaurant etwas außerhalb der Stadt fuhr. "Wie persönlich denn genau?", fragte ein Junge, der glaube ich Smoke hieß. Augenverdrehend lachte Jenna auf und wackelte scherzhaft mit den Augenbrauen.
"Hier her, die Herrschaften!", begrüßte ein Kellner uns mit gebrochenem Deutsch und lächelte unsicher. "Thank you!", antwortete ich und schenkte ihm ein sanftes Lächeln. Schweigend zeigte er in eine Nische, die durch einen Vorhang vom Rest des Raumes abgetrennt war. Zwei andere Kellner brachten mehrere Tablets mit Essen herein, welches wir gierig verschlangen. Ein Mann mit kurzen Bartstoppeln und knallgrünen Augen trat zu uns und legte eine Kamera auf den Tisch. "Also, wenn ihr nun gegessen habt, möchten wir euch alle einmal aufnehmen, wie ihr euren Namen sagt und den Gegenstand den ihr mit auf die Insel nehmt!", erklärte er und nickte Jenna kurz zu. "Das ist Lars, er wird euch zusammen mit Mr José überwachen.", sagte sie kurz hinzu und lächelte. Lars schaltete die Kamera an und richtete sie auf die erste Person am Tisch. Sun. "Ich heiße Sun und nehme mein Kuscheltier mit auf die Insel!", erzählte sie und grinste freundlich. Jenna zeigte stumm einen Daumen hoch und die Kamera wanderte weiter zu Smoke. "Ich bin Smoke und nehme mit zur Insel meine Zigaretten!" "Ich bin Julia und ich nehme mein Lieblingsbuch mit." Die Kamera war bei mir angelangt. "Ich bin Hope und nehme ein Schmuckstück mit zur Insel." Nach mir kam noch der Rest, bis sich die Kamera auf den Jungen aus dem Flugzeug richtete. "Ich bin Scorpios und habe meinen Hund mitgenommen!", erklärte er und blickte unverwandt in die Kamera. Das Licht blinkte noch kurz, dann schaltete Lars die Kamera aus. "Sehr gut, ich bitte euch jetzt alle eure Handys abzugeben, ihr wisst ja, dass diese auf der Insel verboten sind.", richtete Jenna sich an uns und hielt ihre Hand auf. Zögernd zog ich mein Handy aus der Tasche und reichte es ihr.
"Wenn ihr fertig seid, können wir ja jetzt zur Insel!", fügte sie hinzu und stand auf. Wir folgten ihr nach draußen.
"Wenn ihr nach vorne schaut, könnt ihr jetzt die Insel erkennen! Daneben liegt die andere Insel, von welcher Mr José und Lars euch überwachen. Ihr wisst ja bereits, dass die ganze Insel mit Kameras ausgestattet ist, um euer Verhalten aufzuzeichnen.", erklärte Jenna, nach einer guten halben Stunde Bootsfahrt. Ich streckte mich und erkannte tatsächlich etwas grünes am Horizont. Jemand stieß mir in die Seite. "Du heißt Hope, oder?", fragte ein Junge mit dichtem dunkelbraunen Haar. Ich nickte stumm. "Ich bin Jean!", antwortete er, ohne dass ich gefragt hatte. Er war derjenige gewesen, der sein Surfbrett mitgenommen hatte. "Freut mich!", meinte ich knapp und zwang mir ein Lächeln auf. "Du hast gesagt, du nimmst ein Schmuckstück mit, darf ich es mal sehen?", fragte er und wirkte nervös. Ich nickte erneut und fischte ein Amulett aus meinem Ausschnitt. Vorsichtig klappte ich es auf und strich sanft über das Foto im Inneren. "Wer ist das?", fragte Jean, der mir über die Schulter blickte. "Mein Bruder Mason. Er ist vor einem Jahr von einem Zug erfasst worden. Seitdem trage ich es immer bei mir.", erzählte ich traurig. Er strich mir über den Rücken und drückte kurz meine Schultern. "Das tut mir leid, ich wollte keine alten Wunden aufreißen.", meinte er und ich sah ihm an, dass es aufrichtig gemeint war. Ich nickte dankbar. "Du kannst also surfen?", lenkte ich das Gespräch auf ein anderes Thema. "Ja, ich liebe es einfach!", bestätigte er mit leuchtenden Augen und strahlte. Ein lautes Platsch ertönte und wir beide stürmten an die Reling. Death schwamm im Wasser und spritzte Beach neben ihm nass. "Lass mich, Death!", quietschte diese und versuchte sich mit den Händen zu schützen. Genervt verdrehten wir die Augen. "Lächerlich!", meinte Jean und schnaubte. "Beach und Death, bitte kommt wieder an Bord!", rief Jenna zu ihnen hinunter und man hörte den Ärger in ihrer Stimme. "Aber hier unten ist das viel cooler!", widersprach Beach und warf Death einen anzüglichen Blick zu. "Rauf!", knurrte Lars leise und wies zur Leiter an der Seite. Murrend kletterten die Beiden wieder hoch.
"Willkommen auf der Insel!", meinte Jena und wies zum Strand, auf den wir gerade aufgelaufen waren.

Er saß vor einem der vielen Bildschirme und beobachtete die Ankunft der zwanzig Jugendlichen. Misstrauisch schauten sie sich um. Dungeon sprang als Erster in den weichen Sand. Ihm folgten Smoke, Fox und Wave. Zuletzt kamen Jean, der Hope aus dem Boot half. Dankbar lächelte sie ihm zu. Genau so sollte es sein.

"Wir müssen den Durchgang zu dem Haus suchen!", beschloss Batman und alle fingen an zu suchen. Jean und ich liefen gemeinsam herum. "Hier drüben!", rief irgendwann Monkey. Langsam schlenderte ich mit Jean zu ihm und nach und nach verschwand die Gruppe hinter einem Vorhang aus Pflanzen. Nur ich und Jean blieben zurück. "Geh ruhig schon, ich komme gleich nach!", beruhigte ich ihn und versuchte fröhlich auszusehen. Er nickte knapp und verschwand ebenfalls. Langsam tastete ich erneut nach meinem Amulett und strich zärtlich über das lachende Gesicht meines Bruders. Mason.

Sie war als Einzige am Strand geblieben und betrachtete ihr Amulett. Müde wischte er sich über die Augen. Seit heute Morgen saß er schon vor den Bildschirm, um ihre Ankunft ja nicht zu verpassen. In einem Schluck stürzte er den Kaffee hinunter, der inzwischen kalt war. Irgendetwas an ihr war besonders. Ihr Aussehen sowieso. Die langen braunen Haare, die makellose Haut und die eisblauen Augen. Nein, irgendetwas anderes an ihr hatte es ihm angetan.

Schnell klappte ich das Amulett wieder zu und sah mich unruhig um. Schon jetzt wurde jede meiner Bewegungen aufgezeichnet. Langsam lief ich durch den Vorhang zu den Häusern.
"In jedes Haus können fünf Leute! Zwei Jungenhäuser, zwei Mädchenhäuser.", erklärte Sun mir und wies auf die Häuser. Ich steuerte auf eins mit einer hübschen rotgestrichenen Veranda zu. Sun folgte mir. Als ich das Haus betrat fand ich mich in einem geräumigen Wohnzimmer mit einer offenen Küche wieder. Rechts führte eine Tür zu den Toiletten und links zum Schlafsaal, in dem bereits Bubble, Wave und Beach auf ihren Betten saßen. Vor jedem Bett stand eine Kiste mit dem Namen. Mein Bett war direkt neben dem Fenster. Langsam öffnete ich die Kiste und entdeckte Kleidung. Mehrere Jeans, T-Shirts und Hotpants. "Cool!", entfuhr es Wave auf dem Bett neben mir und sie hielt sich ein kurzes Sommerkleid vor den Körper. Ich grinste bewundernd und musterte ihre kurzen schwarzen Haare. "Darf ich zuerst ins Bad?", fragte ich und lächelte unsicher. Die anderen nickten. Dankbar schnappte ich mir ein Handtuch aus meiner Kiste, welches mit meinem Namen bestickt war und verschwand bei den Duschen. 'Die Duschen und die Toiletten sind die einzigen Plätze, die nicht überwacht werden!', fuhr es mir durch den Kopf und ich atmete erleichtert aus. Das warme Wasser prasselte angenehm meinen Rücken hinunter, als ich meine Haare einschäumte.
"Hope? Bist du fertig? Wir treffen uns alle auf unserer Veranda!", rief Wave durch die Tür und hämmerte dagegen. Genervt trocknete ich mich ab und huschte ins Zimmer, wo ich mir eine Hotpants und ein süßes rotes Top mit Spitze schnappte und erneut in der Toilette verschwand.
"Gut, dass du auch da bist!", meinte Jean und klopfte neben sich auf eine Hollywood-Schaukel. Dankbar nahm ich neben ihm Platz. Alle zwanzig waren anwesend. "Hier, dass sind die Regeln!", fing Dragon an und drehte einen Umschlag in den Händen. "Jetzt öffne ihn schon und les vor!", knurrte Batman und verdrehte die Augen. Dragon nickte und riss das Papier auf. "Also dann..."

Das Böse im ParadiesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt