Mason

67 4 1
                                    

0:24. Wachte ich jetzt eigentlich immer um diese Zeit auf? Genervt schlug ich die Decke zurück und lief so leise wie möglich zum Briefkasten.
Die anderen warteten bereits. "Wer?", fragte Death gelangweilt und fixierte uns. Ich hob die Hand, als Zeichen, dass sie still sein sollten. Langsam drehte ich mich im Kreis und suchte die Umgebung nach dem Mädchen ab. Hinter dem blauen Haus raschelte es im Gebüsch und kurz darauf blitzten zwei hellblauen Augen auf. "Wer hat hellbraune Augen?", fragte ich hektisch und blinzelte heftig. "Dungeon, Sun und Bubble!", erwiderte Mary wie aus der Pistole geschossen. "Lass uns Dungeon killen!", meinte Alpha skrupellos und grinste fies.

"Nein!", schrie Luna schon fast und atmete erschrocken ein. Verwirrt musterten wir sie. "Wir sind das Liebespaar...", murmelte sie peinlich berührt und blickte zu Boden. Schweigend sahen wir in verschiedene Richtungen. "Bubble!", entschied schließlich Death und drückte auf ihr Leuchtschild. Traurig nickte ich. Bubble war eine liebe und aufrichtige Person, warum sie? "Jetzt geht schon wieder schlafen! Nicht, dass uns jemand sieht!", knurrte Alpha und verschwand. "Komisch!", seufzte ich und nickte Mary kurz zu, bevor ich zum roten Haus stolperte.

"Bubble ist das nächste Opfer!", rief Smoke am nächsten Morgen und strich der Blondine kurz über den Rücken. "Tut mir Leid!" Sie zog die Nase hoch und schluchzte leise. "Lebt wohl und bringt diese Scheiß-Werwölfe um, ja?", fragte sie und blickte mich dabei an. "Natürlich!", erwiderte ich leise und schluckte hart. Lüge! "Nur zur Info: noch ein Dorfbewohner ist tot!" Mit diesen Worten trottete sie zum Strand und verschwand.

"Kein Hunger?", fragte Smoke, als wir mittags alle in der roten Küche saßen und das Essen von Smoke und Fox aßen. "Nicht viel!", erwiderte ich knapp und unterdrückte die Tränen. "Kann ich dein Schnitzel?", fragte Jean direkt und grinste wie ein kleiner Junge, der nach einem Lolli fragt. Nickend gab ich es ihm. "Ich geh an den Strand...", murmelte ich noch und verließ das Haus.

Traurig setzte ich mich in den warmen feinen Sand. Das Meer war
nicht ein Wind wehte. In diesem Moment merkte ich, wie sehr Mason mir fehlte. Mason hätte sicherlich irgendeinen Weg gefunden, um mit mir zu kommunizieren, und wenn es über Rauchzeichen gewesen wäre. Bei dem Gedanken musste ich schmunzeln. "Darf ich mich zu dir setzen?", fragte eine sanfte Stimme neben mir und blau stach in braun. Ich nickte stumm. "Worüber?", fragte er leise. "Den Tod meines Bruder...", erwiderte ich ruhig.

*Flashback*

"Lass mich Mason!", lachte ich und wieder einmal kabbelten wir uns. Wir waren am Bahnhof, auf dem Weg nach Hamburg. "Kinder nicht streiten!", schmunzelte Ma und auch Pa grinste. Beschützerisch legte Mason seinen Arm um meine Schulter und drückte mir einen Kuss auf den Scheitel. "Ich pass immer auf dich auf! Hab dich lieb, kleine Schwester!", meinte er mit einem breiten Lächeln im Gesicht. Er war 17 und ich 16. Grinsend kuschelte ich mich an ihn. "Der ICE 537 nach Hamburg fährt ein. Bitte passen Sie auf!", ertönte es aus den Lautsprechern. "Quatsch!", lachte Mason und blieb genau dort stehen. Der ICE fuhr ein. Mason blieb stehen. Der ICE kam näher. Mason blieb stehen. "Mason komm da weg!" Pa. Der ICE war nur noch etwa 50m entfernt. "Keine Sorge, ich bin kein kleines Kind mehr!", meinte er augenverdrehend und blieb stehen. Der ICE erfasste ihn und er wurde von der Geschwindigkeit mitgerissen. "Mason!", schrie ich erschrocken und schlug die Hände vor den Mund. Ich rannte dem Zug nach und entdeckte meinen leblosen Bruder vorne an der Schnauze. Schluchzend sprang ich hinunter auf die Gleise und bettete seinen blutüberströmten Kopf in meinen Schoß. "Bitte wach auf, Mason! Ich brauche dich doch..."

Mein Blick war in die Ferne gerichtet, als plötzlich eine Hand nach meiner tastete. Dankbar drückte ich sie. Scorpios sah mich schräg von der Seite an und erst jetzt bemerkte ich die Tränen, die meine Wangen hinab liefen. Traurig wischte ich sie beiseite und schniefte leise. "Ich geh mal zurück!", flüsterte ich und stand auf.

"Hey, alles klar, Süße?", fragte Wave besorgt, als ich mich im Schlafsaal im Bett verkroch. Ich antwortete nicht. Wozu auch? Ich spürte, wie meine Matratze unter dem Gewicht einer zweiten Person nachgab. "Was ist los?", fragte Wave bestimmt und ihr Ton duldete nur die Wahrheit. Ich seufzte. "Ich vermisse meinen vor einem Jahr gestorbenen Bruder.", erklärte ich knapp und vergrub meinen Kopf in meinem Kissen. "Oh nein, du Ärmste!", jammerte Wave sofort und drückte mich an sich. Ich schnappte nach Luft und löste mich geschickt. Ich lächelte und legte mich zurück auf die weiche Matratze. "Ich weck dich zum Abendessen!", meinte sie noch, dann verschwand sie aus meinem Sichtfeld.

Das Böse im ParadiesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt