Backstage

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Natürlich habe ich nicht die Absicht, sie zu treffen, um mit ihr ins Bett zu gehen, obwohl diese drei Jahre nun vorbei sind. Auch bei mir hat sich in der Zwischenzeit vieles verändert. Ich gehöre Jana, mit Haut und Haar und ich würde ganz sicher nicht unsere Beziehung gefährden. Um keinen Preis. Und auch vom Musik machen bin ich mittlerweile meilenweit weg. Ich spiele in keiner Band mehr, seit ich Berlin verlassen habe, meine Drums stehen in Basel, in Papas Keller. Punk höre ich natürlich noch immer, aber zu mehr habe ich keine Lust. Vor einem Jahr war ich nach Wien gekommen, hatte Jana kennengelernt und durch sie ein Leben, das Anders-Sein nicht bloß durch Anders-Aussehen identifiziert, sondern vor allem durch Anders-Handeln.

Dass Dragan, Janas Bruder, der mit seinem Freund Çem im Security-Business war, den Saalschutz für dieses Konzert von Maid of Ace bekommen hat, ist eher Zufall und Glück als Verstand und gute Beziehungen. Aber er hat ihn und ich werde diesen Kontakt auf alle Fälle nutzen, um hinter die Bühne zu kommen und Xenia wiederzusehen.

Es kostet mich einige Überredungskost bei meiner Donna, dass ich das letzte Punk-Outfit, das ich noch besitze, anziehen darf – den Zebra-Mini, die schwarze Netzstrumpfhose, ein rotes T-Shirt mit dem Maid-of-Ace-Logo und die schwarze Lederjacke. Jana kann sich ein „Kindergarten" nicht verkneifen, denn ich bin nicht die Einzige, die so dort ankommt. Schon zwei Stunden vor Konzertbeginn ist die Arena von gut zweihundert Punks belagert. Dragan hat mir am Vormittag eine VIP-Karte gegeben, die mir den Zugang zum Backstage-Bereich sichern soll, aber der Typ, der diesen bewacht, will mich um die Burg nicht durchlassen.

„He, Alter, lass die Kleine rein", motzt ihn Jana an, „oder muss ich erst meinen großen Bruder holen?"

Der Gorilla erkennt sie schließlich und macht uns Platz. Ich frage, wo es hinter die Bühne geht, erhalte tatsächlich Antwort und will meine Donna mit mir ziehen, aber die winkt ab.

„Nein, lass nur, Liz, ich geh auf ein Bier. Wir treffen uns im Saal wieder!"

„Und wenn nicht?"

„Dann eben danach draußen! Hab Spaß, Schatz!"

Ich winke ihr noch mal zu, dann laufe ich den dunklen Gang, der hinter die Bühne führt, entlang. Vor der ersten Tür mit der Aufschrift „Künstlergarderobe 1" steht der nächste Gorilla und denkt nicht daran auf die Seite zu gehen. Ich zeige ihm meinen VIP-Ausweis, er verschränkt die Arme und schüttelt den Kopf.

„Not here. Only for the sisters and the Management!"

Okay, die Schwestern, klar. Das ist die Umkleide von Maid of Ace. Und die haben immer ihre privaten Bodyguards dabei.

„I want to Les biennes terrible!"

„Next Door", sagt der Gorilla und zeigt in die Richtung, in der sich die Kabine der Vorband befinden sollt. Tut sie auch. „Künstlergarderobe 2" steht auf der Tür, kein Gorilla davor. Ich drücke die Schnalle runter und trete ein.

Ein winziger dunkler Raum, drei billige Sofas auf denen ein paar Frauen herumlungern, eine mit Handy am Ohr, eine zweite, die ihre Gitarre stimmt, eine dritte, die an einer Flasche Bier nuckelt. Alle so dünn wie Streichhölzer.

„What the fuck!", zischt mich eine vierte, genauso dünne Tussi an, die plötzlich vor mir steht.

„Fick dich selbst", antworte ich „Ich suche Xenia!"

„Wer zur Hölle ist Xenia?"

„Eure Sängerin, wer denn sonst?"

„Wir haben keine Xenia in der Band!"

„Doch haben wir", kommt nun die Stimme von einer fünften Frau, die ich bislang noch gar nicht gesehen habe. Eine Stimme, die ich schon lange nicht mehr gehört habe.

„Lass sie rein. Sie ist eine Freundin von mir."

Jana und Liz - Teil 9: Fünfzehn Kilo zu vielWo Geschichten leben. Entdecke jetzt