Falco

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Als ich in ihr Zimmer komme, um ihr guten Morgen zu wünschen, finde ich sie weinend auf dem Bett sitzend. Die Tür war offen, weshalb ich angenommen hatte, es sei in Ordnung hereinzukommen.
Sie weint ganz bitterlich und lacht dabei sehr laut. Ihre Hände drücken das Buch Narziss und Goldmund gegen ihre Brust. Der Kurfilm "Wigald" mit Tom Schilling schimmert von einem Computerbildschirm herüber. Es läuft Falco. Wir hören Falco. Jeanny. Sie schreit "Niemand wird dich finden, du bist bei mir!" mit. Ich liebe Falco und ich liebe sie noch mehr.

"Ich finde mich so schön, wenn ich weine," sagt sie.
"Ich finde dich immer schön," sage ich. Ich finde sie immer schön.
Sie lacht.
"Ich weiß." Natürlich weiß sie es.
Das Lied endet und Der Kommissar beginnt zu spielen.
"Wusstest du, dass Falco damit einen Numer One Hit in den USA gelandet hat? Er war einen der ersten deutschsprachigen Musiker, die das erreicht haben und damit prägte er maßgeblich die Pop-Szene."
"Denkst du immer in Fakten?"
"Kann man denn in etwas anderem denken?"
"In Meinung."
"Und du denkst also in Meinungen?"
"Meinungen und Gefühlen ja."
Sie steht auf und schaltet Falco aus. Kurz bin ich enttäuscht, doch dann verstehe ich, dass sie die Pointe von Wigald nicht verpassen will. Es ist nicht so als kenne sie diese noch nicht. Tatsächlich hat sie diesen Kurzfilm schon so oft gesehen, dass ich ihn mittlerweile passiv kenne. Ich glaube sie hat auf ihrem zweiten Bildschirm diese zehn Minuten auf Dauerschleife geschalten. Wigald springt aus dem Fenster, landet auf einem Gerüst. Sie packt meinen Arm und alle Muskeln in meinem Körper verkrampfen sich. Ich bilde mir nichts ein, natürlich merkt sie das, aber für sie gibt es gerade wichtigeres. Gleich kommt der Witz. Der arme Wigald klettert das Gerüst herunter, stolpert und fällt. Sie lacht wieder laut und drückt meinen Arm. Mein Arm drückt mein Gehirn. Oder andersherum? Sie jedenfalls drückt jetzt eine Taste an ihrem CD-Player und wir hören Out of the Dark. Mit Falco komme ich besser klar als mit dem suizidalen Tom Schilling. Falco verstehe ich wenigstens. Jedenfalls ein bisschen. Genug um mich nicht komplett langweilig und dumm neben ihr zu fühlen.

Projekt Monte-CarloWo Geschichten leben. Entdecke jetzt