three

273 20 30
                                    


June, 2024

"Ey, wenn die heute nicht ordentlich spielen, dann werde ich persönlich sauer", murmelte Flo leise, als sie sich auf ihren Plätzen in der VIP-Lounge niederließen.
Eigentlich hatten sie normale Plätze gewollt; sie wollten sich von der Menge, den Fans und ihrer Euphorie mitreißen lassen und das ging in der VIP-Lounge nun mal leider nicht so gut wie auf normalen Plätzen, die sozusagen mitten im Geschehen lagen.
Aber sowohl Kai als auch Jamal waren anderer Meinung gewesen und hatten sie in die VIP-Lounge verdonnert mit den Argumenten, dass der Lärm für die Babys nicht gut sei und es ihnen zu gefährlich wäre, wenn sie Jule und Flo so mitten in der breiten Menge wüssten. 
Wenn sie ehrlich waren hätten sie Flo und Jule am liebsten gar nicht im Stadion sondern nur vor dem Fernseher gesehen, aber das hätten die beiden nie zugelassen und so waren sie auf diesen Kompromiss gekommen.
Sie waren im Stadion und konnten das Eröffnungsspiel gegen Schottland live und in Farbe verfolgen, waren aber gleichzeitig etwas geschützt und abgeschirmt.
Damit konnten und mussten beide Seiten jetzt leben.
Jule und Flo konnten die Argumente der beiden ja verstehen; sie wollten ja auch beide nur das beste für ihre Kinder, aber manchmal, und da waren sie sich relativ einig, übertrieben Kai und Jamal es ein klitzekleines bisschen mit ihrer Fürsorge.
Aber geteiltes Leid ist ja bekanntlich halbes Leid und außerdem würden sie lügen, würden sie sagen, dass sie es nicht eigentlich ganz niedlich fanden. Letztendlich war es ja auch nichts anderes als ein Liebesbeweis gegenüber ihnen und ihren ungeborenen Kindern.
"Warum bist du denn heute so aggressiv?", kicherte Jule leicht," Aber natürlich gewinnen die heute. Hallo? Kai und Bambi spielen und Toni und Ilkay. Was denkst du denn?"
"Man, ich hab einfach schlechte Laune.", knurrte Flo leise," Ich wollte heute Morgen frühstücken, aber es gab kein Nutella mehr und dann dachte ich, mit Erdnussbutter geht es genauso gut, aber das hat voll ekelhaft geschmeckt und dann war ich schlecht drauf."
"Man merkt's", kommentierte Jule kichernd und nahm einen Schluck Wasser aus seinem Plastikbecher.
"Haha", lachte Flo irgendwo zwischen genervt und sarkastisch auf," Du bist ja mal wieder lustig heute. Gerade du solltest mich doch verstehen, man. Bist du nie sauer, weil dein Nutella leer ist?"
"Ne, also ich ernähre mich gesund und esse jeden Morgen meinen Joghurt mit Obst", erklärte der Blonde mit gespielt angeberischer Stimme, was Flo nur mit einem genuschelten 'Streber' kommentierte.
Allerdings wussten sie beide, dass das alles nicht ernst gemeint war. Sie neckten sich eben gerne gegenseitig, das hatten sie schon vor den Schwangerschaften getan und das werden sie auch weiterhin tun.

Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen, das sich immer ganz von allein und vollkommen unterbewusst bei Jule bildete, beobachtete er seinen Freund beim Aufwärmen. 
Die Passübungen, das Laufen, alles.
"Sag mal, kannst du auch was anderes, als die ganze Zeit auf Kai zu gucken? Dir fallen ja gleich die Augen aus", seufzte Flo irgendwann genervt," Jetzt weiß ich, was die anderen immer meinten, wenn sie gesagt haben, dass man euch beide nicht ansprechen kann, wenn der anderen gerade spielt oder sonst was macht. Du bist ja ganz woanders."
"sagt derjenige, der mir neulich im Trainingslager den ganzen Abend vorgeschwärmt hat, wie toll Jamal ist und dass er der beste Fußballer aller Zeiten ist", brummte Jule leise," Das war ja kaum auszuhalten."
"Also so hab ich das nie gesagt."
"Na", meinte der Blonde zweifelnd, ehe er wieder einen Schluck von seinem Wasser nahm," Da bin ich mir nicht so sicher."
Nun lenkte auch Flo seinen Blick auf Jamal und sah ihm beim Aufwärmen zu.

Das Spiel verlief gut; Deutschland war von Anfang an am längeren Hebel als Schottland und dominierte das Spiel. 
Trotz ihres nicht ganz so tollen Platzes, wurden sie von der Stimmung doch mitgerissen und verfolgten das Spiel gebannt. 
Wie sollten sie auch anders, wenn Kai und Jamal spielten? 
Das Stadion konnte wahrscheinlich vollkommen leer sein und sie würden trotzdem voll und ganz dabei sein.
Vielleicht war der Platz, auf den Flo und Kai bestanden hatten, doch gar nicht so schlecht...
Nach etwas zwanzig Minuten nahm das Spiel nach einem Pass von Ilkay so richtig an Fahrt auf; Kai nahm den Pass super an und legte ihn Jamal perfekt vor, welcher ihn dann mühelos im Tor versenkte.
Das Stadion rastete aus und mittendrin Jule und Flo, die komplett begeistert waren von ihren Freunden.
"Wie krass war das denn bitte?", schwärmte der Jüngere, nachdem sie sich wieder hingesetzt hatten, und legte kurz eine Hand auf seinen Bauch, denn ihre kleine Tochter meldete sich auch und wollte anscheinend auch seine Freude für das Tor seines Papa bekunden.
"Kais Pass alter", stimmte Jule mit ein und wenn man ganz genau hinsah, konnte man in seinen Augen kleine Herzchen erkennen.
"Wir sind richtig kitschig", kicherte Flo leise," Wir benehmen uns richtig schlimm, Jule."
"Quatsch", winkte der Blonde ab," Wir unterstützen nur unsere Freunde, mehr nicht. Das ist doch wohl erlaubt."
"Wenn du das sagst", seufzte der Jüngere, während er das Spiel, oder eher Jamal im Spiel, wieder gebannt verfolgte.

Jule hielt gespannt die Luft, als Kai sich den Ball am Elfmeterpunkt zurecht legte, einmal kurz durchatmete und dann einige Schritte zurück ging.
Für ihn gab es fast niemanden, der so gut im Elfmeterschießen war wie Kai, aber trotzdem bildete sich vor Nervosität immer wieder ein Knoten in seinem Bauch, wenn Kai vor dem Elfmeterpunkt stand.
"Atmen, Jule, atmen", erreichte ihn Flo belustigte und dennoch bekümmerte Stimme," Kai kriegt das schon hin."
"Aber du weißt, dass ich sowas immer schlimm finde; wenn Kai da so steht."
"Ich weiß und ich kann dich auch verstehen, aber wenn dir oder dem Kleinen was passiert, reißt Kai mir den Kopf ab."
"Und Jamal dann Kai, oder was?", brummte Flo leise, was Jule nur zum Lachen brachte.
"Du spinnst und jetzt guck, Kai schießt gleich."
Und natürlich, wie sollte es anders sein, traf Kai und verwandelte den Elfmeter in ein wunderschönes Tor.
Wieder brachen sie alle in Jubeln aus.
"Siehst du? Was hab ich dir gesagt?"
"jaja", gab Jule genervt zurück.

Am liebsten wären Jule und Flo nach dem Spiel noch nach unten zu den Jungs in die Kabine gegangen und hätten sie, und vor allem Kai und Jamal, zu dem mehr als gelungenen Auftaktspiel gratuliert, aber das wäre zu auffällig gewesen; irgendjemand hätte es mitbekommen und außerdem hatte das Spiel sowohl Jule als auch Flo angestrengt. 
Im Nachhinein waren sie ihren Freunden doch ganz dankbar, dass sie ihnen die Plätze in der VIP-Lounge aufgeschwatzt hatten; auch wenn sie beide vorher ordentlich dagegen protestiert hatten.
Nur sagen werden sie das Kai und Jamal ganz bestimmt nicht. Den Sieg wollten sie ihnen nicht gönnen; das hatten sie beide übereinstimmend festgestellt.
Man musste es ja nicht übertreiben...
Aber jetzt waren sie alle beide, oder ehr gesagt all vier, fertig und mehr als bereit fürs Bett.
Hätte Flo am Anfang seiner Schwangerschaft jemand gesagt, dass er mal nur nach dem bloßen Anschauen eines Spiels so fertig sein würde, hätte er ihn wahrscheinlich lauthals ausgelacht.
Aber es war tatsächlich so; Dinge, die er vorher nebenbei getan hatte, saugten ihm jetzt förmlich die Energie aus dem Körper.
Eine Sache, die er nach der Geburt ihrer kleinen Maus definitiv nicht vermissen wird.

"Ey, ich hab noch voll Hunger", meinte Flo, als sie gerade mit Jamals Auto zu dessen Wohnung fuhren, in der auch Jule heute Nacht schlafen würde. Denn dieses Mal hatte Nagelsmann leider keine Ausnahme gemacht, sodass Jule nicht bei seinem Freund schlafen konnte.
Auf der einen Seite machte ihn das natürlich traurig, aber auf der anderen Seite konnte er es auch verstehen.
Dann würde er sich halt ne schöne Zeit mit Flo machen; oder gleich ins Bett gehen, weil alle seine Kräfte nahezu restlos aufgebraucht waren.
"Jetzt?"
"Ja", antwortete Flo nur schulterzuckend," Wollen wir nicht nochmal zu BurgerKing fahren?"
"Wenn du willst", antwortete Jule, während er mit Kai schrieb," Also ich möchte nichts, aber ich kann natürlich nicht zulassen, dass ihr zwei da verhungert."
"Idiot", brummte Jamal leise, während er nach rechts in die Straße einbog, die direkt zu BurgerKing führte.

The best coincidenceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt