Pflichten und Erwartungen

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August 1978

Die Monate vergingen und schließlich brach auch das neue Jahr an, ohne dass sich Narzissas wünsche oder Hoffnungen erfüllten. Inzwischen gingen Lucius und sie respektvoll und höflich miteinander um, doch an Narzissa haftete der Eindruck, dass er noch nicht bereit war sie wirklich in sein Leben zu integrieren. Es war, als lebten sie nebeneinander her.

Zwei verlorene Seelen in den endlosen Hallen von Malfoy Manor.

Der Frühling kam und ging und schließlich brachte der Sommer ein wenig Lebensfreude mit. Narzissa liebte den Sommer. Die warmen und langen Tage, die wundervollen Blumen und schönen Gewänder, die sie nun tragen konnte. Oft traf sie Abraxas in der Gartenanlage von Malfoy Manor, wenn sie alleine spazieren ging. Doch mehr als ein paar höfliche Worte, waren ihr nie über die Lippen gekommen. Die Annäherung an ihren Schwiegervater wurde durch die Strenge und seine Kälte überschattet und schließlich war Narzissa immer froh darüber, wenn sie ihren Weg fortsetzen konnte.

Lucius begleitete sie nie bei ihren Spaziergängen.

Der Nachmittagstee wurde auf der sonnenbeschienenen Terrasse serviert. Narzissa genoss die Strahlen der Sommersonne auf ihrer hellen Haut, weil sie dies immer nur für einen kurzen Moment ertrug. Die Luft war erfüllt vom Gesang der Vögel und dem Duft der Blumen, die um die Terrasse herum angelegt waren. Malfoy Manor konnte schön sein, an solchen Tagen.

Das Licht brachte das edle Porzellan zum Funkeln und als der Hauself den Tee ausschenkte, stieg Narzissa eine Mischung aus Limone und Orange in die Nase.

»Der Tee ist vorzüglich, Mutter«, sagte Lucius höflich, als er an seiner Tasse nippte.

Aethel schenkte ihrem Sohn ein liebendes Lächeln und antwortete: »Ich habe ihn speziell für diesen Anlass ausgesucht.«

Sie genossen eine Weile das angenehme Schweigen. Nur das Klingen der Teelöffel und Abraxas' gelegentliches Husten unterbrach die Stille. Der Hausherr machte einen unruhigen Eindruck auf Narzissa und als er seine Tasse unsanft abstellte und sie mit durchdringendem Blick fixierte, wurde ihr dieser bestätigt.

»Nun, Narzissa«, sagte er und etwas in seiner Stimme ließ sie erzittern, »es ist deine Pflicht, Lucius einen Erben zu schenken.«

Diese unerwarteten Worte trafen Narzissa wie ein Schlag und sie spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss. Sie stellte mit zittrigen Fingern die Tasse auf ihrer Untertasse ab und bereute dies sofort, weil das Porzellan durch ihr Zittern leise klirrte. Sie hatte erwartet, dass diese Frage irgendwann kommen würde, doch die Unhöflichkeit und die Direktheit, mit der Abraxas das Thema ansprach, als sei sie eine Zuchtstute, beschämte sie.

Bevor sie etwas entgegnen konnte, kam Lucius ihr zu Hilfe.

»Vater«, sprach er mit kühler Stimme, »vielleicht ist das ein Thema, das wir zu einem passenderen Zeitpunkt besprechen sollten.«

»Ein passenderer Zeitpunkt?«, schnaubte Abraxas verächtlich. »Es gibt keinen passenderen Zeitpunkt als jetzt. Unsere Familie braucht einen Erben, und Narzissa muss verstehen, dass das ihre Hauptaufgabe ist.«

Aethel warf ihrem Mann einen mahnenden Blick zu. »Abraxas, das ist nicht der richtige Weg!«

»Und was ist der richtige Weg, Aethel?«, fragte Abraxas scharf. »Sie ist schon seit einem Jahr hier und mich beschleicht das Gefühl, als sei Lucius nie so geschäftig gewesen, wie in den letzten Monaten.«

»Der Dunkle Lord-«, begann sein Sohn, um sich zu rechtfertigen, doch sein Vater ließ ihn nicht aussprechen.

»Also ist es der Dunkle Lord, der verhindert, dass du deine Pflichten im Schlafzimmer nachkommst?«

Sanctimonia Vincet SemperWo Geschichten leben. Entdecke jetzt