Narzissas Bitte

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Sie fand Lucius in seinem Arbeitszimmer vor, wo er sich mit den Trauerkarten beschäftigte. Narzissa ließ den Blick kurz über das edle Mobiliar schweifen. Sie war erst wenige Male in diesem Raum gewesen. Sie ging zu einem Sideboard hinüber, wo einige Kelche und ein Dekanter mit Rotwein standen, füllte zwei Gläser und brachte eines davon Lucius an den Schreibtisch.

Er sah überrascht auf, als sie das Glas abstellte.

»Lucius, können wir sprechen?«, fragte sie mit überraschend fester Stimme.

Er schob den Kelch beiseite, zog die Brauen etwas zusammen, beugte sich jedoch wieder über die Umschläge und antwortete nur: »Was gibt es, Narzissa? Ich bin beschäftigt.«

Sie hörte die Ungeduld in seiner Stimme, doch sie wollte es nicht länger hinauszögern. Sie musste diesen neu gewonnenen Mut ausspielen.

»Es geht um uns, Lucius. Um unsere Ehe.«

Er lehnte sich im Stuhl zurück und sah zu seiner Frau auf und seine Lippen kräuselten sich leicht, bevor er sprach: »Unsere Ehe? Ich dachte, wir hätten längst geklärt. Du bist der Pflicht wegen hier, und ich ... ich habe derzeit andere Interessen.«

»Aber ... aber was ist mit uns?«, sie rang nach Fassung und nach Argumenten. »Was ist mit unserer Familie?«

Lucius' Blick verfinsterte sich. Für einen Moment schien etwas von seiner alten Wut und Aggression aufzublitzen, die sich durch die noch frische Trauer manifestierte.

»Unsere Familie?«, wiederholte er ungläubig. »Unsere Familie ist nicht mehr und ich werde mich auf keine Diskussion einlassen, solange du nicht all deinen Pflichten nachgekommen bist. Verstanden?«

»Meine Pflichten«, rief Narzissa etwas zu laut aus und ihre Stimme zitterte vor Wut, »ich tue seit Wochen nichts anderes, als meine Pflichten zu verrichten. Ich halte unseren Namen hoch, ich organisiere, ich plane und ich kümmere mich um alles.« Sie hatte sich in Rage geredet, doch es war furchtbar befreiend all die aufgestaute Frustration, die in ihr schlummerte, endlich herauszulassen. »Was ist mit deinen Pflichten?«

Im Aufblitzen seiner blau-grauen Augen erkannte Narzissa, dass sie zu weit gegangen war. Lucius erhob sich langsam und mit einer unverkennbaren Bedrohlichkeit von seinem Schreibtisch. Narzissa unterdrückte den Reflex zurückzuweichen, als er näher kam und stellte stattdessen nur ihren Kelch ab.

»Du wünschst, dass ich meinen Pflichten nachkomme?«, fragte er unheilvoll. Bevor sie reagieren konnte, packte er Narzissa an beiden Armen und drängte sie zu dem Sofa vor den Kamin.

»Du tust mir weh!«, klagte sie, doch das minderte seine Grobheit nicht.

»Du hast keine Ahnung«, zischte Lucius und drückte sie nieder, »wovon du sprichst.« Gegen seine Stärke hatte sie nicht die geringste Chance, trotzdem kämpfte sie dagegen an. »Unsere Ehe besteht darin«, sprach er weiter, als er ihr Unterkleid zerriss, »dass du gehorchst und dich fügst. Das ist deine wichtigste Pflicht.«

Narzissa tobte, heulte und schrie.

Doch in Malfoy Manor gab es niemanden mehr, der ihr Klagen hören konnte.


Sie blieb reglos zurück.

Lucius war schon lange gegangen. Wohin? Das hatte sie sich nicht gefragt, genauso wenig, wie viel Zeit verstrichen war. Das Feuer im Kamin brannte herab und neue Scheite wurden aufgetürmt. Nur eine kurze Zeit darauf riss eine piepsende Stimme sie aus den tristen Gedanken.

»Dobby hat frische Kleidung für die Herrin«, sagte der Hauself mitfühlend.

Seine großen wässrigen Augen sahen sie sorgenvoll an und legten behutsam den Stoff nieder. Narzissa lief eine letzte Träne über die Wange.

Sanctimonia Vincet SemperWo Geschichten leben. Entdecke jetzt